
Diktatoren-Clan Gaddafi-Sohn nach Libyen ausgeliefert
- • Plünderungen in Tripolis: Raubzug durch Gaddafis Luxusvillen
- • Fluchtplan: Mexiko vereitelt heimliche Einreise von Gaddafi-Sohn
Tripolis - In Libyen hat Diktatoren-Sohn Saadi al-Gaddafi einst in Luxus gelebt. Nun ist er wieder in seiner Heimat - auf Annehmlichkeiten wird er künftig wohl verzichten müssen.
Gaddafi befindet sich in libyschem Gewahrsam. Er ist von Niger ausgeliefert worden und am frühen Donnerstagmorgen in Tripolis angekommen, teilte die libysche Übergangsregierung mit.
Der Diktatoren-Sohn befindet sich offenbar Hadaba-Gefängnis in Tripolis, in dem schon mehrere Ex-Funktionäre aus der Gaddafi-Ära einsitzen. Dort versammelten sich der staatlichen Nachrichtenagentur Lana zufolge Bewohner der Hauptstadt, um die Auslieferung zu feiern.
Die Regierung in Tripolis wirft ihm vor, sich mit öffentlichem Vermögen bereichert zu haben. Der Sprecher des Gefängnisses sagte zudem, Saadi Gaddafi solle wegen "Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung der Revolution des 17. Februar" und "Aktivitäten zur Störung der Sicherheit und Stabilität Libyens" angeklagt werden. Libysche Medien veröffentlichten Fotos, auf denen zu sehen ist, wie jemand dem Gefangenen die Haare und seinen langen Bart abrasiert. Eine öffentliche Demütigung für den Häftling.
Hausarrest in Niger
Libyen dankte in einem Facebook-Statement dem Präsidenten des Nachbarstaates Niger für die Zusammenarbeit. Nach dem Sturz seines Vaters Muammar al-Gaddafi 2011 war Saadi in das afrikanische Land geflüchtet.
Der Ex-Fußballspieler lebte in Niger zuletzt unter Hausarrest. Ende 2011 wurde bekannt, dass Saadi geplant hatte, sich nach Mexiko abzusetzen - doch die dortigen Behörden vereitelten seine Einreise. Er hatte demnach vor, mit seiner Frau und Kindern unter falschem Namen einzureisen.
Karriere als Profi-Fußballer
Gaddafi ist der drittälteste Sohn des getöteten libyschen Machthabers. Er hatte in der libyschen Armee eine Eliteeinheit angeführt. Lange Zeit war er ein mäßig erfolgreicher Fußballspieler gewesen. Im Jahr 2003 heuerte er beim italienischen Erstligisten AC Perugia an und wurde kurze Zeit später positiv auf Doping getestet. Er bestritt nur ein Ligaspiel für Perugia. Später stand er im Kader zweier weiterer italienischer Vereine, Udinese Calcio und Sampdoria Genua.
Sein Bruder Saif al-Islam al-Gaddafi wurde im November 2011 festgenommen. Saif ist der zweitälteste und bekannteste Sohn Gaddafis. Jahrelang wurde er als wahrscheinlicher Nachfolger seines Vaters gehandelt. Er galt lange Zeit als reformorientiert, schlug im Verlauf der Gefechte im Jahr 2011, die mit Unterstützung der Nato zum Sturz seines Vaters führten, aber einen zunehmend unversöhnlichen Ton gegenüber dem Westen an. Nach der Eroberung von Tripolis durch die Aufständischen war er untergetaucht und dann im Süden des Landes festgesetzt worden. Saif wird zurzeit in seiner Heimat der Prozess gemacht, ihm droht die Todesstrafe.
Nach dem Fall von Tripolis setzten sich vier Familienmitglieder nach Algerien ab. Neben Gaddafis zweiter Frau Safia überquerten auch die Söhne Mohammed und Hannibal sowie Tochter Aischa die Grenze. Algerien gewährte ihnen Asyl.
Gaddafis viertältester Sohn Mutassim wurde zusammen mit seinem Vater im Oktober 2011 in der libyschen Stadt Sirt gefasst - wie der Ex-Diktator starb Mutassim wenige Stunden später.
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Saadi al-Gaddafi ist der drittälteste Sohn des 2011 gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi. Dieses Bild zeigt ihn 2005 in besseren Tagen vor einem Porträt seines Vaters.
