Investitionen in Osteuropa Chinas zweifelhafte Versprechen

Drohende Überschuldung, leere Versprechungen, Planlosigkeit: Das chinesische Investment in Osteuropa wirft dunkle Schatten. Trotzdem soll der 16+1-Gipfel in Kroatien für Peking ein Erfolg werden.
Chinas Premier Li Keqiang und sein kroatischer Amtskollege Andrej Plenkovic

Chinas Premier Li Keqiang und sein kroatischer Amtskollege Andrej Plenkovic

Foto: Darko Bandic/ AP

Sieben Seiten brachten die Wende: Die Vertreter der EU und Chinas konnten sich bei ihrem Gipfel am Dienstag doch noch auf ein Kommuniqué einigen. Vor allem die Vertreter der Volksrepublik sollen dabei Zugeständnisse gemacht haben. So sagten sie zu, die chinesischen Märkte stärker zu öffnen und fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Eine Forderung, die schon seit vielen Jahren an Peking gerichtet wird, aber bislang mit mäßigem Erfolg.

Wenige Tage später, am Freitag, steht für Chinas Premier Li Keqiang ein weitaus angenehmerer Termin an. Dann beginnt der Gipfel 16+1 im kroatischen Dubrovnik, bei dem sich Staats- und Regierungschefs aus China sowie aus Mittel- und Südosteuropa treffen. Wobei das neunte Treffen der 16+1 auch dessen Ende bedeutet: Griechenland wird sich dem Format voraussichtlich anschließen, das damit zum 17+1 wird. Zwölf der Gipfelteilnehmer wären dann zugleich EU-Staaten. Ein Erfolg für China - und ein Konterpunkt zu den zähen Verhandlungen vom Wochenbeginn.

In Brüssel wird das Forum allerdings kritisch gesehen. China könnte spalterische Absichten haben, sorgen sich Diplomaten. Im Vorfeld gab es schon Spekulationen, wie lange Peking das Format überhaupt noch aufrecht erhalten würde, angesichts des Missmuts innerhalb der EU.

Viele Milliarden Dollar investiert

Ganz darauf verzichten will China aber offenbar nicht, auch weil die osteuropäischen Staaten für das gigantische Infrastrukturprojekt "Neue Seidenstraße" als "Einfallstor zu Europa" wichtig sind. Vor allem der Balkan könnte zur wichtigen Transportroute nach Mitteleuropa werden. Daten des American Enterprise Institute (AEI) zeigen, dass China in den Jahren zwischen 2007 und 2018 viele Milliarden Dollar in Osteuropa investiert hat, entweder durch Darlehen oder direkte Bauaufträge.

Allein die Projekte mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Dollar, die der "China Investment Tracker" des AEI auflistet, summieren sich zu knapp 29 Milliarden Dollar. Der Datensatz zeigt mit Ausnahme von 2015 und 2016 einen kontinuierlichen Anstieg, hat aber aufgrund der intransparenten Projektvergabe keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Unter den 16 Ländern gibt es laut Datensatz die mit Abstand größte chinesische Aktivität in Serbien (23 Projekte, Gesamtvolumen mehr als zehn Milliarden Dollar). Dort hat Peking vor allem in die Stahl- und Rüstungsindustrie sowie in Projekte zu einer smarten Infrastruktur investiert. Es folgen Ungarn (knapp vier Milliarden Dollar) und Polen (etwa drei Milliarden Dollar). Vier der 16 Länder kommen gar nicht vor: Albanien, Estland, Litauen und die Slowakei.

