Proteste Merkel erschrocken über türkische Polizeigewalt

Mit deutlichen Worten hat Kanzlerin Merkel den harten Kurs der türkischen Sicherheitskräfte kritisiert. Die Gewalt gegen Demonstranten nannte sie "erschreckend", den Kurs der Regierung "viel zu hart". Das Auswärtige Amt ruft Türkei-Reisende zu besonderer Vorsicht auf.
Polizeiaktion in Istanbul: Viele Festnahmen am Sonntag

Polizeiaktion in Istanbul: Viele Festnahmen am Sonntag

Foto: RONNY ROMAN ROZENBERG/ AFP

Istanbul - Seit Wochen gibt es in der Türkei wütende Proteste gegen Recep Tayyip Erdogan - doch der Ministerpräsident bleibt bei seiner harten Linie gegen die Regierungsgegner. Auch auf höchster politischer Ebene wächst die Kritik am Kurs der Regierung. Nun hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das gewaltsame Vorgehen der türkischen Polizei in Istanbul verurteilt.

Aus ihrer Sicht seien die Sicherheitskräfte dort "viel zu hart vorgegangen", sagte Merkel vor ihrer Abreise zum G-8-Gipfel am Montag im Fernsehsender RTL. "Das, was im Augenblick in der Türkei passiert, entspricht nicht unseren Vorstellungen von Freiheit der Demonstration, der Meinungsäußerung." Zu den Fernsehbildern von der Räumung des Gezi-Parks in Istanbul sagte sie: "Ich bin erschrocken, wie viele andere Menschen auch."

Das Auswärtige Amt in Berlin ruft nach den Zusammenstößen zu besonderer Vorsicht auf. "Reisende werden weiter gebeten, sich von Demonstrationen und Menschenansammlungen fernzuhalten", heißt in dem am Montag aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweis. "Es wird zu besonders umsichtigem Verhalten aufgerufen."

Allein am Sonntag nahm die Polizei bei den Auseinandersetzungen mit Demonstranten in Istanbul mehr als 400 Menschen fest. Das teilte die Rechtsanwaltskammer in der türkischen Metropole am Montag mit. In der Hauptstadt Ankara wurden nach Angaben der dortigen Anwaltskammer weitere 56 Menschen festgenommen.

Polizei stoppt Protestzug der Gewerkschaften

Mit Wasserwerfern und Tränengas war die Polizei gegen Tausende Menschen vorgegangen, die versucht hatten, auf den zentralen Taksim-Platz zu gelangen. Auch in der Nacht zu Montag kam es in Istanbul zu vereinzelten Zusammenstößen zwischen der Polizei und Kritikern der Regierung Erdogan.

Aus Protest gegen das massive Vorgehen der Polizei riefen zwei Gewerkschaftsdachverbände für Montag zu einem eintägigen landesweiten Streik auf. Für den frühen Nachmittag waren Kundgebungen in Istanbul und Ankara geplant.

In der Hauptstadt Ankara stoppte die Polizei am Mittag einen Protestzug von Gewerkschaftern. Sie brachte Wasserwerfer gegen rund 1000 Demonstranten in Stellung. Die Menge solle die von ihr blockierte Hauptverkehrsstraße im Zentrum wieder räumen, verlangte die Polizei. Ansonsten würden die Wasserwerfer eingesetzt. "Provoziert nicht. Die Polizei wird Gewalt anwenden", riefen Polizisten per Lautsprecher den Demonstranten zu. Diese wollten in den zentralen Stadtteil Kizilay ziehen.

Am Montag wollte Erdogan eine Rede vor der Vereinigung der Auslandstürken halten. Er hatte sich am Sonntag wenige Stunden nach der gewaltsamen Räumung des Gezi-Parks in Istanbul unnachgiebig gezeigt. Vor Hunderttausenden Anhängern bezeichnete er die Demonstranten, die eine Bebauung des Gezi-Parks in der Nähe des Taksim-Platzes verhindern wollen, als "Terroristen".

jok/fab/dpa/Reuters
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