Den Haag "Herr Milosevic, das ist nicht die Zeit für Reden"

"Schuldig" oder "nicht schuldig". Mehr durfte Slobodan Milosevic vor dem Uno-Kriegsverbrechertribunal nicht sagen. Mit seinem Wunsch, eine politische Rede zu halten, kam der jugoslawische Ex-Diktator bei Richter Richard May nicht durch.

Den Haag - Nachdem Milosevic sich nicht darauf einließ, sich entweder schuldig oder nicht schuldig zu bekennen, sondern zu einem politischen Plädoyer ansetzte, schnitt ihm der Richter das Wort ab. "Herr Milosevic, das ist nicht die Zeit für Reden." Das Gericht unterstellte daraufhin schlicht, dass der Ex-Diktator auf nicht schuldig plädiert und beendete den heutigen Prozesstermin. Milosevic gab an, er halte das Uno-Tribunal nicht für rechtens.

Milosevic hatte auf einen Anwalt verzichtet. Vertreter des Tribunals hätten ihm davon abgeraten, sagte Tribunal-Sprecher Jim Lansdale. Er bestätigte zugleich, dass Milosevic das Recht dazu habe. In Belgrad demonstrierten erneut mehrere tausend serbische Nationalisten gegen die Auslieferung von Milosevic an das Tribunal.

Unterdessen führte der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica drei Tage nach dem Rücktritt des jugoslawischen Ministerpräsidenten Zoran Zizic am Montag erste Gespräche über die Bildung einer neuen Bundesregierung. Er traf dazu mit den Ministern der in Serbien regierenden Koalition DOS zusammen. Mit den Konsultationen, die heute mit Vertretern der montenegrinischen Sozialistischen Volkspartei Zizics fortgesetzt werden sollen, will Kostunica den drohenden Zerfall der aus Serbien und Montenegro bestehenden Bundesrepublik verhindern.

Das Büro von Kostunica erklärte nach den Konsultationen, die künftige jugoslawische Regierung müsse die bestehende Verfassung reformieren und dabei die Beziehungen zwischen den beiden Teilrepubliken Serbien und Montenegro umgestalten. Zudem müsse sie den begonnenen internen Reformprozess und die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland fortsetzen. Jugoslawiens Außenminister Goran Svilanovic sagte, die neue Regierung könne binnen zwei Wochen gebildet werden. In Montenegro wählte das Parlament eine neue Koalitionsregierung. Die Minderheitsregierung ist aus Parteien zusammengesetzt, die eine Unabhängigkeit Montenegros von Jugoslawien anstreben.

Bei der Vorführung am Dienstagmorgen in Den Haag kann Milosevic auf die ihm vorgeworfenen Anklagepunkte der Verbrechen im Kosovokrieg kurz Stellung nehmen. Er kann allerdings auch darauf verzichten. Nach der Geschäftsordnung des Uno-Gerichtshofs muss er allerdings innerhalb von 30 Tagen nach seiner Einlieferung deutlich gemacht haben, ob er sich für schuldig oder nicht schuldig ansieht.

Der Freitag früh aus Belgrad nach Den Haag ausgelieferte Angeklagte hat das Tribunal bisher nicht als Instanz anerkannt, die über ihn urteilen könne. Er kündigte an, dass er eine politische Verteidigung gegen die vom Tribunal erhobenen Anklagen führen wolle.

Die Schweiz und Jugoslawien suchen weiter nach Vermögenswerten von Milosevic. Die jugoslawischen Strafverfolgungsbehörden werfen Milosevic und seinen Anhängern vor, zwischen 1995 und 2000 illegal staatliche Vermögenswerte in der Höhe von bis zu vier Milliarden Dollar ins Ausland transferiert zu haben. Neben Informationen über mögliche Konten der Beschuldigten in der Schweiz ersuchten die jugoslawischen Behörden auch um Einsicht in Bankunterlagen.

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