Zurückhaltung war nie die Sache der Gaddafis. Hier spricht er auf einer Pressekonferenz in Tripolis im Januar 2010. Nun ist er - unfreiwillig - in seine Heimat zurückgekehrt. Ihm droht ein Prozess.
Am Donnerstagmorgen ist Gaddafi in Tripolis eingetroffen, Niger hat ihn ausgeliefert. Er soll sich nun im Hadaba-Gefängnis befinden. Ein Sprecher des Gefängnisses sagte, der Gaddafi-Sohn solle wegen "Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung der Revolution des 17. Februar" und "Aktivitäten zur Störung der Sicherheit und Stabilität Libyens" angeklagt werden.
Libysche Medien veröffentlichten Fotos, auf denen zu sehen ist, wie jemand dem Gefangenen die Haare und seinen langen Bart abrasiert. Eine öffentliche Demütigung für den Gefangenen.
Inmitten der Wirren der libyschen Revolution war Saadi 2011 nach Niger geflüchtet. Mit einer achtköpfigen Begleitergruppe hatte er laut "Washington Post" am 11. September 2011 die Grenze überquert.
Ende 2011 scheiterte seine Flucht nach Mexiko. Nach einem Bericht der kanadischen Zeitung "National Post" wollte er im Luxusbadeort Punta Mita (im Bild) untertauchen. Doch daraus wurde nichts: Saadi stand seither in Niger unter Hausarrest.
Im Kampf gegen die libyschen Rebellen hatte Saadi eine Armeeeinheit befehligt. Früher versuchte er sich mit mäßigem Erfolg als Fußballprofi in Italien.
Sein Vater Muammar al-Gaddafi herrschte vier Jahrzehnte über Libyen - mit eiserner Hand. 2011 wurde er gestürzt und starb unter mysteriösen Umständen.
Der Gaddafi-Clan war für seine Prunksucht bekannt - erst die Revolution 2011 setzte dem ein Ende. Rebellen bestaunten nach dem Umsturz die Luxusbauten der Familie. Weltbekannt ist inzwischen dieses goldene Sofa. Die Meerjungfrau trägt das Antlitz von Aischa, der Tochter Gaddafis.
Gaddafis Palast in Sirte wurde bei Nato-Luftangriffen im Oktober 2011 teilweise zerstört. Vom Prunk blieb trotzdem noch einiges übrig.
Auch über den Wolken wollten die Gaddafis nicht auf angemessenes Mobilliar verzichten - und ließen sich gleich einen kompletten Airbus ausstatten. Dieser Rebell hat es sich auf einem der teuren Ledersessel bequem gemacht.
Vergleichsweise reduziert: Dieses Zimmer fand sich in einer Villa von Mutassim al-Gaddafi, einer der Söhne des Machthabers. Kein Gold, kaum Prunk - ganz hatte Motassem den Einrichtungs-Code noch nicht verinnerlicht. Immerhin konnte er sich bequem zu Hause frisieren lassen.
Saadi al-Gaddafi ist nicht das einzige Kind Gaddafis, das wieder in Libyen ist. Saif al-Islam, bekanntester Sohn und lange als Nachfolger seines Vaters gehandelt, steht in der Heimat vor Gericht. Ihm droht die Todesstrafe.
Anderen Mitgliedern des engsten Familien-Clans gelang dagegen die Flucht: So konnte sich Safia al-Gaddafi, zweite Frau des früheren Machthabers und Mutter von sieben seiner Kinder, nach Algerien absetzen. Dort bekam sie Asyl.
Auch Hannibal al-Gaddafi floh nach Algerien. Er wurde wegen seiner Wutausbrüche weltbekannt: Mal misshandelte er seine Frau, mal Griff er Dienstboten an. Im Juli 2008 verhaftete die Genfer Polizei Hannibal Gaddafi, einen Sohn des Diktators, weil er zwei seiner Diener misshandelt haben soll. Darauf kappten die in ihrer Familienehre gekränkten Libyer die Handelsbeziehungen zur Eidgenossenschaft und verhafteten vorübergehend zwei Schweizer Geschäftsleute.
Die einzige Tochter des früheren Despoten, Aischa, floh ebenfalls nach Algerien. Sie soll auf der Flucht ein Kind geboren haben. Als ihr Vater noch an der Macht war, führte auch sie ein Luxus-Leben: Sie soll enge Verbindungen zu den Branchen Energie und Bau gehabt haben. Die Anwältin wirkte auch als Spindoktorin der Familie, vor allem, wenn ihre Brüder wieder etwas angestellt hatten.
