Deutsch-russische Pipeline Litauens Präsident warnt vor Senfgas-Unglück
Berlin - Schon bevor Adamkus heute Morgen in Berlin landete, waren die Klingen gekreuzt. "Völlige Unkenntnis" nachbarschaftlicher Beziehungen im Streit um die Ostsee-Pipeline hatte der litauische Präsident in einem Interview dem deutschen Bundeskanzler bescheinigt. Gerhard Schröder hatte indigniert erwidert, die Kritik sei "in keiner Weise gerechtfertigt".
Eine Annäherung fand heute nicht statt. "Wir haben den Status quo bekräftigt", sagte Adamkus nach dem Gespräch im Kanzleramt vor einer Journalistenrunde, die von der Deutschen Welle organisiert wurde. Das Gespräch sei "freundlich und offen" gewesen, sagte Adamkus, habe aber in der Pipeline-Frage nichts bewegt.
Die baltischen Staaten und Polen sind verstimmt darüber, dass die deutschen Unternehmen Ruhrgas und Wintershall und die russische Gasprom eine Erdgas-Pipeline durch die Ostsee statt durch ihre Länder legen wollen. Die Landroute soll kostengünstiger und umweltfreundlicher sein - und würde den Transitstaaten zudem Einnahmen bescheren.
"Wir fühlen, dass wir aus der Diskussion ausgeschlossen waren", beklagte Adamkus in der Runde. Schröder habe anerkannt, dass die Balten außen vor gelassen wurden. Mit drastischen Worten warnte Adamkus vor möglichen Folgen der Unterwasser-Pipeline. In der Baltischen See lagerten große Mengen Explosivstoffe und Chemikalien, darunter Senfgas. "Wenn das zufällig berührt wird, würde es die gesamte Baltische See aus dem Gleichgewicht bringen", sagte Adamkus. "Niemand kann garantieren, dass es beim Bau nicht zu einem Unfall kommt. Das würden wir alle bezahlen". Sein Rat laute daher, das Projekt zu beenden und die Landroute zu wählen.
Dies jedoch erscheint aussichtslos. Schröder bekräftigte in dem Gespräch "das souveräne Recht Deutschlands, seine Energieversorgung langfristig und störungsfrei sicherzustellen", teilte die Bundesregierung mit. Es gehe um "das Recht eines privatwirtschaftlichen Konsortiums, langfristige geschäftliche Beziehungen erfolgreich zu gestalten".
Der litauische Präsident bat Schröder auch um eine Intervention bei dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zu dem der Kanzler ja ein "extrem freundliches Verhältnis" habe. Schröder solle sich dafür einsetzen, dass Russland die Grenzen von Lettland und Estland anerkenne. Dies sei nicht mehr nur ein Problem dieser beiden Länder, sondern ein "EU-Problem". Schröder habe zugesagt, seine außenpolitischen Berater zu befragen und nach einem Treffen der drei baltischen Staatschefs am 3. November mit Adamkus zu telefonieren.
Begeistert zeigte sich Adamkus von einem "sehr, sehr interessanten" Treffen mit Bundespräsident Horst Köhler. Der habe Verständnis dafür geäußert, dass die kleinen Staaten gehört werden wollten. Später forderte Köhler in einer Rede beim Abendessen mit Adamkus, die "Irritationen" zwischen Litauen und Deutschland müssten ausgeräumt werden. "Wir müssen die Probleme anderer ernst nehmen und zusehen, dass wir einander verstehen und alte Ängste keinen Platz haben", sagte Köhler mit einem wenig verdeckten Seitenhieb auf den Kanzler.
Der litauische Präsident machte auch einen Antrittsbesuch bei Angela Merkel. Wünsche an die noch nicht gewählte Regierung wollte er nicht äußern, aber er sagte über die designierte Kanzlerin: "Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie das System funktioniert. Das gibt mir Hoffnung."
Carsten Volkery