Zweites Impeachment US-Senat verliest Anklage gegen Donald Trump

Ex-Präsident Donald Trump (am 5. November 2020)
Foto:CARLOS BARRIA / REUTERS
Das neue Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump hat die nächste Hürde genommen auf. Das US-Repräsentantenhaus übermittelte die Anklageschrift mit dem Vorwurf »Anstiftung zum Aufruhr« offiziell an den Senat. Dort wurde sie laut verlesen. Die zweite Parlamentskammer wird nun als Gerichtshof fungieren und das Verfahren verhandeln.
Trump ist zwar nicht mehr Präsident – durch das Impeachment-Verfahren könnte er aber im Falle einer nachträglichen Verurteilung mit einer lebenslangen Ämtersperre auf Bundesebene belegt werden. Das würde etwaige Pläne Trumps für eine erneute Bewerbung um die Präsidentschaft im Jahr 2024 zunichtemachen.
Die Demokraten wollen Trump wegen des Sturms seiner Anhänger auf das US-Kapitol am 6. Januar zur Verantwortung ziehen. Den entsprechenden Antrag auf Amtsenthebung hatten sie vergangenen Mittwoch im Repräsentantenhaus verabschiedet, mit einem Stimmenverhältnis von 232 zu 197. Zehn Republikaner stimmten für den Antrag.

Übergabe der Anklageschrift an den US-Senat
Foto: J. Scott Applewhite / APEs braucht 67 Senatorinnen und Senatoren
Der Sender CNN berichtete, voraussichtlich werde der dienstälteste Senator, der Demokrat Patrick Leahy, das Verfahren leiten, nicht der Vorsitzende Richter am Supreme Court, John Roberts. Nach den Verfahrensregeln leitet der Vorsitzende Richter am Supreme Court Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten im Senat. CNN berichtete am Montag aber, da Trump nicht mehr Präsident sei, werde mit Leahy voraussichtlich ein Senator zuständig sein. Später bestätigte Leahy diese Meldung.
Der Senat funktioniert dann ähnlich wie ein ordentliches Gericht. Den hundert Senatoren wird ein Eid abgenommen, sie belegen im Prozess die Rolle von Geschworenen und treffen die endgültige Entscheidung. Anklage und Verteidigung werden dann im Senat angehört und befragt. Normalerweise würde das Verfahren mit der Verlesung der Anklage im Senat sofort beginnen. Demokraten und Republikaner haben sich aber auf eine Frist von zwei Wochen geeinigt, um Trump eine bessere Vorbereitung zu ermöglichen.
Wie viele Republikaner stimmen gegen Trump?
Für eine Verurteilung Trumps wird eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Senatoren benötigt. Die Republikaner und die Demokraten des neuen Präsidenten Joe Biden halten jeweils 50 Sitze im Senat. Es müssten sich also auch 17 Republikaner gegen Trump stellen. Ob es dazu kommt, ist offen. Im Fall einer Verurteilung würde in einer zweiten Abstimmung eine einfache Mehrheit ausreichen, um die von den Demokraten geforderte Ämtersperre gegen Trump zu verhängen.
Biden selbst räumt dem Verfahren gegen seinen Vorgänger einem Medienbericht zufolge allerdings keine großen Erfolgschancen ein. Er glaube nicht, dass im Senat ausreichend Republikaner für eine Verurteilung ihres Parteifreundes stimmen würden, zitierte der Sender CNN den US-Präsidenten am Montag.
Trump musste sich während seiner Amtszeit schon einmal einem Amtsenthebungsverfahren stellen. Das damalige Verfahren im Senat endete mit einem Freispruch.
Endlich verständlich - So funktioniert das Impeachment
Das Impeachment ist der in der US-Verfassung festgehaltene Prozess zur Absetzung eines Präsidenten, Vizepräsidenten oder eines hohen Beamten. Es ist Teil des Systems von "checks and balances", das die Gewaltenteilung sicherstellt. Der Kongress kann damit Amtsträger vor Ablauf ihres Mandats entlassen. Zudem kann der Senat auch dafür sorgen, dass der oder die Verurteilte nie wieder ein öffentliches Amt bekleiden darf.
