Deutscher Botschafter in Pakistan Der Twitter-Diplomat

Diplomat Kobler (2016 in Libyen)
Foto: TAHA JAWASHI/ AFPVon null auf mehr als 44.000 Follower innerhalb von zehn Monaten - das ist Martin Kobler mit seinem Twitteraccount @KoblerinPAK gelungen. Klar, Popstars schaffen das. Aber Kobler ist kein Popstar, sondern seit vergangenem Jahr deutscher Botschafter in Pakistan. Vor allem Pakistaner folgen ihm - und feiern ihn für seine Tweets.
Oft sind Fotos zu sehen, die ihn bei Touren durch das Land und in seinem Lebensalltag zeigen. Ein westlicher Diplomat, der reist und den Menschen begegnet, anstatt sich in Islamabad hinter hohen Mauern zu verbarrikadieren, das kommt gut an in einem Land, in dem viele das Gefühl haben, Ausländer sähen in ihnen nur noch Taliban und Terroristen.
Kobler, 1953 in Stuttgart geboren, gilt als einer der erfahrensten Diplomaten Deutschlands. Er war Büroleiter von Außenminister Joschka Fischer, Botschafter in Ägypten und im Irak, diente unter anderem als Vize der Uno-Mission in Afghanistan, Uno-Sondergesandter im Irak und im Kongo und schließlich Leiter der Uno-Mission in Libyen, wo er einiges bewegen konnte, wo er aber auch einem Mordkomplott entkam. Von "heiklen diplomatischen Einsätzen" schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" im vergangenen Jahr, "immer mit dem unmöglichen Auftrag, Frieden zu schaffen".
"Man muss als Individuum erkennbar und ansprechbar sein
Twitter als Instrument der Diplomatie nutze er seit vielen Jahren, "viel länger als Donald Trump", sagt er. Schon im Kongo habe er darüber Nachrichten abgesetzt, ebenso in Libyen. "Dort ging es vor allem darum, politische Botschaften zu verbreiten", sagt er. Mit Ende seiner Einsätze löschte er auch die jeweiligen Twitterkonten.
Für die große Aufmerksamkeit und damit für den Erfolg seiner Twitternachrichten hat Kobler eine Erklärung: "Man muss das personalisieren", sagt er. "Man muss als Individuum erkennbar und ansprechbar sein." Deshalb heiße sein offizieller Account auch @KoblerinPAK . Er fordere die Menschen zum Dialog auf. "Wenn mir jemand schreibt, antworte ich. Und manchmal, wenn mich jemand einlädt, fahre ich tatsächlich hin."
Bei seinen Tweets, die er nahezu täglich absetzt - inzwischen sind es mehr als Tausend, auf Englisch und oft auch, mit Hilfe eines Mitarbeiters, auf Urdu -, handelt es sich in den seltensten Fällen um offizielle Mitteilungen der Botschaft. Höchstens eine lokale Stellenausschreibung ist mal dabei.
Stattdessen Mitteilungen wie diese: Kobler fliegt nach Gilgit-Baltistan und bestaunt aus dem Flugzeug die Landschaft.
fascinating flight to #baltistan with my wife! Look at the K2! very happy to fly with the only @Official_PIA plane with the new design. Don’t you think that the markhor fits perfectly to #GB?? pic.twitter.com/zmUNmpnqPG
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) June 7, 2018
Kobler lernt Cricket spielen, Nationalsport der Pakistaner.
دلکش لاہور! پنجاب کے صوبائی دارالحکومت کے دورے کی ویڈیو دیکھیں. پاکستان میں آپ کا آبائی شہر کونسا ہے؟ pic.twitter.com/rOLFzUMSHK
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) May 21, 2018
Kobler kauft einen alten VW Käfer und lässt seine Follower darüber abstimmen, ob der Wagen mit traditionell pakistanischer Truck Art bemalt werden soll.
truck art for my foxy!! I drove to #rawalpindi to meet the truck art artists and discuss the work on my car. you guys recommended to only add a few #truckart features and I’ll do exactly that! already super excited for the final look of my VW!! Do you think it’ll look nice? pic.twitter.com/z3yXnKRgdW
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) June 6, 2018
Kobler besucht Menschen auf dem Land, sitzt mit ihnen im Schneidersitz auf dem Boden und isst, wie seine Gastgeber, mit den Fingern.
fantastic #iftar!! i invited students and their parents at a school outside of Islamabad to end their daily #ramazan fast with me. it was an amazing evening and we had a great time together! pic.twitter.com/Iol8hLCagx
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) May 23, 2018
Kobler trinkt Lassi und verwendet aus Gründen des Umweltschutzes bewusst keinen Strohhalm.
no more straws!!! thanks for tagging me to do the #BeatPlasticPollution challenge @GERinPAK4youth! great idea! I’ll stop using plastic straws!
