Coronavirus Chinas Führung erhöht den Einsatz

Viel peinlicher hätte die Pressekonferenz für die Verantwortlichen aus Wuhan kaum laufen können - allein schon wegen der Sache mit den Atemschutzmasken. Als sie am späten Sonntagabend vor die Kameras traten, trug Wuhans Bürgermeister Zhou Xianwang seine Maske falsch herum. Der Generalsekretär der Provinz Hubei, Bie Jiangxiong, hatte mit seiner Maske nur den Mund bedeckt, ließ aber die Nase hervorschauen; so ist kein Schutz gewährleistet. Provinzgouverneur Wang Xiaodong verzichtete ganz darauf.
Was anderswo als kleine Nachlässigkeit übersehen worden wäre, wurde in China mit beißendem Spott aufgenommen: Die Atemmaske ist zum Symbol der Coronavirus-Krise geworden, und die Mächtigen konnten damit offensichtlich nicht umgehen. "Wenn das Virus fair ist, dann möge es diese nutzlose Person bitte nicht verschonen", kommentierte ein chinesischer Social-Media-Nutzer mit Blick auf Bürgermeister Zhou.
Erst wenig, dann drastisch
Eine Woche nachdem die Behörden die Isolation Wuhans angeordnet hatten, ist das Land weitgehend zum Erliegen gekommen. Am Mittwochnachmittag Ortszeit lag die Zahl der Virus-Infizierten bei über 6000, 132 Menschen waren gestorben. Das Pekinger Zentrum für Seuchenkontrolle gab bekannt, angesichts der steigenden Zahl an Krankheitsfällen trete die Hauptstadt von der "Import- in die Verbreitungsphase". British Airways stellte alle Flüge von und nach China bis auf Weiteres ein. Am Donnerstag will Hongkong die Grenzen zum Festland weitgehend dichtmachen - zu Zeiten der Sars-Epidemie 2003 hatte die Finanzmetropole auf solch drastische Maßnahmen noch verzichtet.
Längst stellen die Menschen im Land Fragen: Wer hat die Misere zu verantworten? Hat der Staat angemessen reagiert?
Inzwischen gilt in China als unstrittig, dass die Lokalbehörden wenigstens anfänglich einen miserablen Job gemacht haben. So ließ Wuhans Stadtregierung noch wenige Tage vor der Abriegelung ein Bankett mit angeblich 40.000 Teilnehmern stattfinden - was die Ausbreitung begünstigt haben dürfte: In China werden bei Festlichkeiten üblicherweise keine Tellergerichte serviert, sondern jeder Gast bedient sich mit seinen Essstäbchen aus denselben Schüsseln. Zudem musste Bürgermeister Zhou gestehen, dass im Zuge der Reisesaison um das Chinesische Neujahr bereits rund fünf Millionen Einwohner Wuhan verlassen haben könnten, bevor der Reisebann griff.
Wer wusste wann was?
In einem Interview mit dem Staatssender CCTV hat Zhou am Montag eingeräumt, zu lange zu wenig getan zu haben. Erst nachdem die Zentralregierung das Virus am 20. Januar als Infektionskrankheit der gefährlichsten Klassifizierung A eingestuft hatte, sei "unsere Arbeit aktiver geworden". Auch habe er die Bevölkerung nicht rechtzeitig informiert. Freilich habe man sich nur an die geltenden Regeln gehalten: "Das Gesetz zur Prävention von Infektionskrankheiten regelt die Freigabe von Informationen", sagte er. "Als Lokalregierung dürfen wir sie nur öffentlich machen, wenn wir dafür die Genehmigung haben."
Bei aller Selbstkritik - ein klein wenig haben auch die da oben Schuld, schien Zhou damit sagen zu wollen. Dem Magazin "Caixin" zufolge sieht die Rechtslage in China tatsächlich vor, dass Maßnahmen zur Kontrolle von Infektionskrankheiten erst dann angekündigt und umgesetzt werden dürfen, wenn der Staatsrat sie abgenickt hat. Ungeklärt ist, wann die Kunde von dem Ausbruch Chinas Zentralregierung tatsächlich erreicht hat.
Seit Anfang vergangener Woche jedenfalls geriert sie sich als Retter in der Not. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat gesagt, es versündige sich an Partei und Nation, wer Informationen über die Krankheit zurückhalte. Inzwischen spricht er in Zusammenhang mit dem Virus von einem "Teufel".
Xis ungewöhnliche Transparenz-Offensive
Als am Samstag der Ständige Ausschuss des Politbüros zusammenkam, zeigte das Staatsfernsehen Aufnahmen aus dem Tagungsraum. Dass der höchste Machtzirkel solch unerhörte Transparenz zulässt, hat es laut dem renommierten Chinakenner Bill Bishop noch nicht gegeben. Bei dem Treffen wurde eine Taskforce zur Virusbekämpfung geschaffen, Premierminister Li Keqiang übernahm den Vorsitz. Zwei Tage darauf besuchte er ein Krankenhaus in Wuhan - mit korrekt angelegter Maske.
All das soll signalisieren: Haben die Lokalgrößen in Wuhan es auch verbockt - die Sache liegt jetzt bei uns und damit in guten Händen. Für die Pekinger Führung erhöht sich damit allerdings der Einsatz: Wenn es jetzt nicht gelingt, die Krankheit rasch einzudämmen, wird das auf sie zurückfallen.
Das hat Auswirkungen auf die öffentliche Debatte. Bisher haben Chinas Medien - auch staatliche - umfangreich über die Krise berichtet und dabei auch heikle Themen angefasst, etwa infizierte Ärzte interviewt. In chinesischen sozialen Medien ging es hoch her, was die Zensoren teils zu tolerieren schienen.
Doch seit die Zentralregierung die Zügel übernommen hat, scheint sich das Spektrum des Sagbaren wieder zu verengen. Xi hat die Losung ausgegeben, "die Anleitung der öffentlichen Meinung zu verstärken". Chinesische Journalisten wurden instruiert, "positive Energie" zu vermitteln. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua warnte, dass "die Verbreitung von Panik gefährlicher sein kann als das Virus selbst". Selbst die auf ihren couragierten Journalismus stolze "Caixin" spricht inzwischen in schönster Propagandadiktion vom "Krieg von Wuhan", der gemeinsam gewonnen werden müsse.
Ob sich Chinas Internetnutzer davon werden überzeugen lassen, steht auf einem anderen Blatt.