Drohszenarien in Fernost Taiwan setzt sich gegen China zur Wehr

Taiwan sieht sich von der chinesischen Regierung bedroht und rüstet auf, rhetorisch wie militärisch. Im November will man mit den USA ein Manöver in der Taiwanstraße abhalten - ein heikles Vorhaben.
Navys nordöstlich von Taiwan

Navys nordöstlich von Taiwan

Foto: Chiang Ying-ying/ AP

Notfalls auch mit Gewalt: Das ist das Drohszenario, mit dem China seine territorialen Ansprüche auf der Insel Taiwan durchsetzen könnte. Das fürchten zumindest viele Taiwaner, die sich zunehmend durch Manöver des chinesischen Militärs eingeschüchtert fühlen. Diese Sorge griff auch Präsidentin Tsai Ing Wen am Nationalfeiertag der Insel auf: Pekings Verhalten gefährde Frieden und Stabilität, sagte Tsai in einer vom Fernsehen übertragenen Rede. Sie warf der Regierung in Peking eine Destabilisierung der Region vor.

"Da Taiwan an der Front des West-Pazifiks liegt, sind wir naturgemäß einem erheblichen Druck ausgesetzt", sagte Tsai. Chinas "einseitige diplomatische Offensive und Militärmanöver" hätten nicht nur den Beziehungen zwischen beiden Ländern geschadet, sondern den "Status quo von Frieden und Stabilität ernsthaft gefährdet".

Spannungen zwischen Taipeh und Peking gibt es zwar schon seit Tsais Amtsantritt 2016. Die Kandidatin der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) verfolgt, anders als ihr Vorgänger, der Peking sehr entgegengekommen war, einen konfrontativeren Kurs. So weigert sie sich, das Ein-China-Prinzip anzuerkennen, wonach Taiwan untrennbarer Teil der Volksrepublik ist, der eines Tages mit dem Festland wiedervereinigt werden soll. Taiwan hat ein eigenständiges, demokratisch gewähltes Parlament und Ministerien, wird aber nur von 17 Staaten international als eigener Staat anerkannt.

Mit der Ansprache Tsais dürfte die Beziehung zu China aber wohl auf einem neuen Tiefpunkt angelangt sein. Laut "South China Morning Post" missbilligte das Büro für Taiwan-Angelegenheiten in Peking die deutlichen Worte aus Taipeh. Die Rede sei "voll von separatistischen Bemerkungen" gewesen, hieß es demnach. Die "feindselige und provozierende Rede" beweise, dass die DPP in Wirklichkeit Frieden und Stabilität in der Region zerstöre.

Nur 41 Meter bis zur Kollision

Die taiwanische Regierung ließ sich davon kaum einschüchtern. Stattdessen gab das Verteidigungsministerium bekannt, die Militärausgaben im kommenden Jahr deutlich anzuheben, um den von der Präsidentin geforderten Schutz der Selbstständigkeit der Insel gewährleisten zu können. Im kommenden Jahr soll das Budget etwa elf Milliarden US-Dollar umfassen, 588 Millionen Dollar mehr als noch 2018. Es würden neue Waffen angeschafft, "um unsere Verteidigungskraft schnell zu erhöhen", hieß es aus dem Ministerium.

Fast zeitgleich zu den Ankündigungen hielten taiwanische Truppen zudem an der Ostküste Übungen ab, die sie auf Attacken vom Festland vorbereiten sollen, wie die "South China Morning Post" schreibt . Demnach soll mit Jets, Helikoptern und Truppen eine Invasion chinesischer Truppen nachgestellt worden sein. Lokale Medien gingen davon aus, dass sich das taiwanische Militär damit auch auf eine geplante Großübung der US-Truppen in der Region vorbereiten wollte.

Laut dem US-Sender CNN soll Anfang November an nur wenigen Tagen die US-Marine mit verschiedenen Aktionen auf der ganzen Welt  ihre Stärke demonstrieren - ein Machtbeweis, der sich vor allem an Peking richten soll. Deshalb sollten Manöver ausgerechnet im Südchinesischen Meer und der Taiwanstraße durchgeführt werden. Die US-Regierung rechtfertigt die Übungen dort mit dem Recht, freie Seewege verteidigen zu dürfen.

Doch das Gebiet ist heikel. Dort demonstriert die chinesische Regierung schon länger ihre territorialen Geltungsansprüche auch gegenüber anderen Staaten in der Region - und ist nicht an einer Einmischung aus dem Westen interessiert. So hat China im Südchinesischen Meer Militärstützpunkte auf strategisch günstig gelegenen unbewohnten Inseln errichtet, die auch von anderen Staaten beansprucht werden.

Begegnung von US- und chinesischem Schiff im Südchinesischem Meer

Begegnung von US- und chinesischem Schiff im Südchinesischem Meer

Foto: U.S. Navy

Erst am vergangenen Sonntag war es in dem Gebiet zu einem Zwischenfall gekommen. Ein Lenkwaffenzerstörer der US-Marine war nahe der Spratly-Inseln, die ebenfalls von China reklamiert werden, fast mit einem chinesischen Marineschiff kollidiert. Einer Mitteilung der US-Marine zufolge soll die chinesische "Lanzhou" eine "Reihe gefährlicher Manöver" durchgeführt haben, um das US-Schiff zum Umlenken zu bewegen. Hinterher kamen sie nur knapp aneinander vorbei: 41 Meter fehlten noch bis zum Zusammenstoß.

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