Clintons falsche Bosnien-Geschichte "Ich habe einen Fehler gemacht"

Hillary Clinton versucht Schadensbegrenzung. In einer Rede hatte sie die Geschichte eines Bosnien-Besuchs enorm dramatisiert, ganze Szenen erfunden - Fernsehsender wiesen ihr die Falschdarstellung nach. Nun spricht sie offen von einem Fehler: "Das passiert. Ich bin auch nur ein Mensch."

Hamburg - Es war ein Novum in diesem Vorwahlkampf. Hillary Clinton gibt zu, dass sie ein Problem hat - und schuld daran ist. "Nun, ich habe einen Fehler gemacht", sagte sie am Dienstag in Pennsylvania. "Das passiert. Es zeigt, dass ich auch nur ein Mensch bin - was für manche Menschen eine Enthüllung ist."

Was war passiert? Clinton hatte bei einem Wahlkampfauftritt vor einigen Tagen die Geschichte eines Besuchs im bosnischen Tuzla geschildert. Es schien eine dramatische Angelegenheit gewesen zu sein, die sich offenbar in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. Für Händeschütteln, freundliche Worte, geschweige denn den Willkommensgruß eines kleinen Mädchens sei damals bei der Landung in der Stadt keine Zeit gewesen. "Es sollte eigentlich irgendeine Art Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen geben. Stattdessen rannten wir geduckt zu unseren Fahrzeugen, um zu unserem Stützpunkt zu gelangen", sagte Clinton in ihrer Rede. Von Heckschützen war da die Rede, die von den umliegenden Hügeln auf das Flugfeld feuerten.

Die "Washington Post" berichtete daraufhin, eine Archivrecherche von mehr als hundert Zeitungsartikeln, Radio- und Fernsehberichten, die sich mit Clintons Bosnien-Visite auseinandersetzten, habe nicht ein einziges Indiz für irgendeine Bedrohungslage enthalten. Das Gefährlichste an jenem Tag, spottete der US-Schauspieler Sinbad, der ebenfalls am Unterhaltungsprogramm in Tuzla teilnahm, gegenüber der Online-Ausgabe der "Washington Post", sei die Entscheidung gewesen, wo man essen gehen würde.

Hillary Clinton versuchte daraufhin zunächst, den peinlichen Patzer als "Versprecher" kleinzureden. Es habe lediglich eine Warnung vor möglichen Heckenschützen gegeben. "Ich sage eine Menge Dinge, Millionen Wörter jeden Tag, wenn ich mich also versprochen habe, so war das einfach ein Irrtum." Die Landung in Tuzla sei wegen des besonderen Risikos tatsächlich unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen erfolgt, stellte die Kandidatin in Interviews klar. "Wir mussten unsere kugelsicheren Westen anlegen."

Die "New York Times" allerdings zitierte einen damals anwesenden US-General, der sogar bestritt, dass es überhaupt Warnungen vor Heckenschützen gegeben habe. Und auch die US-Fernsehsender machten sich auf die Suche - und veröffentlichten jetzt Filmmaterial, das Clintons gesamte Geschichte auf den ersten Blick als Hirngespinst enttarnt.

Lächelnd schreitet Clinton auf den Bildern die Reihe der US-Soldaten ab, sie trägt einen olivgrünen Mantel. Unter dem Kragen blitzt ein blau-gelbes Halstuch hervor. Sie schüttelt Hände, ein kurzer Smalltalk unter Landsleuten auf dem unwirtlichen Flugplatz im bosnischen Tuzla, Tausende Kilometer von der Heimat entfernt. Ein achtjähriges Mädchen trägt Clinton ein Gedicht vor, reicht ihr einen Brief, umarmt die Präsidentengattin, küsst sie auf die Wangen. "Danke", sagt Clinton, ihre Tochter Chelsea steht daneben, auch sie lächelt - wie alle anderen Bobachter der Szene. Aus den Gesichtern spricht Rührung.

Der US-Sender CBS dokumentierte diese Bilder heute auf seiner Website. Von Schüssen, von Gefahr und Bedrohung ist nichts zu sehen, nichts zu hören. Eine bedrohliche Situation sieht anders aus. Keine Spur von Spannung. Von Nervosität. Von Angst. CBS-Reporterin Sharyl Attkisson, die Clinton seinerzeit mit ihrem Team im Flugzeug und auf den Terminen in Bosnien begleitete, kann sich an keine derartige Situation entsinnen, nicht bei der Ankunft auf dem Flugplatz, nicht beim Besuch zweier US-Armee-Außenposten, wo sie mit den Soldaten fürs Erinnerungsfoto posierte, und auch nicht bei Clintons gemeinsamer Gesangseinlage mit Popstar Sheryl Crow auf dem US-Stützpunkt.

Nun ist es nicht so, dass es für einen guten Präsidentschaftsbewerber unerlässlich wäre, einmal ins Visier von Heckenschützen geraten zu sein. Dennoch hat sich das Lager ihres innerparteilichen Konkurrenten Barack Obama bereits mit Genugtuung auf die arg übertriebenen bosnischen Erfahrungsberichte Clintons gestürzt.

Zu sehr hat die Rivalin im Wahlkampf auf die außenpolitische Karte gesetzt, ihre eigenen Erfahrung auf dem internationalen Parkett hervorgekehrt - insbesondere während der acht Jahre an der Seite ihres Ehemannes und damaligen Präsidenten Bill im Weißen Haus. Immer wieder betont sie, sie sei insgesamt 80-mal ins Ausland gereist und habe als First Lady mit Staatsmännern in aller Welt gesprochen. Nun muss sie sich der Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit erwehren. "Dies ist eines der zunehmenden Beispiele, in denen Senatorin Clinton ihre Rolle in Außen- und Innenpolitik übertrieben hat", spottete ein Sprecher von Obama.

Obama hat bisher in den Vorwahlen einen Vorsprung von über hundert Delegierten vor Clinton. Wahlexperten gehen davon aus, dass Clinton auch durch mehrere Siege bei den weiteren Vorwahlen diesen Vorsprung bis zum Nominierungsparteitag Ende August in Denver nicht aufholen kann. In der demokratischen Partei wird ein Patt befürchtet, das die Partei zerreißen könnte und die Chancen der Demokraten bei den Präsidentenwahlen am 4. November schwächt. Für die Republikaner steht John McCain, 71, als Kandidat bereits fest.

Für die "Washington Post" sind Clintons dramatische Gedächtnisprobleme ein klarer Fall: Das Blatt verlieh ihr einen "Pinocchio-Preis" für grob falsche Beschreibung der tatsächlichen Lebenslage.

phw/dpa/AFP/Reuters/AP

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