

Der Streit zwischen Donald Trump und Megyn Kelly begann bei der ersten TV-Debatte der Republikaner im August vorigen Jahres.
Kelly, die einzige charmante Persönlichkeit beim konservativen Kabelkanal Fox, hielt Trump vor, wie er Frauen gern beschimpft, nämlich als "fette Säue, Hündinnen, Schlampen". Der Kandidat revanchierte sich mit Beleidigungen - und demonstrierte so, wie groß sein Problem mit Frauen tatsächlich ist.
Jetzt saßen sie sich wieder gegenüber. Am Dienstagabend war Trump der Premierengast in der neuen Talksendung Kellys, die seit dem Streit mit Trump zur journalistischen Ikone aufstieg. Das Interview wurde schon vor der Ausstrahlung als Scoop gefeiert, als ultimative Abrechnung. "Nichts", drohte Kelly, "ist tabu."
VIDEO: Donald Trump in der Talkshow von Megyn Kelly
Von wegen. Statt zu untermauern, wie wichtig kritische Medien als Kontrollinstanz sind - erst recht bei einem Kandidaten, der Hetze, Diskriminierung und Wahnwitz propagiert -, zeigte das Tête-à-tête nur eines: Amerikas Journaille knickt vor Trump ein. Letztendlich siegen immer die Quoten und das große Geld.
Schauplatz des Interviews war kein TV-Studio, sondern ein Konferenzraum im Trump Tower. Trump war nicht zu Gast bei Kelly, Kelly war zu Gast bei Trump - ein bezeichnender Rollentausch, symbolisch für das Versagen der gesamten US-Medienbranche in diesem Wahlkampf.
Entsprechend höflich die Fragen: Hat er im Wahlkampf Fehler gemacht? Was bereut er? Und wo sitzt er denn, wenn er seine allabendlichen Twitter-Tiraden abfeuert? In der Tat: Nichts war tabu - jedenfalls keine Lappalie.
Die Heldin als Selbstdarstellerin
Dabei hätte es viel Sprengstoff gegeben. Gerade bei Trump, der die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner nun sicher hat. Die Demokratin Hillary Clinton zielt auf seinen Chauvinismus und Sexismus, seine Herabwürdigung von Frauen. Kein Zufall, dass der erste TV-Spot der Pro-Clinton-Gruppe Priorities USA, der diesen Mittwoch startet, mit den längst legendären Zitaten des Trump-Kelly-Kleinkriegs gespickt ist.
Eine "Tussi" sei Kelly, hatte Trump gepoltert - ein "Leichtgewicht", der "das Blut rausläuft". Über Wochen pöbelte er die populäre Moderatorin an, flankiert von seinen noch wüsteren Fans. Kelly, von ihrem Sender gestützt, schwieg eisern, ließ sich zur Märtyrerin verklären. Erst im April traf sie Trump zum "klärenden Gespräch", bei dem beide auch das Interview vereinbarten.
Am Ende war alles eine Farce. Kellys Heldinnenstatus war nur so lange gut, wie er der Selbstvermarktung diente - und wie es Kellys Boss Rupert Murdoch passte, dem Chef des Fox-News-Mutterhauses News Corporation.
Der hatte Trump erst äußerst kritisch gesehen. So soll er Kelly die Debattenfragen im August persönlich vorgeschlagen haben. Als er dann aber merkte, dass Trump ein Quotenhit war, knickte auch er ein - wie so viele im konservativen Mainstream.
Trump ist gut fürs Geschäft
Denn Trump ist gut fürs Geschäft. Plötzlich gaben sich Fox News und das Murdoch-Boulevardblatt "New York Post" betont freundlich. Kellys inszenierte "Versöhnung" mit Trump war daraufhin nur noch ein Mittel zum Sendezweck.
Auch für Kelly selbst: Nach zehn Jahren am Moderatorenpult sucht sie nach höheren Weihen. Der Trump-Zwist gab ihr den nötigen Schwung, machte sie - trotz ihrer erzkonservativen Ideologie - zum glamourösen Covergirl ("Vogue", "Vanity Fair"). Nun will sie mit ihrer Show "Megyn Kelly Presents" offenbar die neue Barbara Walters werden, deren Produzent Bill Geddie arbeitet jedenfalls schon für Kelly.
Doch die Premiere war ein Flop. Neben dem zusammengeschnittenen Trump-Interview, das samt Werbepausen kaum 20 Minuten dauerte, bot die Sendung Gespräche mit der transsexuellen Schauspielerin Laverne Cox, Hollywood-Altstar Michael Douglas und O.J.-Simpson-Anwalt Robert Shapiro. Nachrichtenwert hatte keines der Segmente - auch das mit Trump nicht.
Kein Wort von Trumps Aggressionen, Lügen oder auch widersprüchlichen politischen Plänen. Stattdessen fragte Kelly nach seinem Lieblingsfilm ("Citizen Kane") und Lieblingsbuch ("Im Westen nichts Neues") - und entlockte ihm ein, äh, Geständnis: "Ich schaue dich dauernd im Fernsehen."
