Häftlinge knien im Camp X-Ray in Guantanamo (Foto von 2002): Voreilige Festnahmen
Foto: epa Shane T. McCoy/ picture alliance / dpaWashington - Es ist ein gewaltiges Zahlenwerk, das der US-Senat über die Praktiken der CIA-Agenten in der Bush-Ära zusammengetragen hat. 6000 Seiten umfasst der Bericht, rund 500 davon sind nun öffentlich. 119 einzelne Fälle von Gefangennahme und Folter werden darin beschrieben. Eine Zahl jedoch findet vor allem bei Menschenrechtlern derzeit besondere Beachtung: 26 der 119 Fälle beschreiben die Misshandlung von Unschuldigen in den Zellen der US-Geheimdienste.
Die "New York Times" (NYT) hat einige dieser Beispiele zusammengetragen - und beschreibt, wie es in dem Chaos nach den Anschlägen des 11. September 2001 immer wieder zu voreiligen Festnahmen, zu Folter und Misshandlung kam.
Dabei zeigt sich erneut, dass die Zugriffe nicht selten auf Basis einer äußert dürftigen Beweislage erfolgten. Mitunter führten schlicht Verwechslungen oder Namensdreher zur monatelangen Inhaftierung von angeblichen Terrorverdächtigen. Teils floss nach der Freilassung Geld an die Opfer, manche warten jedoch bis heute auf eine Entschuldigung oder gar Entschädigung durch die US-Behörden.
Am Fall von Mohamed Bashmilah, einer der 26 auf der Liste, beschreibt die "New York Times" das Schicksal eines unschuldig Inhaftierten:
Nach seiner Festnahme im Jemen wurde Bashmilah an die CIA übergeben und 19 Monate unter anderem in Afghanistan gefangen gehalten. In dieser Zeit wurde er nach eigenen Angaben unter anderem extremer Kälte ausgesetzt und mit Schlafentzug durch laute Musik gequält. Der "New York Times" berichtet er von seinen drei Selbstmordversuchen in den Zellen der CIA. 2006 wurde er schließlich aus der Haft entlassen und lebt heute im Jemen.
Monate in Haft, ohne Befragung
Wie viele Details in dem Senatsreport ist auch die genaue Zahl der unschuldig inhaftierten Personen umstritten. Die CIA erklärte zuletzt, es seien "deutlich weniger" als die 26 erwähnten Fälle gewesen, ohne aber eine konkrete Angabe vorzulegen. Menschenrechtsorganisationen gehen dagegen von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus.
Beispielhaft erwähnt der NYT-Bericht den Fall von Mohammed al-Asad. Dieser brachte Monate in einer Zelle der CIA zu, ohne jemals befragt worden zu sein. Später wurde er in den Jemen zurückgeschickt und nie wieder von den US-Behörden belangt. Im Senatsreport taucht er nicht auf.
Manchmal bestand das "Vergehen" eines Gefangenen einzig darin, einen Namen mit einem tatsächlichen Terrorverdächtigen zu teilen. So geschehen im bekannten Fall des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri. Dieser wurde 2003 in Mazedonien festgesetzt und nach eigenen Angaben in ein afghanisches Geheimgefängnis verschleppt und dort gefoltert.
Oft fließt Geld - aber nicht in allen Fällen
In dem 500-Seiten-Papier finden sich weitere schwere Vorwürfe gegen die US-Geheimdienste. So seien "Personen über Monate in Haft geblieben", obwohl sie sogar die äußerst weit gefassten Vorgaben der Bush-Regierung für eine Gefangennahme nicht erfüllt hätten. Diese Fälle hätten sich vor allem in der Zeit unmittelbar nach 9/11 ereignet. Die CIA hat bereits eingeräumt, dass während dieser Periode Fehler gemacht worden seien.
Als Reaktion auf solche "Fehler" war es offenbar gängige Praxis, die Opfer mit Geldzahlungen still zu stellen. Die NYT zitiert einen namentlich nicht genannten CIA-Mitarbeiter: "In den wenigen Fällen, in denen wir danebenlagen, wurde der Gefangene freigelassen und finanziell kompensiert."
Das trifft jedoch nicht auf alle 26 in dem Bericht des Senats genannten CIA-Opfer zu. Trotz aller Bemühungen seiner Anwälte wurde Mohamed Bashmilah etwa bis heute nicht für seine 19 Monate in den Händen der CIA entschädigt.
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Gefangener in Guantanamo: 525 Seiten ist der Bericht des US-Senats lang - und er schildert in Auszügen, was in den Black Sites des US-Geheimdienstes und in Guantanamo passiert ist. Jahrelang hatten Menschenrechtler zuvor Klarheit über die Machenschaften unter George W. Bush verlangt.
US-Fahne im Gefangenenlager Guantanamo: Der Senatsbericht über die CIA-Folter wirft Licht auf eine der dunkelsten Stunden der neueren amerikanischen Geschichte.
Fußfesseln aus dem Lager Guantanamo: Mit solchen Hilfsmitteln wurden Gefangene am Boden ihrer Zellen festgekettet. Guantanamo spielt eine wichtige Rolle in dem 500 Seiten starken Bericht über die Methoden der CIA in den Jahren nach dem 11. September 2001. Dieser wurde am Dienstag veröffentlicht.
Camp Delta in Guantanamo: Der eigentliche, 6000 Seiten starke Bericht bleibt geheim. Die veröffentlichten Auszüge offenbaren dennoch zahlreiche Details über die CIA-Praktiken.
Flughafen im polnischen Szymany: Auf dem Gelände soll sich eine der berüchtigten Black Sites des US-Geheimdienstes befunden haben. In vielen Teilen der Welt soll die CIA solche geheimen Gefängnisse betrieben haben.
Er war oberster Befehlshaber: In die Amtszeit von George W. Bush (hier im Jahr 2003), von 2001 bis 2009 US-Präsident, fallen die meisten in dem Bericht geschilderten Foltervorfälle. Er hatte die Arbeit der CIA anlässlich des neuen Berichts noch einmal ausdrücklich gelobt.
Heute spielt Bush, 68, keine politische Rolle mehr. Selbst auf Republikaner-Veranstaltungen ist er nicht willkommen, die Partei fürchtet sein schlechtes Image. Diese Aufnahme zeigt ihn 2011 in Äthiopien.
Protest gegen die Folterpraktiken der CIA (Archivbild aus dem Jahr 2011): Immer wieder gab es Forderungen nach einer Offenlegung der Vorgänge in den Gefängnissen der Geheimdienste, was von offiziellen Stellen jedoch verweigert wurde. Erst jetzt kommt zumindest ein Teil ans Licht der Öffentlichkeit.
Gegen ihn richtete sich der Protest auf dem vorherigen Foto: Dick Cheney war einer der mächtigsten US-Vizepräsidenten aller Zeiten. In außenpolitischen Fragen vertraute George W. Bush ganz auf den Rat des Mannes, der schon seinem Vater als Verteidigungsminister gedient hatte. Er hatte sich klar für Folter als Verhörmethode ausgesprochen.
Auch Condoleezza Rice spielte in der Bush-Administration eine wichtige Rolle. Die Politikwissenschaftlerin von der Stanford University trainierte Bush während des Wahlkampfs in außenpolitischen Fragen, dann machte er sie zu seiner nationalen Sicherheitsberaterin, später zur Außenministerin.
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