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) June 5, 2018
and I tag @JFCautainEU @TomDrewUK & @pontecorvoste. Which disposable plastic item will you stop using??#WorldEnvironmentDay pic.twitter.com/eFkyxsTR6H
Kobler putzt sich die Zähne und benutzt dazu einen Zahnputzbecher, anstatt das Wasser laufen zu lassen. Auch hier ein Hinweis auf Ressourcenknappheit.
so many ways to #SaveWater! lots of people leave the water running while brushing their teeth. using a cup with water instead can save a few Liters every day! #SaveWaterforPak pic.twitter.com/nnuKGIp3Sf
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) June 7, 2018
Kobler holt seine Frau vom Flughafen in Islamabad ab, trägt dabei einen Shalwar Kameez und mischt sich in die wartende Menge.
look how I went to pick up my wife at the airport!! I’m planning to show her beautiful #pakistan! what do you think about my pakistani shalwar kameez? do I blend in with the locals? pic.twitter.com/OM5tfY1fL0
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) June 4, 2018
Und immer: Tausende Likes. Seit dem Bild in der traditionell pakistanischen Kleidung am Flughafen von Islamabad kursiert nun der Hashtag #KoblerKhan, in Anlehnung an den mongolischen Herrscher Kublai Khan, Enkel von Dschingis Khan.
Pakistan kennt ihn unter "this German diplomat on Twitter"
Mit diesen Bildern bewirkt er dreierlei: Erstens, er gewährt seinem pakistanischen Publikum Einblick in sein Leben, was westliche Diplomaten ansonsten kaum tun - zum Beispiel zeigt er ihnen, was Maultaschen sind, nämlich eine Speise aus seiner Heimat Baden-Württemberg.
You know what this is? Typical food of my home region in Germany. "Swabian pockets" I tried it out for the first time in #Pakistan. Kind of ravioli but much better. With vegetarian or meat filling. Very tasty!! pic.twitter.com/KXzg8IYBhg
— Alfred Grannas (@GermanyinPAK) May 27, 2018
Er vermittelt, zweitens, Botschaften wie: Vermeidet Müll, spart Wasser, schützt eure Umwelt, denkt an eure Gesundheit. Und er nimmt, drittens, am Alltagsleben der Pakistaner teil und betont die reiche Kultur, das tolle Essen, die Gastfreundschaft. Es ist ein bisschen wie die "Sendung mit der Maus": "Twitter mit dem Kobler". Im Gespräch mit ihm merkt man: Er weiß, wie viel Eier auf dem Markt kosten und wie wenig ein Bauer in der Provinz Punjab verdient.
Die pakistanischen Medien greifen das in einer Mischung aus Dankbarkeit und Staunen auf. Ihr Tenor: Da ist einer, der sie ernst nimmt, ihnen Respekt entgegenbringt und gleichzeitig Botschaften zu vermitteln hat. Der Sender Dunya TV strahlte einen fast dreiminütigen Fanclip aus, Zeitungen berichten über Kobler, Talkshows laden ihn ein. Selbst Pakistanerinnen und Pakistaner, die sich kaum für Politik interessieren, kennen "this German diplomat on Twitter".
Eine Pressemitteilung, sagt Kobler, habe er seit seinem Dienstantritt in Pakistan noch nicht geschrieben. "Das läuft alles nur noch über Twitter." Harte politische Botschaften findet man bei ihm indes kaum. "Ich mache ja auch noch was anderes als twittern", sagt er und lacht. Mit anderen Worten: Themen wie Terrorbekämpfung, militärische Kooperationen, Rüstung, aber auch Korruptionsbekämpfung und Anti-Drogen-Politik laufen hinter den Kulissen, nicht bei Social Media.
Pakistan ist die letzte Station vor seiner Pensionierung. Ob es ihn danach zurück nach Deutschland zieht? Kobler überlegt. Dann sagt er: "Ich denke, ich ziehe erst einmal nach Äthiopien, nach Addis Abeba. Als MAP, also: mitausreisender Partner." Seine Frau, ebenfalls eine Karrierediplomatin, ist dort Botschafterin.