Festnahme von Journalisten Merkel hält Lage in der Türkei für alarmierend

Regierungssprecher Steffen Seibert (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/ dpaRegierungssprecher Steffen Seibert (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/ dpaZu leise, zu wenig: Die ersten Statements der Bundesregierung zum staatlichen Angriff auf die türkische Oppositionszeitung "Cumhuriyet" sorgten für Kritik.
Darauf reagierte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch mit einer deutlicheren Ansage in Richtung Ankara: Die jüngsten Ereignisse seien für Kanzlerin Angela Merkel und die gesamte Regierung "in höchstem Maße alarmierend".
Seibert sagte weiter, es gebe "großen Zweifel daran, ob das Vorgehen gegen den Chefredakteur Murat Sabuncu und seine Kollegen rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht". Die Bundesregierung werde den Fall weiter sehr aufmerksam beobachten.
Es sei aber wichtig, "wenn wir bestimmte Maßnahmen der türkischen Seite so missbilligen, dass dann weiter gesprochen wird". Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wies darauf hin, dass der deutsche Botschafter in Ankara nach den Verhaftungen die Redaktion der Zeitung "Cumhuriyet" besucht hatte. Dies sei ein deutliches Signal der Solidarität gewesen.
Der ehemalige "Cumhuriyet"-Chefredakteur, Can Dündar, hatte im Gespräch mit der "Welt" gesagt: "Die Reaktion der deutschen Regierung war wirklich schwach", auch im Vergleich mit anderen westlichen Staaten.
Auch von den Grünen und vom CDU-Abgeordneten Michael Brand, dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, kam deutliche Kritik. Es dürfe Deutschland "nicht egal sein, dass in der Türkei gerade eine Diktatur entsteht", sagte Brand SPIEGEL ONLINE.
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Demonstranten in Istanbul protestieren gegen das harte Vorgehen der türkischen Behörden gegen die Zeitung "Cumhuriyet". Dutzende Menschen harrten in der Nacht in einer Mahnwache gegenüber dem Redaktionsgebäude aus.
Am Montag wurden Chefredakteur Murat Sabuncu und zwölf weitere Mitarbeiter des Blattes verhaftet - international ist das Entsetzen groß.
Westliche Staaten befürchten, die Türkei könne sich unter Führung ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Putschisten von einer Demokratie in einen autoritären Staat verwandeln.
Nach der Schließung zahlreicher kritischer Medien ist "Cumhuriyet" die letzte namhafte Zeitung, die kritisch über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan berichtet. Hier ein Bild aus dem Newsroom des Blattes.
Bei der Zeitung gibt man sich kämpferisch - und zugleich sind die Mitarbeiter voller Furcht um ihr Land. "Wir haben größere Angst denn je", sagt ein Reporter SPIEGEL ONLINE. "Wir verlieren unsere Jobs und wissen: Echten Journalismus wird es in der Türkei bald nicht mehr geben."
Der türkische Journalistenverband teilte mit, seit dem Putschversuch vom 15. Juli seien 170 Zeitungen, Zeitschriften, TV-Sender und Nachrichtenagenturen geschlossen worden. 2500 Journalisten seien arbeitslos.
Den verhafteten "Cumhuriyet"-Journalisten wird die Unterstützung des Gülen-Netzwerks und militanter kurdischer Gruppen vorgeworfen. Erdogan hält den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen (im Bild) für den Drahtzieher des gescheiterten Putsches. "Cumhuriyet" weist den Vorwurf der Komplizenschaft zurück: Man habe im Gegenteil gewarnt, Gülen sei eine Gefahr für die Republik.
Bereits vor einem knappen Jahr, und damit Monate vor dem Putschversuch vom Juli, hatten die türkischen Behörden erstmals gegen "Cumhuriyet" losgeschlagen. Ihr damaliger Chefredakteur Dündar (im Bild)und sein Hauptstadtbüroleiter wurden verhaftet und im Mai wegen Verrat von Staatsgeheimnissen zu mehrjährigen Haftstraften verurteilt.
Erst im September wurde "Cumhuriyet" mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, und zwar "für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihr bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen". Hier ein Bild aus der Redaktion im November 2015.
Den verhafteten "Cumhuriyet"-Journalisten wird die Unterstützung des Gülen-Netzwerks und militanter kurdischer Gruppen vorgeworfen. Erdogan hält den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen (im Bild) für den Drahtzieher des gescheiterten Putsches. "Cumhuriyet" weist den Vorwurf der Komplizenschaft zurück: Man habe im Gegenteil gewarnt, Gülen sei eine Gefahr für die Republik.
Foto: Matt Smith/ dpaBereits vor einem knappen Jahr, und damit Monate vor dem Putschversuch vom Juli, hatten die türkischen Behörden erstmals gegen "Cumhuriyet" losgeschlagen. Ihr damaliger Chefredakteur Dündar (im Bild)und sein Hauptstadtbüroleiter wurden verhaftet und im Mai wegen Verrat von Staatsgeheimnissen zu mehrjährigen Haftstraften verurteilt.
Foto: Monika Skolimowska/ dpaErst im September wurde "Cumhuriyet" mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, und zwar "für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihr bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen". Hier ein Bild aus der Redaktion im November 2015.
Foto: OZAN KOSE/ AFP