Gründe für die Einleitung des Verfahrens können laut Artikel II Paragraf 4 sein:
Hochverrat
Bestechlichkeit
oder andere "schwerwiegende Verbrechen und Fehlverhalten"
Hochverrat und Bestechlichkeit sind relativ eindeutige Begriffe. Was genau aber als schwerwiegendes Verbrechen oder Fehlverhalten gilt, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Den Verfassungsvätern ging es darum, Staat und Verfassung vor Amtsträgern zu schützen, die ihre Macht zum eigenen Vorteil und das öffentliche Vertrauen missbrauchen.
Der Vorwurf in der Impeachment-Vorlage der Demokraten lautet zusammengefasst: "Anstiftung zum Aufruhr" gegen den Staat. Nach der Attacke von Trump-Sympathisanten auf das Kapitol in Washington am 6. Januar sind die US-Demokraten der Ansicht, dass Donald Trump bei einer Kundgebung kurz vor der geplanten Bestätigung der Wahl Joe Bidens durch Abgeordnete und Senatoren die Menge aufgehetzt und zum Sturm auf das Parlament angestachelt habe. Auch einige republikanische Abgeordnete und Senatoren sind dieser Ansicht. Bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus stimmten immerhin zehn Republikaner für die Resolution.
Seit der Wahl Joe Bidens zu seinem Nachfolger im vergangenen November hatte Donald Trump unablässig von Wahlbetrug gesprochen und damit die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses in Zweifel gezogen. Belege für diese falsche Behauptung lieferte er jedoch nicht. Der Versuch, die Amtsübernahme Joe Bidens zu unterlaufen, gipfelte zudem in einem Telefonat mit dem Innenminister von Georgia Anfang Januar, indem Trump diesen aufforderte, das Ergebnis der Wahl in diesem Bundesstaat umzukehren. Biden hatte hier knapp gewonnen. Auch dieser Versuch wird im Impeachment-Text genannt. Die Demokraten sehen in diesen Aktionen eine Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer demokratischen Institutionen. Donald Trump soll deswegen auch künftig kein öffentliches Amt mehr bekleiden dürfen. Den Text der Resolution finden Sie – in englisch - hier.
US-Präsidenten können in einem zweistufigen Verfahren abgesetzt werden. Die Einleitung des Impeachments durch das Repräsentantenhaus bildet die erste Phase. Die Entscheidung, ob der Präsident "verurteilt" und des Amtes enthoben wird, trifft anschließend der Senat, die andere Kammer des US-Kongresses.
Jedes Mitglied des Repräsentantenhauses kann ein Impeachment einleiten. Der Rechtsausschuss des Hauses untersucht die Vorwürfe und entscheidet, ob Gründe für ein Impeachment vorliegen. Sind sich seine Mitglieder darüber einig, legen sie dem gesamten Repräsentantenhaus eine Anklage zur Abstimmung vor. Um das Verfahren an den Senat weiterzuleiten, reicht eine einfache Mehrheit der 435 Abgeordneten.
Der weitere Vorgang ähnelt einem Gerichtsverfahren: Delegierte des Repräsentantenhauses tragen das Impeachment dem Senat vor. Der Senat verfasst eine Klageschrift und informiert den Beschuldigten. Richtet sich das Impeachment gegen den Präsidenten, sitzt dem Senat für das Verfahren der Oberste Richter der Vereinigten Staaten vor. Der Beschuldigte wird meist durch einen oder mehrere Anwälte vertreten. Es werden Beweise gesammelt und Zeugen sowie eventuell der Beschuldigte selbst gehört. Nach nichtöffentlicher Beratung stimmen die insgesamt 100 Senatoren öffentlich über die Amtsenthebung ab. Dabei werden die Stimmen der anwesenden Senatoren für jeden Anklagepunkt einzeln gezählt.
