Codename "Curveball" US-Spion gibt Lügen über irakische Bio-Waffen zu

Er hatte sich Informationen über Massenvernichtungswaffen im Irak ausgedacht und damit die US-Invasion mitausgelöst. In einem Interview hat Spion "Curveball" seine Lügen nun zugegeben. Außerdem erhob der Iraker Vorwürfe gegen die Geheimdienste in den USA und Deutschland.
Bombenangriff auf Bagdad (im Jahr 2003): Falsche Angaben des Informanten

Bombenangriff auf Bagdad (im Jahr 2003): Falsche Angaben des Informanten

Foto: DPA

London - Einer der Hauptinformanten über angebliche Massenvernichtungswaffen des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein hat eingeräumt, die Geheimdienste Deutschlands und der USA belogen zu haben. Der unter dem Decknamen "Curveball" bekannte Iraker sagte der britischen Tageszeitung "The Guardian", er habe damit Saddam Husseins Sturz bewirken wollen.

Rafed Ahmed Alwan al Dschanabi alias "Curveball" sagte der Zeitung, er habe dem Bundesnachrichtendienst (BND) bewusst falsche Informationen über eine angebliche Produktion und Verteilung von biologischen Waffen im Irak gegeben. Diese wurden dann an die USA weitergegeben.

"Ich hatte die Chance, etwas zu konstruieren, um das Regime zu stürzen. Ich und meine Söhne sind stolz darauf", so der Mann. Laut "Guardian" fand das Interview mit al Dschanabi in Deutschland statt.

Militärinterventionen im Irak

Im Februar 2003 nutzte der damalige US-Außenminister Colin Powell unter anderem Informationen von "Curveball" in einer Rede vor dem Uno-Sicherheitsrat. Darin war der angebliche Besitz von Massenvernichtungswaffen einer der zentralen Vorwürfe gegen Saddam Hussein - und ein Hauptargument für .

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Informanten waren jedoch schon relativ früh aufgetaucht. 2008 hatte Powells damaliger Stabschef Lawrence Wilkerson die Rede in einem SPIEGEL-Interview als "oberflächlichen Bullshit" bezeichnet.

"Curveball" sagte dem "Guardian", er habe seine Lüge gegenüber dem BND bereits vor längerer Zeit zugegeben, geschehen sei aber nichts. Laut der Zeitung hatte der Mann außerdem über Jahre Geld vom deutschen Geheimdienst erhalten. Zum aktuellen Bericht der Zeitung und zum derzeitigen Aufenthaltsort des Irakers wollte sich der BND am Mittwoch nicht äußern.

Im Jahr 2005 warfen mehrere BND-Mitarbeiter den USA vor, die Aussagen von "Curveball" überbewertet und entstellt zu haben. In einem Interview der "Los Angeles Times" sagten sie, der Iraker habe nie behauptet, selbst biologische Waffen hergestellt oder andere bei der Produktion beobachtet zu haben.

Unter falschem Namen in Süddeutschland gelebt

Dennoch habe der damalige US-Präsident George W. Bush davor gewarnt, dass Saddam Hussein über mindestens sieben mobile Labors zur Herstellung von Biowaffen verfüge - und sich dabei offenbar auch auf die Informationen aus Deutschland berufen.

Nach Angaben der BND-Mitarbeiter lebte "Curveball" damals unter falschem Namen in Süddeutschland. Von der Rede Powells vor dem Uno-Sicherheitsrat sei er "geschockt" gewesen, sagte der Iraker dem "Guardian". Allerdings habe dieser den Einmarsch der USA in den Irak nicht allein mit seiner "Geschichte" gerechtfertigt.

Gegen den BND erhob "Curveball" Vorwürfe, die allerdings nicht zu seiner Aussage passten, er habe den Sturz Saddam Husseins provozieren wollen: Nach der Kontaktaufnahme durch einen deutschen Agenten namens "Dr. Paul" im Jahr 2000 sei ihm zugesagt worden, dass die zur Verfügung gestellten Informationen nicht an Dritte weitergegeben würden, so "Curveball".

Außerdem habe man ihm im Jahr 2002 gedroht, dass er nicht mit seiner damals schwangeren Frau zusammenleben dürfe, wenn er nicht kooperiere.

jok/AFP/dpa
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