Defizitsünder EU-Kommission will Ungarn Hilfszahlungen streichen

Brüssel macht ernst: Wegen seines hohen Haushaltsdefizits droht Ungarn als erstem EU-Land der Verlust von Fördergeldern. Die Kommission in Brüssel beschloss die Streichung von knapp einer halben Milliarde Euro - die Regierung von Victor Orbán hat noch eine letzte Chance, die Sanktion abzuwenden.
Ungarn Regierungschef Orbán: Entscheidung aus Brüssel sei "ungerecht und unbegründet"

Ungarn Regierungschef Orbán: Entscheidung aus Brüssel sei "ungerecht und unbegründet"

Foto: Patrick Seeger/ dpa

Brüssel - Die EU-Kommission will Ungarn wegen seines hohen Haushaltsdefizits mit dem Stopp von Zahlungen in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro bestrafen. EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte am Mittwoch in Brüssel, die Kommission habe die Aussetzung der finanziellen Verpflichtungen gegenüber Budapest aus dem sogenannten Kohäsionsfonds beschlossen.

Die national-konservative Regierung von Viktor Orbán konnte das Defizit 2011 nicht unter den Wert von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes senken. Ohne einmalige Umbuchungen im Rentensystem und ohne Sondersteuern ergäbe sich für 2011 ein Defizit von 6,0 Prozent, errechnete die Kommission.

Deswegen will Brüssel ab Januar nächsten Jahres Zahlungen über 495 Millionen Euro einbehalten, die das osteuropäische Land 2013 erhalten sollte - ein bislang einzigartiger Vorgang in der EU. Es handele sich um 29 Prozent der für das Jahr 2013 vorgesehenen Verpflichtungsermächtigungen im Kohäsionsfonds, mit dem vor allem große Verkehrs- und Umweltprojekte finanziert werden. Bereits genehmigte Projekte seien nicht betroffen.

Doch die Kommission will die Ankündigung nicht als Strafe verstanden wissen: Der drohende Zahlungsstopp solle ein "starker Anreiz" für die Regierung in Budapest sein, die Forderungen der EU doch noch zu erfüllen, sagte Rehn.

Die Regierung von Orbán nannte die Entscheidung "ungerecht und unbegründet". Sie sei "juristisch anfechtbar und verstößt gegen den Geist der (Europäischen) Verträge", hieß es in einer Stellungnahme der Regierungssprecher Andras Giro-Szaz und Peter Szijjarto. Die Entscheidung entbehre der Grundlage, weil Brüssel "wegen eines in der Zukunft angenommenen Ereignisses Sanktionen verhängen will".

Rehn sagte, die teilweise Aussetzung der Fördergelder und der Streit zwischen der EU-Kommission und Orbáns Regierung um die Wahrung der Grundrechte in Ungarn hätten nichts miteinander zu tun: "Dies sind zwei Dinge und wir sollten sie getrennt behandeln."

Die rechtskonservative Regierung Ungarns steht international seit Monaten auch in der Kritik, weil sie die demokratische Mitbestimmung im Land durch Gesetze und Änderungen der Verfassung beschneidet. Mitte Januar leitete die EU-Kommission deshalb ebenfalls drei Verfahren gegen Budapest ein. Dabei ging es um Gesetze, welche die Unabhängigkeit der Notenbank, der Justiz und der Datenschutzbehörde betreffen.

Ungarn, das kein Mitglied der Eurozone ist, droht außerdem akut der Staatsbankrott: Orbáns Regierung braucht 15 bis 20 Milliarden Euro. Die EU-Kommission verlangt vor einer Entscheidung Gesetzesänderungen von Orbán.

lgr/dpa/AFP
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