Deutscher Raketenexport Das Rätsel des Waffenfrachters

"Thor Liberty": Frachtschiff mit brisanter Ladung
Foto: Juha Metso/ dpaHelsinki/Kotka/Hamburg - Die finnischen Polizisten waren reichlich irritiert, als sie auf die brisante Ladung stießen: Als "Feuerwerk" war die Fracht auf dem Schiff "Thor Liberty" übereinstimmenden Berichten zufolge deklariert. Das angebliche Knallwerkzeug entpuppte sich aber als deutlich schärfere Ware: 69 Raketen vom Typ "Patriot" und rund 160 Tonnen Sprengstoff. Die von den USA entwickelten "Patriot"-Raketen werden zur Abwehr von Flugzeug- und Raketenangriffen eingesetzt. Sie erreichen fast vierfache Schallgeschwindigkeit und können Ziele in einer Höhe von bis zu 30 Kilometern und einer Entfernung von mehr als 100 Kilometern treffen.
"Feuerwerk"? Moderne Präzisionswaffen, die Beschreibung trifft wohl besser zu.
Die finnischen Behörden hatten das Schiff wegen des Fundes am Mittwoch beschlagnahmt. Die "Thor Liberty" habe keine Erlaubnis zu dem Transport der militärischen Güter besessen, teilten Polizeisprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur STT/FNB mit. Das Schiff ist auf der britischen Insel Isle of Man registriert.
"Das kommt öfter vor"
An diesem Donnerstag erhielt der merkwürdige Vorgang eine ebenso merkwürdige Wendung: Bei den in Finnland sichergestellten "Patriot"-Flugabwehrraketen handele es sich um eine deutsche Lieferung für Südkorea, teilte das Hauptzollamt Oldenburg mit. Nach Angaben des deutschen Zolls waren die Waffen im Papenburger Hafen verladen worden und hatten im Emder Hafen das deutsche Zollgebiet verlassen. In beiden Häfen seien sie von den Zollbeamten kontrolliert worden. Die Ausfuhr von Kriegswaffen ist per Gesetz streng reglementiert. Es habe eine Sammelausfuhrgenehmigung und eine Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vorgelegen. "Ausführer war das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung", sagte der Sprecher. Die Ausfuhr von Waffen sei für den Emder Zoll nicht außergewöhnlich. "Das kommt öfter vor", sagte er.
Weitere Auskünfte konnte das Hauptzollamt wenig später nicht mehr erteilen. Man möge sich an das Bundesfinanzministerium wenden, es sei oberster Dienstherr in Zollangelegenheiten, sagte ein Sprecher des Zollamts SPIEGEL ONLINE. Doch auch dort ist die Informationslage eher spärlich: Die "Thor Liberty" habe Ladung an Bord gehabt, die "ordnungsgemäß angemeldet und anschließend ausgeführt wurde", sagte eine Sprecherin.
Angaben zum genauen Inhalt der Ladung? Keine.
Ein Kommentar zu Berichten, die Lieferung sei nicht fachmännisch gesichert worden? Fehlanzeige.
Angaben dazu, warum die Lieferung als "Feuerwerk" deklariert worden sei? Keine. Aus dem Außenministerium heißt es, dass die deutsche Botschaft in Helsinki in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden in Finnland steht. Man arbeite mit Hochdruck an der Angelegenheit. Das Wirtschaftsministerium verweist auf das Verteidigungsministerium. Von dort gibt es bisher noch keine Äußerung auf eine SPIEGEL-ONLINE-Anfrage.
Irritationen in Finnland
Sicher in dem Fall ist dies: Das Schiff war auf dem Weg nach Shanghai und gehört der dänischen Reederei Thorco, die sich auf ihrer Internetseite als "junges und dynamisches" Unternehmen beschreibt. Am 7. Dezember hatte die "Thor Liberty" den Nord-Ostsee-Kanal verlassen, zuvor war sie in Papenburg (5. und 6.12.) und Emden (6.12.). Am 15. Dezember stoppte sie im finnischen Kotka. Dort sollte eine Papiermaschine dazugeladen werden.
Ursprünglich war die "Thor Liberty" über Mauritius und Brasilien gekommen, hatte dann Kurs auf Las Palmas genommen. Das geht aus der Schiffsdatenbank von Lloyd's hervor.
Das Schiff hatte mit seiner brisanten Ladung am Mittwochabend auch die finnische Regierung irritiert. Selbstverständlich gebe es legale Waffentransporte, aber in diesem Fall sei die Fracht als "Feuerwerk" gekennzeichnet gewesen, sagte Finnlands Innenministerin Päivi Maria Räsänen. "Das ist ziemlich ungewöhnlich."
Man habe "Verdachtsmomente" gegen den Kapitän und den Steuermann aus der ukrainischen Besatzung, hieß es in Helsinki am Mittwochabend. Die finnische Polizei und die Zollbehörden hatten umgehend Ermittlungen eingeleitet, bei denen es um den möglicherweise illegalen Export von Rüstungsgütern geht.