Debatte um Militärschlag Libyens Opposition plant Hilferuf an den Westen

Flüchtlinge am Grenzübergang Ras al-Dschadir: Militärische Hilfe von außen?
Foto: Spencer Platt/ Getty ImagesWashington/Tripolis - Der internationale Druck auf Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi nimmt stetig zu. Wegen des brutalen Vorgehens gegen Regierungsgegner wurde Libyen am Dienstagabend offiziell aus dem Uno-Menschenrechtsrat in Genf ausgeschlossen. Nie zuvor ist die Weltorganisation in dieser Form gegen ein aktives Mitglied vorgegangen.
Die Regierung von US-Präsident Barack Obama erwägt, ob sie die diplomatischen Beziehungen zu Libyen offiziell abbrechen soll, sagte ein ranghoher Regierungsmitarbeiter dem US-Nachrichtensender CNN in der Nacht zum Mittwoch. Die EU und die Uno haben bereits weitreichende Sanktionen verhängt, vor allem gegen den Gaddafi-Clan. Doch der gibt sich davon bisher unbeeindruckt.
Eine militärische Intervention scheint für die libysche Opposition inzwischen nicht mehr ausgeschlossen - im Gegenteil: Nach Angaben von "New York Times" und "Washington Post" wird in Kreisen der Regimegegner sogar darüber diskutiert, den Westen zu bitten, mit Luftangriffen unter Uno-Mandat zum Sturz von Gaddafi beizutragen. Wie beide Zeitungen online unter Berufung auf mehrere Mitglieder des Revolutionsrates berichten, sollten Angriffe auf Luftwaffenbasen und Kommunikationszentren geflogen sowie die Küste überwacht werden.
Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates einer möglichen Anfrage stattgeben würden. Eine solche gibt es bisher auch nicht, aber nach Angaben eines Rebellensprechers in Bengasi könnte bereits an diesem Mittwoch eine formale Bitte um Hilfe eingereicht werden.
Debatte innerhalb der Nato läuft noch
US-Verteidigungsminister Robert Gates hält eine Militärintervention in Libyen derzeit für unwahrscheinlich. Er sagte am Dienstag, es gebe keine Übereinkunft mit der Nato über einen Einsatz von Militär. Die USA wollten nicht in einen Krieg im Nahen Osten ziehen. Und in der Tat gibt es innerhalb des Verteidigungsbündnisses widerstreitende Ansichten darüber, ob ein militärisches Eingreifen sinnvoll ist. Frankreichs neuer Außenminister Alain Juppé sagte im französischen Fernsehen, dass ein Militäreinsatz der Nato "extrem kontraproduktiv" sein könnte. Zuvor hatte er bereits betont, dass eine Flugverbotszone nur mit einem Mandat des Uno-Sicherheitsrats möglich wäre. Großbritannien vertrat hingegen die Auffassung, dass ein Uno-Mandat nicht zwingend für eine Flugverbotszone sei.
Pentagonchef Gates bekräftigte, dass die USA eine Reihe von Militäroptionen prüften. Es sei aber noch keine Entscheidung gefallen, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Generalstabschef Mike Mullen in Washington. Beide betonten, dass alle diese Optionen über humanitäre Maßnahmen und Evakuierungen hinaus "sehr komplex" seien. Selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone wäre mit großem Aufwand verbunden, der zwangsläufig zu militärischen Operationen führen könne.
Die USA verlegen nach Angaben von Gates zwei Kriegsschiffe ins Mittelmeer, für humanitäre Hilfe und etwaige Evakuierungen. Kurs auf Libyen nahm unter anderem das Kampfschiff "USS Kearsage". Auf dem Kriegsschiff ist eine Helikopter-Staffel stationiert, außerdem verfügt es über medizinische Einrichtungen, so dass es für militärische oder humanitäre Zwecke eingesetzt werden kann. Kanada entsendet eine Fregatte ins Mittelmeer, um dort mögliche internationale Aktionen im Zusammenhang mit der Libyen-Krise zu unterstützen.
"Es ist höchste Zeit, dass wir den Menschen helfen können"
US-Außenministerin Hillary Clinton warnte vor einem langjährigen Bürgerkrieg in Libyen. "In den kommenden Jahren kann Libyen zu einer friedlichen Demokratie werden oder es könnte in einen langwierigen Bürgerkrieg stürzen", sagte die Ministerin am Dienstag vor einem Kongressausschuss. "Während die gesamte Region im Umbruch begriffen ist, wird eine starke und strategische Antwort der Vereinigten Staaten entscheidend sein." Clinton wiederholte ihre Drohung an Gaddafi, dass die USA "keine Option vom Tisch nehmen, solange die libysche Regierung weiter ihre Waffen gegen das eigene Volk richtet".
Der Strom von Flüchtlingen stellt Libyen und seine Nachbarn vor immer größere Probleme. Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sprach am Dienstag von mehr als 140.000 Menschen, die Libyen Richtung Ägypten und Tunesien verlassen haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beobachtet die Lage mit Sorge. "Es ist höchste Zeit, dass wir den Menschen bei ihren dringendsten Bedürfnissen helfen können und die Hilfsorganisationen in den Rest des Landes hineinkommen", sagte IKRK-Sprecherin Anna Nelson. Vor allem die Entwicklung in dem noch vom Gaddafi-Regime beherrschten Westen Libyens mit der Hauptstadt Tripolis sei alarmierend.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten kommen am 11. März zu einem Libyen-Sondergipfel zusammen.