Die Suche nach Trumps Außenminister Russisches Roulette

Donald Trump im Footballstadion
Foto: Rob Carr/ AFPSamstagnachmittag, das M&T Bank Stadion in Baltimore: Donald Trump gönnt sich eine Auszeit und besucht das Footballspiel der Army gegen die Navy, den jährlichen Sport-Showdown der US-Streitkräfte. Er verfolgt das Geschehen mit einigen Vertrauten hinter Panzerglas. Als Trump in einer der Pausen auf einer Leinwand gezeigt wird, reckt er die Faust in die Höhe und lacht. Ein Teil des Stadions singt "USA! USA!". Der neue Präsident ist zufrieden.
Sein Auftritt in Baltimore ist Teil eines mal wieder ziemlich abenteuerlichen Wochenendes. Trump steht offenbar kurz davor, seinen Außenminister zu ernennen. Im Hintergrund tobt eine Debatte darüber, wie massiv Russland sich in die US-Wahl eingemischt hat. Und beide Geschichten sind in gewisser Weise miteinander verwoben. Aber der Reihe nach.
Trump ist mitten in der Regierungsbildung, bei der Besetzung des Außenministers tut er sich schwer. Seit Wochen zirkulieren Namen: Mitt Romney, Rudy Giuliani, Bob Corker - allesamt gestandene Republikaner. Aber wie es aussieht, könnte es eine Überraschung geben: Trump, so heißt es, soll zu Rex Tillerson neigen, seines Zeichens Chef des mächtigen Ölkonzerns ExxonMobil.
Ein US-Außenminister mit gutem Draht in den Kreml?
Es wäre eine spektakuläre Wahl. Der 64-Jährige Tillerson hat keinerlei Regierungserfahrung, er wäre ein vollkommener Neuling auf der politischen Bühne. Seit mehr als 40 Jahren ist er in der Ölbranche aktiv. Mit Tillerson würde Trump einem schwerreichen Geschäftsmann einen wichtigen Kabinettsposten anvertrauen. Mal wieder.
Kennt Tillerson die Welt? Sicher. ExxonMobil forscht, bohrt und investiert in rund 70 Ländern. Als Chef eines globalen Konzerns mit einem Umsatz von knapp 300 Milliarden Dollar ist er international bestens vernetzt und bekannt mit etlichen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs.
Besonders zu einem Mächtigen hat Tillerson beste Kontakte: Russlands Präsident Wladimir Putin. Tillerson kennt Putin angeblich schon seit zwei Jahrzehnten, erhielt 2014 von ihm eine Freundschaftsmedaille. Ein US-Außenminister mit einem guten Draht zum Kreml - es ist ein Szenario, das in den USA bislang allenfalls in einer Fernsehserie denkbar war.

Rex Tillerson
Foto: JOSHUA ROBERTS/ REUTERSTillersons Geschäfte in Russland sind ebenfalls pikant. ExxonMobil unterhält mehrere Joint Ventures mit dem Ölgiganten Rosneft. Die Allianz der beiden Unternehmen hat im Zuge der in der Ukrainekrise verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland Schaden genommen. Tillerson hält nichts von den Sanktionen. Als Außenminister könnte er sie aufzuweichen versuchen.
Russland soll bei Trumps Sieg nachgeholfen haben
Kann das gut gehen? Tillerson müsste vom Senat bestätigt werden, und sowohl seine möglichen Interessenkonflikte wie sein persönliches Verhältnis zu Putin könnten zu einem Problem werden. Das dürfte auch Trump ahnen. Will er ihn womöglich nur testen? Oder von einer anderen Geschichte ablenken?
Jedenfalls ist interessant, dass die Personalie just an jenem Tag öffentlich wird, an dem Spekulationen die Runde machen, dass Moskau Trump zum Sieg verholfen haben könnte. Der Verdacht ist nicht neu. Nun aber, so schreiben die "Washington Post" und die "New York Times" , hätten die Dienste "Individuen" mit Verbindungen zum Kreml identifiziert, die die Enthüllungsplattform "Wikileaks" mit sensiblen Dokumenten aus dem Lager von Hillary Clinton versorgten. Die Personen seien Teil einer Operation der russischen Regierung gewesen, die kein geringeres Ziel gehabt hätte, als Donald Trump ins Weiße Haus zu bringen.
Was wie eine wilde Verschwörungstheorie klingt, löst in Washington erhebliche Verunsicherung aus. Während Trump seine Regierung zusammenstellt, wird täglich klarer, wie knapp sein Sieg am 8. November war. Er ist Präsident, obwohl er in absoluten Wählerstimmen gegen Hillary Clinton verloren hat.
Trump versucht, Berichte zu diskreditieren
In dieser Gemengelage ist jeder Hinweis auf russische Einmischung besonders explosiv, weil er die Legitimation Trumps zusätzlich in Frage zu stellen droht. "Russland", sagt der Senator Lindsey Graham, "versucht, Demokratien und demokratische Bewegungen zu zerstören - weltweit". Dafür, so der Republikaner, müsse Moskau einen Preis zahlen". Graham will die Einmischung Moskaus vom Kongress untersuchen lassen.
Es gibt Schwächen in den Berichten. So nennen weder die "Post" noch die "Times" namentliche Quellen. Nähere Angaben zu den enttarnten russischen "Individuen" fehlen ebenfalls. Alarmierend ist allerdings, dass dieselben russischen Stellen, die in die Rechner der demokratischen Partei eingedrungen sein sollen, angeblich auch bei den Republikanern Dokumente abfischten - diese aber zurückhielten.
Zudem sollen führende Kongresspolitiker bereits im September in einer geheimen Sitzung vom Ausmaß der russischen Einmischung erfahren haben. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer im Senat, habe damals jedoch Zweifel an den Erkenntnissen angemeldet und das Weiße Haus davor gewarnt, öffentlich Moskau der Einmischung zu bezichtigen.
Für Trump sind die Berichte unangenehm. Und so versuchte er, sie rasch zu diskreditieren. "Dies sind dieselben Leute, die gesagt haben, Saddam Hussein habe Massenvernichtungswaffen", sagte er in Richtung CIA. Ein erstaunlicher Vorgang. Dass ein Präsident mal eben seinen eigenen Geheimdienst öffentlich bloßstellt, kommt auch nicht alle Tage vor.