Zahara de la Sierra in Andalusien
Wie ein spanisches Bergdorf dem Coronavirus trotzt
Während sich das Coronavirus in Spanien rasant ausbreitet, gibt es im Bergdorf Zahara de la Sierra noch keinen einzigen Fall. Am Telefon verrät der Bürgermeister, was die Gemeinde tut, um sich zu schützen.
Bergdorf Zahara de la Sierra: 1400 Menschen haben sich von der Außenwelt abgeschottet, ein Team in Schutzanzügen kontrolliert die Zufahrtsstraße streng
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Ganz Spanien ist vom Coronavirus erobert. Ganz Spanien? Nein. Ein von unbeugsamen Spaniern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Zahara de la Sierra sei wie das fiktive Dorf von Asterix und Obelix, schrieb die Zeitung "As", als sie vergangene Woche von der kleinen, coronafreien Gemeinde in Andalusien berichtete. Nun geht die Geschichte um die Welt.
Während das Virus nahezu überall in Spanien wütet und Tausende Menschen tötet, gibt es in Zahara bislang nicht einen einzigen Corona-Fall. Und das soll auch so bleiben. Das 1400-Seelen-Bergdorf, das auf einer Anhöhe unterhalb einer alten maurischen Festung über der Landschaft thront, hat sich von der Außenwelt abgeschottet. Niemand kommt noch ohne Erlaubnis hinein, die Zufahrtsstraße wird streng kontrolliert. Aber innerhalb dieser Bastion mit ihren weißen Häusern sind die Menschen füreinander da. Der SPIEGEL hat am Mittwochabend mit Bürgermeister Santiago Galván gesprochen.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
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Ein Dorf schottet sich ab
SPIEGEL: Señor Galván, wie geht es Ihnen in Zahara in der Isolation?
Galván: Gut, danke. Wir haben noch immer keine einzige Infektion. Und es gibt auch keinen Corona-Verdacht: Niemand von uns hat Symptome.
Der Sozialdemokrat Santiago Galván Gómez (40) ist seit knapp einem Jahr Bürgermeister von Zahara de la Sierra. Das andalusische Dorf mit seinen weißen Häusern liegt auf einer Anhöhe unterhalb einer Festung. Die 1400 Einwohner leben von Landwirtschaft und Tourismus - normalerweise.
Galván: Am Anfang, als sich das Virus in Europa verbreitet hat, hatten wir Glück, dass es nicht hierhergekommen ist. Aber als unsere nationale Regierung dann vor knapp vier Wochen den Alarmzustand ausgerufen hat, haben wir mehr gemacht, als wir mussten. Wir wollten es dem Virus so schwer wie möglich machen, in unsere Stadt zu kommen. Wissen Sie: Zahara hat fünf Zufahrten. Vier davon haben wir abgesperrt. Und an der fünften Zufahrt stehen jetzt unsere Leute, mit Atemmasken, Schutzanzügen und Handschuhen…
SPIEGEL: …woher haben sie denn die Schutzkleidung?
Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 120 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.
Galván: Vom Olivenbaumspritzen. Jeder, der nach Zahara hineinwill, wird kontrolliert. Jedes Auto wird von unseren Gemeindeangestellten und Freiwilligen mit Desinfektionsmittel besprüht. Danach müssen alle Autos noch mal durch eine Senke mit Desinfektionsmittel fahren, damit die Reifen nichts hineinschleppen. Wenn Lieferanten oder andere Auswärtige dann im Dorf sind, müssen sie direkten Kontakt zu unseren Bürgern vermeiden und Abstand halten.
"Die Menschen wissen, was auf dem Spiel steht"
SPIEGEL: Dürfen sich Ihre Einwohner untereinander noch näherkommen? Gerade in Andalusien gehört es zur Kultur, dass Bekannte und Nachbarn einander umarmen und küssen.
Galván: In normalen Zeiten schließen viele in Zahara ihre Türen nicht ab, Nachbarn gehen in den Häusern ein und aus, sie umarmen sich und verbringen Zeit miteinander. Das geht jetzt alles nicht. Die Menschen vermissen das natürlich - aber sie wissen, was auf dem Spiel steht. Im Nachbardorf, zehn Minuten von hier, ist eine ältere Dame am Virus gestorben. Wir haben unser Altenheim im Ort schon vor der Ausrufung des Alarmzustands strikt isoliert. Die Guardia Civil würde harte Strafen verhängen, wenn jemand die Regeln verletzt und zum Beispiel auf die Straße geht, um zu telefonieren oder zu rauchen. Aber die Menschen hier sind sehr diszipliniert. Wir vertrauen uns, und wir helfen uns gegenseitig, wo wir können.
