Die Karlsbrücke in Prag – verlassen. Wo sich sonst Tausende Touristen drängen, spazieren nur noch vereinzelt Menschen. Tschechien bricht derzeit einen traurigen Rekord: Das Land verzeichnet die höchste 7-Tage-Inzidenz weltweit, mit rund 760 Fällen pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wert derzeit bei 65.
Um das Coronavirus in den Griff zu bekommen, hat die Politik den Lockdown nun noch einmal verschärft.
· Drei Wochen lang dürfen die Bürger ihren Bezirk nur in Ausnahmefällen verlassen.
· In der Öffentlichkeit gilt Maskenpflicht.
· Sämtliche Schulen und nicht lebenswichtigen Geschäfte sind geschlossen.
26.000 Polizisten und 5000 Soldaten sollen darüber wachen, dass die Auflagen eingehalten werden.
Fast schuldbewusst hatte die Regierung die Bürger vergangene Woche zum Einhalten der Regeln animiert.
Andrej Babiš, Ministerpräsident Tschechien
»Ich weiß, dass die Regierung viele Fehler gemacht hat in der Vergangenheit, aber ich bitte sie eindringlich, uns noch einmal eine Chance zu geben. Nur so können wir gemeinsam durch diesen Notstand kommen und das Virus in den nächsten drei Wochen stoppen und zur Normalität zurückkehren.«
Doch der Vertrauensverlust in der Bevölkerung sitzt tief – das zeigen die Reaktionen der Bürger auf die anhaltenden Einschränkungen.
»Die Menschen haben die Schnauze voll. Die Politiker brechen ständig die Regeln, die sie selbst aufgestellt haben. Und dann sind sie überrascht, wenn Menschen mit geringerem IQ sagen, dass sie die Regeln nicht einhalten wollen, wenn die Politiker sich selbst nicht daran halten. Das Problem sind die Menschen, die uns regieren.«
»Das ist doch sinnlos, niemand bricht hier die Regeln. Die Fehler machen die da oben. Wenn man sofort mit den Impfungen begonnen hätte, so wie überall, dann hätten wir uns so schützen können. Jetzt müssen wir seit einem Jahr diese Masken tragen. Alle machen es, aber ich glaube nicht, dass es hilft.«
Ein Vertrauensverlust, der in den halbherzigen Entscheidungen und fatalen Fehleinschätzungen der Regierung seine Ursache hat.
Ende Juni feierten Tausende Menschen voreilig das Ende von Corona bei einer Straßenparty in Prag – ohne Abstand, ohne Maske. Es folgte: die zweite Welle mit einem starken Anstieg der Infektionszahlen auf über 800 Fälle pro 100.000 Einwohner.
Zudem versuchten viele Tschechen die Einschränkungen mit Tricks zu umgehen: Kneipenbesitzer richten beispielsweise im Februar auf einmal politische Versammlungen aus, um legal wieder öffnen zu können – das war erlaubt.
Und auch jetzt, mitten in der dritten Welle, befürchten Experten, dass wieder zu viele Schlupflöcher gewährt wurden.
Robin Sin, Impfkoordinator
»Es reicht nicht, den Bewegungsradius zu verkleinern, denn es ist unmöglich das zu überwachen. Wenn man sich die Liste der Ausnahmen anguckt, die sogar vom Ministerium genehmigt wurde, dann kann wirklich jeder einen Grund für eine Ausnahme erfinden.«
Angesichts der dramatischen Zahlen haben nun auch die Ministerpräsidenten in Bayern und Sachsen reagiert. Neben den scharfen Grenzkontrollen beschlossen sie, Intensivbetten und Schnelltests zu liefern – sowie 15.000 Impfdosen für Menschen in der Grenzregion bereitzustellen.