Medwedew auf der Sicherheitskonferenz Putin reloaded
Es gab einmal eine Arbeitsteilung in der russischen Politik, die nach dem Schema "Good Cop - Bad Cop" verlief. Der Böse war Präsident Wladimir Putin. Und die Rolle des Guten spielte der heutige Ministerpräsident Dmitrij Medwedew. Er war der "Reformer", das freundliche Gesicht der russischen Führung, er sprach sanft und zurückhaltend.
Diese Arbeitsteilung gibt es nicht mehr. Auf der Sicherheitskonferenz in München sahen die versammelten Außen- und Sicherheitspolitiker einen russischen Premier, der auftrat wie ein Wiedergänger von Präsident Putin: das gehetzte Stakkato seiner Rede, das die Übersetzerin zur Verzweiflung trieb, das Trommelfeuer der Vorwürfe, Sätze wie Salven - bis in die Sprechweise erinnerte Medwedews Auftritt mit seiner harschen Rhetorik und den zwischen den Zähnen hervorgestoßenen Vorwürfen an den aktuellen Kreml-Herrn.
Nicht zufällig nahm Medwedew selbst Bezug auf Putins Rede in München vor neun Jahren, mit der dieser damals die Welt schockierte. Seither, so Medwedew heute, hätten sich die Beziehungen stark verschlechtert. Wie damals Putin hielt Medwedew in München eine Rede, die aufrütteln sollte mit einer dramatischen, schonungslosen Bilanz. Eine Brandrede.
Enttäuschte Russen
Die "neue Ära des Kalten Krieges", von der Medwedew sprach, drückt auch die Enttäuschung Russlands über das Vierteljahrhundert aus, das seit dem Ende des "ersten Kalten Kriegs" vergangen ist. Aus der Sicht Moskaus hat sich statt der echten Partnerschaft, auf die man gehofft hatte, eine neue Konfrontation entwickelt, weil der Westen mit der Erweiterung von Nato und EU die Schwäche Russlands ausnutzte. Es war in seiner Aggressivität auch ein selbstbewusster Auftritt. Medwedews Botschaft lautete: Russland ist zur Zusammenarbeit bereit, aber nicht zu den Bedingungen des Westens.
Medwedew warf dem Westen Doppelstandards vor und beschuldigte die EU, mit den Sanktionen gegen sein Land internationales Recht zu verletzen. "Wer ist schuld?", fragte der russische Premier mit Blick auf die verfahrenen Konflikte in der Ukraine und in Syrien. Und die Antwort lautete: der Westen. Zwischen den scharfen Schuldzuweisungen ging Medwedews Bekenntnis zur Zusammenarbeit, seine Betonung von gemeinsamen Interessen im Kampf gegen den IS und bei der Bewältigung der "neuen Völkerwanderung" fast unter.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier versuchte in seinem Auftritt eine Stunde später fast verzweifelt, den Worten Medwedews ein wenig die Schärfe zu nehmen. Der russische Premier habe nicht einen neuen Kalten Krieg ausgerufen, er habe nur davor warnen wollen, so das Verständnis des deutschen Außenministers.
Aus deutschen Delegationskreisen hieß es, bei den Gesprächen hinter verschlossenen Türen seien die Russen deutlich konzilianter aufgetreten. Allerdings war auch der Beitrag von Außenminister Sergej Lawrow auf dem Podium in München kein Beitrag zur Entspannung. Demonstrativ gelangweilt las der Minister seinen Text ab. In der Sache nahm er nichts zurück, im Gegenteil: Am Ende zog Lawrow sogar den in den Tagen zuvor mühsam ausgehandelten Kompromiss für eine Feuerpause in Syrien in Zweifel.
Wenig spricht dafür, dass die Russen ihren Auftritt in München bewusst dramatisch gestaltet haben, um Alarm zu schlagen. Viel eher war es eine ehrliche Bestandsaufnahme eines zerrütteten Verhältnisses. Das Misstrauen, das inzwischen zwischen Moskau und dem Westen herrscht, erinnert tatsächlich bisweilen an die Zeiten des Kalten Kriegs. Mit ihrer Schärfe und den klaren Worten standen die Beiträge der Russen in Kontrast zur Atmosphäre der Konferenz, bei der ansonsten ratlose Minister Zusammenarbeit, Verantwortung und Solidarität beschworen.