Dalai Lama zu Besuch bei Obama 45 Minuten für die Menschenrechte

Provozierendes Treffen: Dalai Lama bei Obama
Washington/Peking - Barack Obama hat erneut bewiesen, dass er die hohe Kunst der Diplomatie versteht: Zwar hat der US-Präsident am Donnerstag das Oberhaupt der Tibeter trotz Kritik aus China im Weißen Haus getroffen. Allerdings waren keine Kameras und Mikrofone zugelassen und es gab auch keinen gemeinsamen Auftritt vor der Presse.
Dies gilt in Washington als Geste Obamas, die chinesische Führung nicht zusätzlich zu verärgern und die ohnehin angespannten Beziehungen zu China nicht weiter zu verschlechtern. "Für China zählen diese symbolischen Details", sagte der China-Experte Robert Barnett, Professor an der Columbia Universität in New York. "Für Tibet und die Tibeter ist nur wichtig, dass sich die Beiden treffen."
Obama sagte dem Dalai Lama "seine nachhaltige Unterstützung beim Erhalt von Tibets einzigartiger religiöser, kultureller und sprachlicher Identität" zu, hieß es am Donnerstag in einer achtzeiligen schriftlichen Erklärung des Weißen Hauses.
Der Präsident unterstütze den Weg des Dialogs und den Ansatz der Gewaltlosigkeit, den der Dalai Lama im Verhältnis mit China eingeschlagen habe.
Obamas Unterstützung gelte auch "dem Schutz der Menschenrechte für Tibeter in der Volksrepublik China", hieß es in der Erklärung weiter. Der Dalai Lama sagte, er sei "sehr glücklich" über die rund 45-minütige Begegnung. "Ich fühle mich sehr geehrt, den Präsidenten des größten demokratischen Landes getroffen zu haben", sagte der Tibeter nach dem Gespräch.
Mitarbeiter des Dalai Lama erklärten, das geistige Oberhaupt der Tibeter wollte Obama über die Lage in seiner Heimat und den Stand der Gespräche mit China informieren. Der Dalai Lama lebt seit seiner Flucht aus Tibet 1959 im Norden Indiens im Exil. Er setzt sich für eine größere Autonomie Tibets ein.
China verlangte vergeblich eine Absage des Treffens
Mit dem vertraulichen Treffen, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, hatte sich der US-Präsident über Warnungen aus Peking vor einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses hinweggesetzt. Das Treffen fand daher auch nicht im Oval Office statt, sondern im angrenzenden "Kartenzimmer". Allerdings hatten auch frühere Präsidenten den Tibeter nicht im Oval Office empfangen, wo die Gespräche mit Staats- und Regierungschefs stattfinden.
Das chinesische Außenministerium hatte vor dem Treffen verlauten lassen, dass es Empfänge für den Dalai Lama im Ausland "vehement ablehnt" und mit Sanktionen gegen amerikanische Firmen gedroht. Man werde "notwendige Maßnahmen" ergreifen, ließ Peking verlauten.
Die chinesische Regierung wirft dem im Exil lebenden geistlichen Oberhaupt der Tibeter vor, die Abspaltung Tibets von China zu betreiben. Es betrachtet Treffen von ausländischen Politikern mit dem Lama als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten.
Anscheinend aus Protest gegen das Treffen zeigte China dem US- Flugzeugträger "USS Nimitz" und rund 5000 US-Matrosen in Hongkong die kalte Schulter. Entgegen sonstigen Gepflogenheiten wollten chinesische Militärs dem Schiff keinen Besuch abstatten, berichtete die "South China Morning Post" am Donnerstag. Der Flugzeugträger und vier Begleitschiffe waren kurz zuvor zu einem viertägigen Besuch eingetroffen.
Keine zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA
China-Experten in Washington sehen allerdings ungeachtet der zunehmenden Spannungen zwischen Peking und den USA keine dramatische Zuspitzung voraus. "Beiden Seiten wollen jeden ernsthaften Bruch vermeiden", meinte Robert Barnett von der Columbia Universität in New York. Allerdings gebe sich Peking "immer selbstbewusster auf der internationalen Bühne" und dulde keine Einmischung in der Tibet- Frage.
Obama hatte sich noch im vergangenen November geweigert, mit dem Dalai Lama während dessen USA-Aufenthalt zusammenzukommen. Damals ging es ihm darum, kurz vor seiner Asien- und Chinareise die Führung in Peking nicht zu verärgern. Seit Obamas Amtsbeginn vor einem Jahr hatte Washington die Kritik an der Menschenrechtspolitik Chinas deutlich gedämpft. Gemeinsame Interessen wie das Vorgehen gegen die Weltwirtschaftskrise und gegen den Klimawandel hätten Vorrang, hieß es in Washington zur Begründung.
Trotz dieses neuen "weichen Kurses" sind die Beziehungen zwischen den USA und China allerdings in jüngster Zeit erheblich abgekühlt. Grund ist unter anderem eine US-Waffenlieferung von über sechs Milliarden Dollar an Taiwan, die Peking scharf kritisiert. Außerdem wirft Washington China vor, seine Währung künstlich niedrig zuhalten, um so seine Exporte immer weiter zu steigern. Für Spannungen sorgt zudem das Thema Internet-Freiheit in China.