Galván: Wir haben gleich nach Ausrufung des Alarmzustands einen Bestellservice organisiert. Zwei Angestellte der Stadt gehen in Zahara einkaufen und bringen Menschen ihre Lebensmittel nach Hause, ohne Lieferkosten natürlich. Außerdem haben wir eine Telefonhotline eingerichtet, die Menschen anrufen können, wenn sie Sorgen haben oder etwas benötigen. Einige Frauen hier im Ort kochen für ältere Mitbürger, die sich nicht mehr selbst versorgen können. Jeden Montag und Donnerstag gehen Freiwillige durch das Dorf und desinfizieren alles. Und wir haben einen Lkw, der abends durch die Straßen fährt und Musik spielt.
"Ich fürchte, es dauert noch lange, bis wir hier wieder Touristen sehen"
SPIEGEL: Zahara ist als eines der schönsten weißen Dörfer von Andalusien bekannt. Aber jetzt kommen keine Touristen mehr…
Galván: …das ist ein Problem. Wir haben hier fünf Hotels, 19 Restaurants und Bars, 95 Prozent unserer Wirtschaft hängen von Tourismus ab. Wir versuchen, den Betrieben zu helfen, indem wir ihnen Strom und Wasser schenken und auf bestimmte Steuern und Gebühren verzichten. Aber ich fürchte, dass es noch lange dauert, bis wir wieder Touristen hier sehen werden. Wir alle müssen zusammenhalten, gemeinsam werden wir es schaffen.
SPIEGEL: Wie lange wollen sie denn Ihre Isolation aufrechterhalten?
Galván: Auf jeden Fall so lange, bis der nationale Alarmzustand aufgehoben ist. Aber auch dann werden wir erst mal weiter alles desinfizieren und uns schützen. Das Virus ist ja nicht weg.
SPIEGEL: Wann wird sich die Lage in Zahara wieder normalisieren?
Galván: Das normale Leben, wie wir es kennen und lieben, wird sich wohl erst wieder einstellen, wenn es eine Impfung oder ein Medikament gibt. Aber wenn wir es bis dahin ohne Infektion schaffen, werden wir ein großes Fest feiern. Mit unseren Einwohnern - und dann hoffentlich auch wieder mit vielen Gästen aus Deutschland.
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Bergdorf Zahara de la Sierra: 1400 Menschen haben sich von der Außenwelt abgeschottet, ein Team in Schutzanzügen kontrolliert die Zufahrtsstraße streng
Leerer Platz in Zahara de la Sierra: 1400 Menschen leben in dem idyllischen Bergdorf.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
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Der kleine Ort ist auch bei Touristen sehr beliebt. Als der Alarmzustand ausgerufen wurde, gab es noch keinen Corona-Fall unter den Einwohnern.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
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Um sich möglichst gut gegen das Virus zu schützen, schottete Zahara de la Sierra sich daraufhin ab.
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Seitdem darf niemand rein und raus.
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Fünf Wege führen nach Zahara de la Sierra - eigentlich. Nun ist nur noch eine Zufahrt geöffnet, dort kontrollieren offizielle Vertreter jeden, der rein will.
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Wer ins Dorf darf, muss mit dem Auto durch diese Senke fahren, dort werden die Reifen desinfiziert.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
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Wenn Lieferanten oder andere Auswärtige dann im Dorf sind, müssen sie direkten Kontakt zu unseren Bürgern vermeiden und Abstand halten.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Leerer Platz in Zahara de la Sierra: 1400 Menschen leben in dem idyllischen Bergdorf.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Der kleine Ort ist auch bei Touristen sehr beliebt. Als der Alarmzustand ausgerufen wurde, gab es noch keinen Corona-Fall unter den Einwohnern.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Um sich möglichst gut gegen das Virus zu schützen, schottete Zahara de la Sierra sich daraufhin ab.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Seitdem darf niemand rein und raus.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Fünf Wege führen nach Zahara de la Sierra - eigentlich. Nun ist nur noch eine Zufahrt geöffnet, dort kontrollieren offizielle Vertreter jeden, der rein will.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Wer ins Dorf darf, muss mit dem Auto durch diese Senke fahren, dort werden die Reifen desinfiziert.
Foto: Ayuntamiento de Zahara de la Sierra
Wenn Lieferanten oder andere Auswärtige dann im Dorf sind, müssen sie direkten Kontakt zu unseren Bürgern vermeiden und Abstand halten.