Feiern, als ob die Pandemie längst vergessen ist.
Partystimmung auf Sansibar, die Gäste lassen es krachen.
Masken, Social Distancing? Fehlanzeige. Auch tagsüber volle Strände und ungehemmte Touristen.
»Kein Corona! Das ist das Leben! Ich bin so glücklich.«
Tatsächlich: »Sanisbar ist offiziell Corona-frei«, werben die Hotels. Der einfache Trick dahinter: Die tansanische Regierung hat im Juni aufgehört, neue Infektionen zu zählen. Und was es angeblich nicht gibt, dagegen muss man sich ja auch nicht schützen.
Seit einige Wochen haben das auch Touristen vor allem aus Russland mitbekommen. Zu Tausenden pilgern sie hierher – und brauchen dafür nicht einmal einen Covid-Test. Geschweige denn eine Maske.
»Es ist toll, sich so frei zu fühlen. Ohne Masken, ohne Coronavirus.«
»In Russland müssen wir unsere Masken überall tragen. Hier ist es ok ohne.«
»Die Gesichter, das Lächeln, hier kann man es wieder sehen. Das ist so gut.«
»Es ist frei. Ich fühle mich sehr wohl. Ich fühle mich endlich wie üblich, wie die Welt bevor Corona.«
Die Illusion einer heilen, virusfreien Welt. Auf der Gewürzinsel Sansibar kann man daran glauben. Hier tummeln sich die Touristen vor den Sehenswürdigkeiten – ungeschützt. Die Tourguides freuen sich über die plötzliche Nachfrage.
Marko Jovanovic, Reiseunternehmen Jungle Tribe
»Wir sagen ihnen ›Kein Corona‹ und sie nehmen sofort ihre Masken ab. Die genießen das sehr, denn die Insel bietet Erlösung. Im Zweiten Weltkrieg gab es die Schweiz als freies, unabhängiges Land. Und jetzt, während Covid, ist das Sansibar, ist das Tansania. Es ist frei.«
Doch wie teuer ist diese Freiheit erkauft? Wir treffen einen der wenigen, die im autoritären Tansania offen darüber reden. Ismail Jussa ist Politiker auf Sansibar, bekannt für seine Kritik an der Regierung. Dafür hat ihn die Polizei im vergangenen Jahr in den Rollstuhl geprügelt, sein Bein mehrfach gebrochen. In Jussas Verwandtenkreis gab es mehrere Covidfälle allein in den vergangenen Tagen.
Ismail Jussa, Politiker:
»Sansibar ist vom Tourismus abhängig, deswegen will die Regierung offenbar Covid kleinreden, um die Touristen nicht abzuschrecken. Aber das ist gefährlich, wenn es keinerlei Schutzmaßnahmen gibt. Die Leute können sich infizieren und sterben.«
Selbst der Vizepräsident von Sansibar musste vor einigen Tagen zugeben, dass er an Covid erkrankt ist. Trotzdem: Die Partys bis in die Morgenstunden gehen weiter. Gern hätten wir die Tourismusbehörde dazu befragt. Doch erst warten wir über Stunden vergebens, dann wird das verabredete Interview schließlich abgesagt.
Dafür treffen wir eine Gruppe Frauen, die den Kampf gegen Covid selbst in die Hand nehmen. Rahma hat Covid-Patienten betreut, will nun aufklären: über das richtige Händewaschen und Mindestabstände. Auf die Touristen sind sie hier nicht immer gut zu sprechen.
Rahma Hassan Mohammed
»Manchmal bricht es mir das Herz. Wir Einheimische versuchen uns zu schützen, während es den Touristen egal ist. Sie laufen ohne Masken durch unser Dorf, sie waschen ihre Hände nicht, sie kommen unseren Kindern nah, gehen sogar in die Schulen. Das finde ich enttäuschend. Und all das passiert, weil die Regierung es ihnen gestattet. Dabei sind wir überzeugt, dass es hier Corona gibt.«
Doch den Touristen wird ein ungetrübter Urlaub ohne lästiges Virus versprochen. Ein Sehnsuchtsort auch für deutsche Covid-Skeptiker. »Unterstützt dieses mutige Land, macht Urlaub auf Sansibar, ohne Covid-Terror«, heißt es zum Beispiel auf Twitter. Die tansanische Regierung warnt auch vor westlichen Covid-Impfungen, stattdessen setzt der Präsident auf traditionelle Heilkräuter.
Ein Land mit Vollmondpartys statt Lockdown und Vakzine. Inzwischen sind übrigens mehrere Rückreisende aus Tansania positiv auf Corona getestet worden.