Auch er versteckt sich in Algerien: Mohammed al-Gaddafi, Sohn aus erster Ehe, hatte zuletzt das staatliche Post- und Fernmeldeunternehmen Libyens geleitet. Außerdem stand er dem Nationalen Olympischen Komitee vor.
Gaddafi-Sohn Saif al-Arab wurde angeblich schon Ende April 2011 bei einem Bombenangriff auf die Hauptstadt Tripolis getötet.
Amateuraufnahmen zeigen Mutassim Billah al-Gaddafi, offenbar kurz vor seinem Tod im libyschen Sirt. Der Diktatoren-Sohn starb im Oktober 2011, offenbar durch Waffen der Rebellen.
Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi auf einer der ersten Aufnahmen nach seinem Militärputsch am 1. September 1969. 42 Jahre herrschte er - damit als dienstältester Diktator Afrikas - über Libyen.
Im Februar 2011 brach ein landesweiter Aufstand aus, der Gaddafi schließlich zu Fall brachte.
Zum markanten Markenzeichen des Beduinen-Sohns wurden Hut und Brille. Seine extravagante Kleidung stach immer wieder hervor.
Gaddafis großes Vorbild: Der ägyptische Präsident Gamal Abd al-Nasser (links, hier ein Bild von 1969). Später brach Gaddafi allerdings mit der Idee des Panarabismus.
Mit einer Islamisierungskampagne gelang es Gaddafi, seine Macht zu festigen. Er verbot Alkohol, schloss Militärstützpunkte der USA und Großbritanniens. Ausländer wurden zur Ausreise gezwungen. Italiener, die in Libyen lebten, mussten ihre verstorbenen Verwandten exhumieren.
Gaddafi wurde Verfechter des "islamischen Sozialismus" und ernannte sich 1979 zum "Revolutionsführer". Er allein bestimmte jetzt in Libyen. Im In- und Ausland wuchs die Kritik.
Der Bombenanschlag auf die Berliner Discothek "La Belle" in der Nacht zum 5. April 1986 war einer der schwersten Terroranschläge gegen US-Amerikaner in Deutschland. Um 1.45 Uhr detonierten knapp zwei Kilogramm Plastiksprengstoff nahe der Tanzfläche. Drei Menschen starben.
Gaddafis Agenten werden für den Anschlag verantwortlich gemacht. US-Streitkräfte bombardierten die libysche Hauptstadt Tripolis. Den Tod libyscher Zivilisten nutzte er propagandistisch aus, hier im Gespräch mit sowjetischen Journalisten.
Von Gaddafi entsandte Attentäter sprengten über dem schottischen Lockerbie 1988 ein Passagierflugzeug der Fluglinie Pan American World Airways in die Luft. Insgesamt kamen 270 Menschen ums Leben.
Gaddafi liebte die eigene Inszenierung: Hier eine Hauswand in Tripolis mit seinem Konterfei.
Anschläge auf den Despoten blieben nicht aus. 1996 zündete ein Mann eine Handgranate gleich neben einer Gaddafi-Eskorte. Laut Berichten der "New York Times" hatte der englische Geheimdienst das Attentat mitfinanziert.
Legenden ranken sich um Gaddafi und die Frauen in seiner Umgebung. So wurde er von einem Team osteuropäischer Krankenschwestern umsorgt. Acht Jahre lang wich die ukrainische Krankenschwester Galyna Kolotnyzka dem libyschen Diktator selten von der Seite. Nach dem Aufstand 2011 trat die Ukrainerin die Rückreise nach Kiew an.
Im Jahr 2000 spielte Gaddafi eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen um das Geiseldrama auf der philippinischen Insel Jolo. Gegen eine Zahlung von einer Million Dollar pro Kopf durch Libyen kam die Göttinger Familie Wallert sowie weitere Geiseln nach mehreren Monaten Geiselhaft auf freien Fuß.
Als Arabiens Despoten noch gut lachen hatten: Die Staatschefs Ben Ali aus Tunesien, Ali Abdullah Salih aus dem Jemen, Gaddafi und der Ägypter Husni Mubarak (von links nach rechts) im Oktober 2010 auf einem Gipfeltreffen in Gaddafis Geburtsstadt Sirt.
2003 vollzog Gaddafi eine außenpolitische Kehrtwende: Damals verzichtete er auf sein Programm für Massenvernichtungswaffen - allerdings wohl weniger aus Überzeugung als aus politischem Kalkül.