Für die Verurteilung in einem oder auch mehreren Punkten muss eine Zweidrittelmehrheit erreicht werden. Wird der Präsident verurteilt, kann der Senat außerdem darüber abstimmen, ob der Verurteilte in Zukunft noch ein öffentliches Amt übernehmen darf.
Nein, in der Geschichte der Vereinigten Staaten hat noch nie ein Präsident durch Impeachment sein Amt verloren. Dreimal gab es allerdings den Versuch, einen Präsidenten aus dem Amt zu wählen.
1868 wurde ein Verfahren gegen Andrew Johnson eingeleitet, weil er ohne erforderliche Zustimmung des Senats den Kriegsminister abgesetzt hatte. Der Senat sprach den Präsidenten frei, allerdings fehlte nur eine Stimme zur Verurteilung.
1998 leitete das mehrheitlich republikanische Repräsentantenhaus im Zuge der Lewinsky-Affäre ein Verfahren gegen den Demokraten Bill Clinton (Foto) wegen Meineids und Behinderung der Justiz ein. Es scheiterte ebenfalls.
1974 kam US-Präsident Richard Nixon einem Impeachment nach der Watergate-Affäre durch einen Rücktritt zuvor.
Ende 2019 strengten die Demokraten eine Amtsenthebung gegen Donald Trump vor dem Hintergrund der Ukraine- und Russland-Affäre an. Der republikanisch dominierte Senat lehnte eine Verurteilung des Präsidenten aber ab. Trump ist der erste US-Präsident, gegen den ein zweites Impeachment eingeleitet wurde.
Das Repräsentantenhaus hat das Verfahren bis zur Überstellung der Anklage an den Senat beschleunigt, indem es sofort über die Resolution abstimmte. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass Trump nicht mehr vor Ablauf seiner Amtszeit verurteilt und aus dem Amt entfernt werden kann. Der derzeitige Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, hat seinen Parteikollegen signalisiert, dass die Einberufung einer Senatssitzung zu dem Fall noch vor Vereidigung Joe Bidens am 20. Januar schwierig werden könnte. Auch unter Demokraten gibt es die Bestrebung, das eigentliche Verfahren im Senat noch hinauszuzögern, damit die neue Administration ungestört ihre Arbeit aufnehmen kann.
Beobachter sehen deswegen in dem Verfahren vor allem zwei Beweggründe. Zum einen handelt es sich um einen symbolischen Akt: Selbst wenn Trump erst nach Amtsende verurteilt wird, kann dies als eine Art Rehabilitation der amerikanischen Demokratie angesehen werden. Künftige Amtsnachfolger sollen wissen, dass sie niemals ungestraft so weit gehen dürfen wie Donald Trump. Zum anderen gibt es aber auch einen ganz praktischen Grund: Laut Verfassung können die Senatoren Trump nach seiner Verurteilung in einer zweiten Abstimmung mit einfacher Mehrheit von der Ausübung künftiger öffentlicher Ämter fernhalten. Das hat vor allem für das Wahljahr 2024 große Bedeutung. Einige Republikaner sehen auch mit Blick auf eigene Ambitionen möglicherweise ebenfalls die Chance, Donald Trump endgültig loszuwerden.
Die Frage, ob ein Impeachment auch auf einen nicht mehr amtierenden Präsidenten angewendet werden kann, ist auch unter Experten keine eindeutige Angelegenheit. Jedoch gab es im 19. Jahrhundert beispielsweise den Fall des nachträglichen Impeachments eines höheren politischen Amtsträgers. Der kurz vor Einleitung des Verfahrens zurückgetretene Kriegsminister William Belknap wurde jedoch knapp freigesprochen.