Auch wenn viele Regierungen der ostmitteleuropäischen Länder die chinesischen Investitionen gern entgegennehmen, zeigen sich hier vor allem drei große Probleme:

1. Angst vor Überschuldung durch überzogene Kredite

"Das Schuldenproblem Montenegros ist enorm", stellte das Center for Global Development (CGD) in einer Studie zur "Neuen Seidenstraße"  fest. Das ergibt sich auch aus den AEI-Daten, vor allem im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt der einzelnen Staaten. In Montenegro hat China zwar nur in ein Infrastrukturprojekt investiert, das hat dafür aber mit mehr als einer Milliarde Dollar die Verschuldung des kleinen Staates im vergangenen Jahr auf 83 Prozent ansteigen lassen. Bei dem Projekt geht es um eine Verbindung zwischen dem Hafenort Bar und Serbien. Knapp 85 Prozent der Kosten für die erste Phase des Projektes übernahm laut CGD die Export-Import Bank von China. Der Zinssatz soll demnach bei zwei Prozent liegen und die Gesamtsumme über einen Zeitraum von 20 Jahren zurückgezahlt werden.

Die Sorge vor den Folgen einer solchen Überschuldung durch großzügige Kredite aus China sind weder neu noch unbegründet: In Sri Lanka hatte sich die Regierung für einen Hafen für die "Neue Seidenstraße" so hoch verschuldet, dass sich China als Pächter des Hambantota Hafens für die nächsten 99 Jahre eintragen ließ - zum Ärger der Bevölkerung, die dagegen auf die Straße ging.

2. Versprochene Investitionen werden nicht umgesetzt

Noch ein zweiter Punkt sorgt dafür, dass die chinesischen Investitionen nicht nur als Segen betrachtet werden: Die Diskrepanz zwischen den versprochenen und den tatsächlichen Investitionen. Dieser Unterschied geht aus Zahlen zu den Balkanstaaten aus dem Bericht zur Münchner Sicherheitskonferenz 2019 hervor. Daraus ergibt sich etwa, dass vor allem in Bosnien-Herzegowina letztlich sehr viel weniger chinesisches Geld tatsächlich als Darlehen bewilligt wurde als angekündigt worden war. Ähnlich sieht es in Nordmazedonien aus:

Auch andere Länder der 16+1 haben sich von der chinesischen Seite offenbar mehr Zuverlässigkeit gewünscht. So ist die polnische Regierung seit mehreren Jahren in Gesprächen mit Vertretern aus Peking über eine Beteiligung an dem neuen Großflughafen in Warschau, doch bislang gibt es keine konkreten Zusagen dazu aus China. Auch in Tschechien gab es Verstimmungen, nachdem bei mehreren Projekten weit weniger chinesische Beteiligung herumkam als geplant. Der Sprecher des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman, der bereits mehrfach zu Gesprächen nach Peking gereist war, sagte im März vergangenen Jahres : "Die Volksrepublik China ändert derzeit ihre Investitionsstrategie. Wir glauben, dass der Trend nach dieser Änderung ansteigen wird."

3. Allgemeine Planlosigkeit

Die Volksrepublik hat mit "Made in China 2025" zwar einen genauen Fahrplan für die nächsten Jahre entworfen, der beispielsweise vorsieht, bis zu dem Datum weltweit führend zu sein bei Robotik und künstlicher Intelligenz. Daran orientieren sich chinesische Unternehmen auch bei Firmenaufkäufen wie dem Roboterbauer Kuka in Deutschland recht deutlich. In Ostmitteleuropa ist Experten zufolge aber weniger davon zu spüren. Infrastrukturprojekte allein werden demnach als nicht ausreichend empfunden; es fehlten etwa ein koordinierter Kulturaustausch. Offen sagen möchte das aber kaum jemand.

Den Zorn der für China ohnehin wichtigeren EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich will sich die Regierung in Peking durch das Engagement in Ostmitteleuropa ohnehin nicht einhandeln. Deshalb haben Peking und die 16 weiteren am Forum in Dubrovnik beteiligten Staaten Anfang der Woche angekündigt, gemeinsame Verträge vorher in Brüssel vorzulegen. Noch nie zuvor sollen die EU-Vertreter in das 16+1-Treffen so eingebunden worden sein wie in diesem Jahr.

Grafiken: Guido Grigat, Patrick Stotz
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