Trumps erste Woche Der Eskalationskünstler

Donald Trump
Foto: © Jonathan Ernst / Reuters/ REUTERSIm Weißen Haus wohnt Donald Trump erst seit ein paar Tagen, aber seine neuen Regierungstelefone möchte er jetzt schon nicht mehr missen. "Das sind die schönsten Telefone, die ich in meinem ganzen Leben benutzt habe", schwärmte er gerade erst gegenüber einer Reporterin der "New York Times", die am anderen Ende der Leitung saß. "Es ist das sicherste System der Welt. Die Worte explodieren einfach in der Luft." Ganz herrlich.
Trumps gute Stimmung mag nach dieser Woche verwundern. Denn innerhalb kürzester Zeit hat er sein Land in große Unordnung gebracht. Im Außenministerium und anderen Behörden fehlen wichtige Beamte. Trump verbreitet Unwahrheiten über den Wahlausgang. Er schwindelt über die Größe seines Inaugurationspublikums. Die Nationalparks wehren sich gegen seine Klima-Vorstellungen. Das Verhältnis zu Mexiko ist in einer schweren Krise. Nebenbei stichelt Trump gegen Demonstranten, liebäugelt mit neuen Folterpraktiken, schlägt Sicherheitszonen in Syrien vor und schwärmt in Interviews von sich selbst. Es ist das reinste Chaos. Oder?
Man kann es auch anders sehen: Aus Trumps Sicht hat der turbulente Start in seine Amtszeit große Vorteile. Der Milliardär will als Macher in die Geschichte eingehen, als Mann, der - mindestens - ganz Amerika umkrempelt. Und weil er weiß, dass sich der Charakter einer Präsidentschaft häufig bereits am Anfang entscheidet, überschwemmt er das Land mit Vorstößen. Das lässt ihn nicht nur als Präsidenten mit außerordentlicher Macht erscheinen. Je stärker der Schock, den er dem System versetzt, desto mehr wirkt er auch wie ein Mann, der Washington wirklich verändern will. Wer ihn wählte, um in der Hauptstadt die Kultur zu verändern, dürfte begeistert sein.
Regieren per Dekret
Die Möglichkeit, zunächst einmal per Dekret zu regieren, ist für den Populisten in dieser Hinsicht ein großes Geschenk. So sehr Trump diese Praxis im Wahlkampf als Missbrauch an der Verfassung verteufelte, so sehr hat er sich inzwischen mit ihr angefreundet. Rund ein Dutzend Anordnungen hat Trump gleich in der ersten Woche in fernsehgerechter Manier unterzeichnet, zum Freihandel, zur Krankenversicherung, zum Bau der Mauer, zur Abtreibung. Jede einzelne von ihnen erhielt national wie international viel Beachtung. Weil jede den Kontrast zu Obamas Politik sichtbar machte. Und weil die Dekrete symbolisierten, wie kompromisslos Trump vom Start weg zu regieren gedenkt.
Kein Dekret war für Trump so wichtig wie jenes zum Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko. Das Thema hat seine Kandidatur beflügelt, und es trug ihn bis zum Wahlsieg. Es gab viele Amerikaner, die ihn nur wegen dieses Projekts gewählt haben und die wahrscheinlich schon zufrieden wären, wenn die Mauer das einzige Vorhaben seiner Amtszeit bliebe. Trumps Unterschrift soll, wenn man so will, die notarielle Beglaubigung dafür sein, dass er sich an das hält, was er im Wahlkampf versprochen hat. So nationalistisch und lückenhaft der Vorschlag auch ist, so positiv dürfte sich die Ankündigung des Mauerbaus auf das Vertrauen auswirken, das seine Anhänger in seine Politik haben.
Es spricht im Übrigen auch einiges dafür, dass Trump die wütende Reaktion Mexikos sehr gelegen kommt. Jeder Mexikaner, der sich von den Plänen beeindruckt zeigt, lässt sein Vorhaben ein Stück reeller wirken. Auch die Idee einer Importsteuer, die Trump hektisch streuen ließ, nachdem der mexikanische Präsident angekündigt hatte, nicht für die Mauer zahlen zu wollen, passt ins Bild. Je größer die Aufregung, desto stärker verankert sich die Mauer in den Köpfen der Amerikaner und desto mehr wirkt der Milliardär wie ein Mann, der es tatsächlich ernst meint. Mit Trump wird die Eskalation zum Regierungsprinzip.
Die Unruhe will erst mal wieder kontrolliert werden
Ähnlich ist es mit der Idee, die Wiedereinführung der Folter und die mögliche Wiederbelebung amerikanischer Geheimgefängnisse im Anti-Terror-Kampf zu prüfen. Entwürfe von entsprechenden Dekreten landeten bei großen Tageszeitungen. Trump spielte mehrfach öffentlich mit den Vorschlägen. Ob sie jemals zur offiziellen Regierungspolitik werden, ist nicht zuletzt wegen der großen Skepsis im Sicherheitsapparat unklar. Aber das ist auch unerheblich. Dass in Amerika - und weltweit - bereits heftig darüber diskutiert wird, dürfte dem Weißen Haus gelegen kommen. Ohne jede Unterschrift zementiert die Debatte schon Trumps Ruf als sicherheitspolitischer Hardliner.
Wie nachhaltig Trumps Inszenierung der ersten Woche ist, bleibt abzuwarten. Die Zeit der Alleingänge wird bald vorbei sein. Für fast jedes große Projekt wird Trump sich eng mit dem Kongress abstimmen müssen. Das Durcheinander mag ihm bei seinen Anhängern kurzfristig helfen, aber es sorgt auch für Verstimmungen bei den Republikanern und für eine Unruhe, die erst einmal wieder kontrolliert werden will.
Das Hin und Her zu einer möglichen Importsteuer macht deutlich, wie konfus Trumps Leute noch durch den Regierungsalltag gehen. Zudem geht in dem aktuellen Trubel unter, wie unverbindlich und schlecht vorbereitet viele der Dekrete sind. Die Mauer mag noch vergleichsweise konkret umrissen sein. Aber den Rückzug vom transpazifischen Freihandelspakt etwa verkaufte Trumps Team als großen Ausstieg aus Obamas Wirtschaftspolitik - ohne zu erwähnen, dass der Kongress den Pakt längst beerdigt hatte und er wohl auch unter Clinton nicht neu belebt worden wäre. Der Schritt war Symbolpolitik in Reinform.
Bei anderen Anordnungen könnte sich die Geschwindigkeit, mit der Trump sie hat erarbeiten lassen, rächen. Das Dekret zur umstrittenen Wiederbelebung der Keystone-Pipeline zum Beispiel wurde angeblich nicht mit den Rechtsexperten des Außenministeriums besprochen, das sich in einer juristischen Auseinandersetzung mit der Firma befindet, die die Pipeline bauen will. Die Anordnung, mit der der Präsident die Abwicklung von Obamas Krankenversicherung einleitete, bekamen die Experten des Gesundheitsministeriums erst zwei Stunden vor Veröffentlichung zu sehen. Obama, der in seiner Anfangszeit ebenfalls einige Dekrete unterzeichnete, hatte zuvor stets eine sehr kleinteilige Abstimmung mit den zuständigen Behörden gesucht.
Das war klug: Obama wollte tunlichst vermeiden, dass sich seine Anordnungen am Ende als wirkungslose Papiere herausstellen.