
Terrorismus: Die Verwandlung des Denis Cuspert
Deutscher Dschihadist Denis Cuspert Fünf Stationen auf dem Weg zum IS-Terroristen
Es gibt ein Video, einige Monate alt, das zeigt Denis Mamadou Gerhard Cuspert in der Wüste. Die Sonne scheint. Gefesselte Männer liegen auf dem Boden, einem schneidet man die Kehle durch. Nun tritt Cuspert auf, Deutscher aus Berlin, Ex-Kleinkrimineller, Ex-Gangsta-Rapper, Dschihadist und Lautsprecher des Terrors. Er beschreibt den Irrsinn mit Worten ohne Sinn: "Sie haben den 'Islamischen Staat' bekämpft. Wir haben die Todesstrafe über sie verhängt. Sie haben bekommen, was sie verdient haben." Cuspert nimmt den abgetrennten Kopf in die Hände und legt ihn auf die Leiche.
Grausame Bilder wie diese haben Cuspert, 39, zu einem Popstar des Islamismus gemacht, zum Andreas Baader der Generation WhatsApp. Er nennt sich Abu Talha al-Almani. "Wir halten ihn für den derzeit wichtigsten deutschen Propagandisten der Salafistenszene", sagt ein Verfassungsschützer. Daher führen nun auch die USA Cuspert auf ihrer Terrorliste. Zuvor hatte die Bundesregierung verlangt, dass die Vereinten Nationen den Berliner als Terroristen einstufen. In Deutschland droht Cuspert mittlerweile eine Anklage wegen Kriegsverbrechen, auch wenn niemand ernsthaft mit seiner Rückkehr rechnet.
Cusperts Karriere als Terrorist, wenn man es so nennen will, wird wohl im krisengeplagten Nahen Osten enden. Zumindest gehen davon die deutschen Sicherheitsbehörden aus. Der Nachruhm in extremistischen Kreisen wird ihm gewiss sein. Seine erste Laufbahn als Gangsta-Rapper verschaffte Cuspert hingegen nur wenig Beachtung in der Musik-Szene und versandete schließlich in der Bedeutungslosigkeit.
Vielleicht ist das auch schon eine Antwort darauf, wie jemand, der sich viele Jahre lang für Drogen, Frauen und derbe Paarreime begeisterte, Zugang zur Führungsebene des "Islamischen Staats" erhalten konnte. Ein haltloser, gewaltbereiter Narziss, dem Beachtung alles zu sein scheint, das Leben eine einzige Bühne. Die Stationen seiner Wandlung legen eine solche Deutung jedenfalls nahe.
Kindheit: Cuspert wird im Oktober 1975 in Berlin geboren. Seine Mutter ist Deutsche, der Vater Ghanaer. Er wächst vor allem im Stadtteil Kreuzberg auf. Wie das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz in einer öffentlich verfügbaren Analyse herausgearbeitet hat , gibt Cuspert später an, sein Vater sei bereits kurz nach seiner Geburt aus Deutschland abgeschoben worden. Das Verhältnis zu seinem US-amerikanischen Stiefvater bezeichnet er als schwierig. Cuspert findet zunächst Anschluss und Bestätigung im Gangsta-Rap-Milieu.
Musikkarriere: 2002 veröffentlicht Cuspert unter seinem Künstlernamen Deso Dogg eine Reihe Rap-Songs samt einschlägiger Videos - etwa den Titel "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?". In dem Lied "Willkommen in meiner Welt" bekundet er die Absicht, "nur noch Gutes" tun zu wollen. Doch schon damals hat er einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Wegen diverser Delikte muss er in Haft. Seine Kriminalakte umfasst Diebstähle, Einbrüche, Raub, Erpressung, Körperverletzung und versuchten Totschlag. Die Ermittler stufen ihn zudem als "Konsumenten von Betäubungsmitteln" ein, wie es in einem internen Dokument des Landeskriminalamts heißt. Deso Doggs Rap-Karriere wird in der Szene zwar beachtet, unter anderem geht er 2006 mit dem bekannten US-Rapper DMX auf Tour, kommerziell bleibt seine Musik jedoch ein Flop.
Hinwendung zum Salafismus: Ab 2007 präsentiert sich Cuspert als gläubiger Muslim. Spätestens 2010 beendet er seine Musikkarriere als Rapper und steigt in die Salafisten-Szene ein. Eine Aufnahme aus dieser Zeit zeigt ihn im Gespräch mit dem Prediger Pierre Vogel, einem ehemaligen Amateurboxer, in der Neuköllner Al-Nur-Moschee. "Damals ist er noch recht unerfahren in der salafistischen Verhaltenspraxis", analysieren die Verfassungsschützer. Wenig später tritt Cuspert bundesweit als Vortragsgast auf. Musik macht er zwar immer noch, aber anders als vorher. Statt über Frauen und schnelle Autos zu rappen, besingt er in kruden Kampfliedern unter anderem den "Löwen Murat K.", der bei einer Kundgebung in Bonn mehrere Polizisten verletzt hatte.
Ausreise aus Deutschland: 2012 verlässt Cuspert Deutschland in Richtung Ägypten. In seinen Propagandavideos gibt er sich mittlerweile deutlich militanter als zuvor. 2013 geht die Reise weiter in den syrischen Bürgerkrieg. Seine Videos sind mittlerweile durchzogen von Hass und Menschenverachtung. Er ruft zu Selbstmordattentaten gegen Zivilisten auf. In Syrien wird Cuspert im September 2013 offenbar bei einem Luftangriff der syrischen Armee schwer am Kopf verletzt und fällt nach eigenen Angaben für mehrere Tage ins Koma. In Sicherheitskreisen kursiert die Geschichte, Cuspert habe mit einem Sturmgewehr vom Dach eines Hauses aus auf einen Kampfjet geschossen, der aber habe das Feuer erwidert. Die Verwundung und sein Überleben verschaffen dem Islamisten in der Szene jedenfalls enormes Ansehen und letztlich auch mehr Einfluss.
Mitgliedschaft im IS: 2014 taucht ein Video auf, in dem Cuspert dem Anführer des IS Treue schwört - und deutsche Muslime auffordert, sich ebenfalls der Terrorgruppe anzuschließen. Mittlerweile soll er Kontakt zu führenden Mitgliedern des IS haben. Die Videos, in denen er zu sehen ist, werden immer grausamer. Es gibt Aufnahmen, auf denen Cuspert eine Leiche nahe einem ehemals vom syrischen Staat kontrollierten Gasfeld schändet. Bei dem Angriff sollen Hunderte Menschen, darunter viele Zivilisten, getötet worden sein. "Wie ihr sehen könnt, haben wir diese Tiere geschlachtet", prahlt ein Dschihadist an Cusperts Seitein dem Propagandavideo. "Wir haben gekämpft. Und Allah hat uns den Sieg gewährt!"