Dejagahs Länderspielabsage Doppelpass ins Abseits

Ashkan Dejagah will nicht für die deutsche U21-Nationalmannschaft in Israel auflaufen - wohl weil er befürchtet, nicht mehr in sein Geburtsland Iran reisen zu dürfen. Der Fußballer hat sich in den Fallstricken der nahöstlichen Passstempel-Scharade verfangen.

Beirut - Manches im Nahen Osten ist sehr einfach geregelt. Wer immer einen israelischen Stempel im Pass hat, ist in fast allen arabische Ländern sowie in Iran nicht willkommen. Ausnahmen sind allein Ägypten, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate - ansonsten bedeutet der sechseckige Einreisestempel in den jüdischen Staat nur eines: Die Reise in die arabische Welt beziehungsweise nach Iran endet spätestens an der Passkontrolle eines nahöstlichen Flughafen.

Der Grund für die rigorose Regelung: Israel ist in den Augen der meisten muslimischen geprägten Länder kein Staat, es ist eine feindlich gesinnte Besatzungsmacht, der man keinen Besuch abzustatten hat. Selbst der Landesname wird nur zögerlich in den Mund genommen, Politiker und Medien greifen gern auf die Synonyme "zionistische Einheit" oder "besetztes Palästina" zurück.

Nun wäre der Orient nicht der Orient, wenn man nicht jede noch so strenge Regel umgehen könnte. Auf Nachfrage stempeln israelische Grenzbeamte Besuchervisa auch auf ein loses Blatt Papier, so dass der Besuch in Israel später nicht mehr nachzuvollziehen ist. Dieses Tricks bedienen sich auch iranische Juden, denen man immer mal wieder in Israel begegnet, wo sie Urlaub machen oder Verwandtschaft besuchen.

Auch können aus Iran nach Israel emigrierte Juden seit einigen Jahren ihrer alten Heimat einen Besuch abstatten. Das iranische Generalkonsulat in Istanbul stellt in solchen Fällen für die ehemaligen Staatsangehörigen stillschweigend neue Papiere aus - wieviele persische Juden das Angebot wahrnehmen, ist nicht dokumentiert.

Hauptsache den Schein wahren

Deutschland stellt wie viele andere europäische Länder seinen Staatsangehörigen, die sich im Nahen Osten frei bewegen müssen, einen Zweitpass aus. Ein Pass für Israel, einer für die Nachbarländer: So lange Reisende an der Grenze das jeweils richtige Dokument vorlegen und beim Ausfüllen von Visa-Formularen ihre vorhergehenden Besuche in Israel schlicht leugnen, prüfen weder arabische noch iranische Behörden allzu streng, ob der Reisende nicht doch mal im Heiligen Land war -Hauptsache, der Schein ist gewahrt.

Auch der deutsch-iranische U21-Nationalspieler Ashkan Dejagah könnte mit einem zweiten deutschen Pass nach Israel reisen. Sein Problem ist, dass sein Besuch alles andere als diskret wäre. Das für Freitag in Tel Aviv angesetzte Länderspiel wird - gerade weil es Deutschland gegen Israel ist - ein Medienereignis sein. Dejagahs Teilnahme dürfte sich schlecht verheimlichen lassen.

Es ist unklar, wie Iran, der seinen Staatsbürgern nicht nur die Einreise sondern auch den sportlichen Wettkampf gegen Israelis verbietet, eine Teilnahme Dejagahs an dem Länderspiel sanktionieren würde. Sollte er mit seiner Mannschaft nach Nahost reisen, könnte sein Geburtsland dem 21-Jährigen in Zukunft die Einreise verweigern.

Dass Dejagah Gründe "sehr persönlicher Natur" in seinem "engsten familiären Umfeld" als Ursache seiner Absage angab, lässt jedoch darauf schließen, dass er Repressalien für in Iran lebende Familienangehörige fürchtet, sollte er an der Israel-Reise teilnehmen. Laut bildblog.de spielt Dejagahs Bruder beim Club Paykan Teheran und müsste möglicherweise mit Sanktionen rechnen, sollte Dejagah gegen Israel antreten.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten