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Trump-Auftritt Einen Arzt, bitte!

Donald Trump hat eine denkwürdige Pressekonferenz gegeben. Sie war auch sehr hilfreich. Man weiß jetzt: Es ist an der Zeit, am Verstand des US-Präsidenten zu zweifeln.

Wahrscheinlich dachte sich Donald Trump das so: Nach den ersten vier Wochen chaotischer Regierungsführung, nach Tagen schlimmer Demütigungen durch anonyme Informanten aus seinen eigenen Behörden, muss er jetzt mal raus und der Welt zeigen, dass er alles im Griff hat. Von wegen Turbulenzen, es gibt nichts zu sehen, bitte alle wieder hinlegen: Das dürfte vor diesem Auftritt der Plan des Präsidenten gewesen sein.

Wow, ist das schief gegangen.

Es klingt hart, aber nach dieser denkwürdigen Pressekonferenz ist zu hoffen, dass es da im Weißen Haus eine gute medizinische Abteilung gibt, die mal prüft, ob mit diesem Mann wirklich alles in Ordnung ist.

Surrealer ist es wohl noch nie in der Regierungszentrale zugegangen, und das liegt gar nicht an Trumps aggressiver Grundstimmung gegenüber der Presse und seinen Gegnern. Überhaupt nicht. Die kennt man inzwischen von ihm und man weiß, wie unbeholfen er versucht, die Berichterstattung über sich ins Reich der Lügenmärchen zu verlegen. Dabei hat doch der Rücktritt seines Sicherheitsberaters so wunderbar belegt, welch präzise arbeitendes Kontrollorgan der Journalismus noch immer ist.

All das macht Trump eher zu einem Zwerg als zu einem Schreckensfürsten. Diese Angriffe sind halb so wild. Wir werden sie überleben, Mr. President.

Offenkundiger Unsinn

Besorgniserregend war bei diesem Auftritt eine andere Erkenntnis: Trump lebt offenbar in einer Parallelwelt, deren Grenzzäune zur Wirklichkeit deutlich höher scheinen als jene Mauer, die er gegen Mexiko plant. Während seine Regierung implodiert, spricht Trump davon, sie arbeite wie eine "fein eingestellte Maschine". Während die Arbeitslosenquote auf einem historisch niedrigen Stand ist, beklagt er, einen wirtschaftspolitischen "Scherbenhaufen" geerbt zu haben. Während er einen Wall-Street-Manager nach dem anderen in sein Kabinett holt, lobt er sich dafür, Washington endlich vom Lobbyismus befreit zu haben.

Trump behauptet, seine Umfragewerte "gingen durch die Decke", dabei sehen ihn alle ernst zu nehmenden Erhebungen bei beispiellos niedrigen Werten.

  • Er kritisiert die Lecks in seiner Regierung als ernste Sache, bestätigt sie sogar, bezeichnet die Berichterstattung über die durchgesickerten Details aber als "Fake News".
  • Er prahlt damit, bei seinem Sieg im November die meisten Wahlmänner seit Ronald Reagan geholt zu haben, dabei muss man nur einmal kurz Google bemühen, um festzustellen, dass das falsch ist.
  • Er belächelt die Russland-Verbindungen, dabei sitzt sein Ex-Mitarbeiter Michael Flynn mit einem Bein im Gefängnis.
  • Und zwischendrin faselt Trump irgendwas von Uran, Atomwaffen und Hillary Clinton, das so durcheinander geht, dass man meinen könnte, er habe drei Nächte nicht geschlafen.

Auch aus eigener Sicht fahrlässig

Ja, er hat viel Stress. Und Trump hat immer schon ein eigenwilliges Verhältnis zur Wahrheit gehabt. Unter Druck schlüpft er wieder in die Rolle des Wahlkämpfers, auch das ist nachvollziehbar. Und es stimmt, dass viele seiner Wähler gar keinen Wert darauf legen, ob seine Thesen beim Faktencheck mit einem Pinocchio gekennzeichnet werden oder nicht. Es ist ziemlich sicher, dass dieser Auftritt bei seinen Fans sogar gut ankommt, weil sie finden, dass Trump das doch wieder ziemlich authentisch über die Bühne gebracht hat. Die Sprache, die Emotion, die Chuzpe. Endlich macht's mal jemand anders.

Geschenkt.

Aber Trump ist kein Animateur mehr. Er ist - kaum zu glauben - der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Dass er sich als solcher vor aller Welt der Lächerlichkeit preisgibt, offensichtlichen Unsinn erzählt und damit der Glaubwürdigkeit des Amts schwer schadet, ist nicht nur erstaunlich, sondern sogar aus Trumps eigener Sicht fahrlässig: Will er für seine Agenda jene im Kongress gewinnen, die er für die Umsetzung braucht, sollte er vielleicht langsam mal an die Arbeit gehen, statt sich ständig mit sich selbst zu beschäftigen. Will er wirklich ein großes amerikanisches Zeitalter einläuten, sollte er sich in der Öffentlichkeit nicht als ein Mann präsentieren, der bei den ersten Turbulenzen die Nerven verliert. Und vor allem: Will er die Fragen zu seiner Russland-Connection loswerden, sollte er vermeiden, sich bei dem Thema um Kopf und Kragen zu reden.

Trump kann in den nächsten Jahren gefährlich werden, ja. Aber im Moment muss er eher aufpassen, nicht vollends zur Lachnummer zu werden.


Hier finden Sie eine vollständige Mitschrift der Pressekonferenz  der "New York Times".

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