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder reicht Gaddafi in dessen Beduinenzelt im Oktober 2004 die Hand. Der erste Besuch eines deutschen Kanzlers markierte den Ausbau der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem ölreichen Wüstenstaat.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mit Gaddafi im Rahmen des dritten EU-Afrika-Gipfels 2010. Bei der Uno-Abstimmung über eine Intervention gegen Gaddafi im März 2011 enthielt sich Deutschland, was für viel Kritik sorgte.
Leibwächterinnen aus der berühmten weiblichen Leibgarde Gaddafis bei seiner Ankunft in Rom im August 2010: Er fühlte sich von Frauen besser beschützt als von Männern. Zum Gefolge des libyschen Staatschefs gehörten an diesem Tag weiterhin 30 reinrassige Berberpferde sowie sein eigenes Beduinenzelt.
Mitglieder der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG) bei ihrer Freilassung aus dem berüchtigten Abu-Salim-Gefängnis, nur einen Tag nach Beginn der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Libyen im Februar 2011. Angeführt wurden die Proteste von Angehörigen der etwa 1200 Häftlinge, die 1996 bei einem Massaker starben.
Gaddafi hatte wichtige Schaltstellen seines Staatsapparats mit Verwandten besetzt. Zentrale Rollen spielten vor allem seine acht Kinder: Saif al-Islam trat als sanfte Stimme des Gaddafi-Regimes auf und galt lange als hoffnungsreichster Nachfolger seines Vaters. Ihm werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Er wurde im Süden von Libyen gestellt, er wollte in den Niger flüchten. Saif soll nun in Libyen der Prozess gemacht werden.
Mit dabei soll auch Mutassim Gaddafi gewesen sein. Hier ist er mit Hillary Clinton 2009 in Washington zu sehen. Mutassim kam in Sirt ums Leben, offenbar töteten ihn die Rebellen. Er war nationaler Sicherheitsberater und damit eine der mächtigsten Figuren im staatlichen Sicherheitsappart. Nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater war er zwischenzeitlich nach Ägypten geflohen, durfte dann aber zurückkehren. Er befehligte die Präsidentengarde.
Gaddafis Sohn Hannibal fiel eher durch Berichte über verschiedene Gewaltdelikte im westlichen Ausland auf. Er soll Hausangestellte misshandelt haben. Deswegen wurde er 2008 in Genf von der Schweizer Justiz vorübergehend festgenommen, was zu einer diplomatischen Krise zwischen Libyen und der Schweiz führte. Hannibal ist nach Algerien geflohen.
Gaddafis Tochter Aischa lebt ebenfalls mittlerweile in Algerien - hochschwanger floh sie in das Nachbarland und soll auf der Flucht entbunden haben. Die Juristin mischte im Verteidigerteam beim Prozess gegen den ehemaligen Diktator Saddam Hussein mit.
Ausraster auf internationaler Bühne: 2009 spricht Gaddafi das erste Mal vor den Vereinten Nationen in New York. Er hält eine Wutrede und zerreißt dabei die Uno-Charta.
Gaddafi bei einer Militärparade in Tripolis 1999. Theaterreife Auftritte und skurrile Outfits brachten ihm den Ruf des Exzentrikers ein. Zum 40. Jahrestag der Revolution ließ er für mehrere Millionen Dollar ein bombastisches Fest inszenieren - inklusive Reitershow, Militärmärschen, Feuerwerken und Exekutionsszenen.
Solche Auftritte lösten weltweit Hohn und Spott aus. Der US-Geheimdienst CIA gelangte 1982 zu der Erkenntnis: "Nach unserer Einschätzung leidet er an einer schweren Persönlichkeitsstörung."
Der Machthaber meldete sich während der Unruhen im Frühjahr 2011 immer wieder im libyschen Staatsfernsehen - und kündigte einen Kampf "bis zum Tod" an. Beharrlich und ab und zu auch reichlich wirr versuchte er, Regimeanhänger in seinen Ansprachen zu motivieren.
Skurriler Auftritt: Gaddafi im Februar 2011 im libyschen Staatsfernsehen - mit Schirm in einem Auto sitzend. "Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela", betonte Gaddafi und trat damit Spekulationen entgegen, wonach er das nordafrikanische Land bereits verlassen hat.
Gaddafis Konvoi wurde am 20. Oktober 2011 in Sirt beschossen. Der verletzte Diktator wurde von Rebellen gefasst und abgeführt. Kurz darauf starb er an einem Schuss - die genauen Todesumstände sind nach wie vor ungeklärt.
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