"Ich mag unsere Beziehung jetzt", gurrte Trump. Kelly erwiderte: "Jetzt hast du meine Handynummer."
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Megyn Kelly: Fox-News-Moderatorin, Juristin, Ehefrau, Mutter - und "die eine Person, die Trump Angst macht". So schrieb es die "Vanity Fair" jüngst in einem großen Porträt über die 45-Jährige. Tatsächlich haben die Querelen zwischen der Journalistin und dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in den vergangenen Monaten immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Am Dienstagabend nun wurde ein Interview der beiden ausgestrahlt.
Kelly wurde zuletzt auch in Deutschland bekannt, sie moderierte für den konservativen US-Fernsehsender Fox News mehrere TV-Debatten der US-Republikaner, so wie hier im Januar 2016 in Des Moines, Iowa. Aufgewachsen ist Kelly in New York, sie studierte Jura an der Albany Law School und Politik an der Syracuse University. Bevor sie Journalistin wurde, arbeitete sie mehrere Jahre lang als Wirtschaftsanwältin.
Wenn Trump bei TV-Duellen spricht, geht es schon mal um die Größe seiner Geschlechtsteile (so wie hier im März in Detroit, Michigan). Im Studio oder via Twitter lässt er regelmäßig frauenfeindliche Sprüche fallen oder beleidigt Journalisten - so auch Kelly: Trump nannte sie schon ein "Leichtgewicht", Kelly werde "überbewertet". Außerdem deutete er an, ihre Menstruation würde ihre Arbeit beeinflussen. Auf Twitter veröffentlichte er Fotos von Kelly, die 2010 in einer Männerzeitschrift erschienen waren. Dazu stellte Trump die rhetorische Frage: "Dies ist die Tussi, die präsidiale Fragen stellen soll?"
Ja, das ist die Frau, die amerikanischen Präsidentschaftsanwärtern Fragen stellt - hier Ted Cruz im Januar dieses Jahres. Kelly hat sich in den USA den Ruf einer stets bestens vorbereiteten, klugen, kritischen Moderatorin erarbeitet. Sie ist allerdings nicht unumstritten. Fox-News-Chef Roger Ailes gilt als ihr Mentor. Laut "FAZ" bezeichnete er seine Star-Moderatorin als "wunderhübsches Mädchen", das zudem intelligent sei. Ailes stand hinter ihr, als Trump seine Teilnahme an einem TV-Duell absagte, weil Kelly es erneut moderieren sollte.
Im August 2015 ging es los mit den Republikaner-Debatten, moderiert wurde das erste Duell von Chris Wallace, Megyn Kelly und Brett Baier. Laut Fox News schalteten 24 Millionen Zuschauer ein. Im Anschluss erklärte der "Guardian": "Vergesst Donald Trump - Megyn Kelly hat die Republikaner-Debatte gewonnen".
Im März 2012 wollte Mitt Romney noch Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden, er stellte sich damals in Kellys Sendung "America Live" den Fragen der Moderatorin. Kelly hat für Fox News unter anderem auch über den Bombenanschlag beim Boston Marathon und über das Attentat auf die Sandy-Hook-Grundschule berichtet.
Kelly arbeitet seit 2004 beim Sender Fox News. Derzeit ist sie wochentags von 21 bis 22 Uhr mit ihrer Politiksendung "The Kelly File" auf Sendung. Davor war sie in "America Live" jeweils wochentags von 13 bis 15 Uhr zu sehen, hier im Juni 2013 mit Musiker Kid Rock. Im Jahr 2014 kürte das "Time"-Magazin die Journalistin zu einer der einflussreichsten Personen weltweit.
Kelly hat im Laufe ihrer Karriere auch selbst für Skandälchen gesorgt. Im Dezember 2013 löste sie beispielsweise international Kritik aus, weil sie in ihrer Sendung kurz vor Weihnachten erklärt hatte: "An alle Kinder, die zu Hause zuschauen: Santa ist einfach weiß." Auch Jesus sei ein weißer Mann gewesen, "das ist Fakt".
Auf ihrem Twitter-Account beschreibt sich Kelly selbst wie folgt: "Glücklich verheiratet mit Doug, vernarrt in meine Kinder Yates, Yardley und Thatcher und Moderatorin von 'The Kelly File' beim Sender Fox News". Im März 2008 heiratete Kelly den Autor Douglas Brunt, auf diesem Bild ist das Paar beim diesjährigen Korrespondentendinner des Weißen Hauses zu sehen.
Kelly und ihr Ehemann bei der diesjährigen Met Gala in New York: Für die Journalistin ist es die zweite Ehe, sie war zuvor mit einem Arzt verheiratet. In US-Medien hat Kelly unter anderem den Spitznamen "Leggy Meggy" - eine Anspielung auf ihre vor der Kamera stets gut sichtbaren und vorteilhaft in Szene gesetzten Beine.
Kellys aktuelles Interview mit Trump dürfte beiden zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren. In einem vorab veröffentlichten Clip sind sie im Gespräch über Mobbing zu sehen. Neben Trump waren auch Michael Douglas, Robert Shapiro und Laverne Cox als Gäste bei Kelly.
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