Obwohl sich einige Republikaner deutlich von Donald Trump abgesetzt haben und einige auch das neuerliche Impeachment-Verfahren unterstützen, ist es fraglich, ob es erfolgreich verläuft. Noch sind die zwei neu gewählten demokratischen Senatoren aus Georgia nicht offiziell im Amt, und so haben nach wie vor die Republikaner die Mehrheit im Senat. Die Demokraten müssten derzeit mindestens 17 Senatoren auf ihre Seite ziehen, um auf die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Verurteilung zu kommen. Das bleibt auch nach der Finalisierung des neuen Senats ein schwieriges Unterfangen.
Eine andere Möglichkeit bietet grundsätzlich der 25. Verfassungszusatz (25th Amendment). Dieser gilt seit 1967 und regelt die vorzeitige Amtsnachfolge einer Präsidentschaft. Demnach kann der Vizepräsident übernehmen, wenn der amtierende Präsident nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Also etwa im Fall des Rücktritts, einer Amtsenthebung oder des Todes, aber auch für den Fall einer dauerhaften oder nur vorübergehenden Amtsunfähigkeit. Unter Absatz 3 kann der Präsident selbst schriftlich seine Amtsunfähigkeit erklären und genauso widerrufen. In der Zwischenzeit übernimmt sein Stellvertreter geschäftsführend als acting president. Absatz 4 dieses Verfassungszusatzes regelt eine Übertragung der Amtsgeschäfte für den Fall, dass ein Präsident die Amtsunfähigkeit nicht selbst erklären kann, weil er z.B. im Koma liegt, oder nicht erklären will, etwa unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung.
Der Vizepräsident und die Mehrheit des Kabinetts oder eines anderen vom Kongress bestimmten Gremiums können den Spitzen des Kongresses schriftlich erklären, dass der Präsident sein Amt nicht mehr ausüben kann. Dann übernimmt der Vizepräsident die Geschäfte. Der Präsident kann seiner Amtsunfähigkeit aber widersprechen. Bleiben Vize und Kabinett bei ihrer Feststellung, muss der Kongress innerhalb weniger Wochen die Amtsunfähigkeit mit Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern bestätigen.
Unmittelbar nach dem Aufruhr am und im Kapitol forderten Demokraten, aber auch Republikaner, Donald Trump mittels 25th Amendment abzusetzen. Sogar in Trumps Kabinett soll es Stimmen gegeben haben, diesen Schritt zu gehen. Jedoch hat Vizepräsident Mike Pence diesen Forderungen inzwischen eine Absage erteilt.
Absatz 4 kam ohnehin noch nie zur Anwendung. Schon die Frage, wer denn eine Amtsunfähigkeit etwa aus psychischen Gründen feststellen sollte, ist unklar. Zudem berührt er die Frage der Loyalität im Innersten: Ein Vizepräsident, bei dem herauskommt, dass er auch nur darüber nachdenkt, seinen Vorgesetzten zu entmachten, kann sehr schnell auf das politische Abstellgleis geraten, ebenso wie kooperierende Minister. Ähnlich kann die Gemengelage im Kongress sein: Die Partei des Präsidenten müsste die geistige Integrität ihrer Macht, verkörpert durch ihren eigenen Präsidenten, infrage stellen. Eine sehr schwerwiegende Entscheidung.
Da solch eine Absetzung in der amerikanischen Geschichte noch nicht vorgekommen ist, bleibt dies eine theoretische Frage mit einigen Unbekannten.
Sollte der Senat allen Erwartungen zum Trotz mit Zweidrittelmehrheit und noch vor dem 20. Januar dafür stimmen, Trump aus dem Amt zu entfernen, würde rein formal sein Stellvertreter übernehmen: Vizepräsident Mike Pence. Er würde bis zum Ende der Legislaturperiode regieren. Äußerst unwahrscheinlich, aber theoretisch denkbar: Sollte der Vizepräsident ebenfalls ins Visier des Kongresses geraten, würde der Sprecher des Repräsentantenhauses zum Präsidenten ernannt. Das ist seit Januar 2019 die Demokratin Nancy Pelosi.