Jakob Augstein

US-Präsident vs. FBI Trump und die Russen-Disco

Trump hat Stress mit den Geheimdiensten. Hat er mit den Russen gekungelt? Oder wollen die Dienste einen unliebsamen Präsidenten erledigen? Sicher ist nur: Im Informationskrieg lässt sich Gut und Böse schwer auseinanderhalten.
Foto: © Jim Young / Reuters/ REUTERS

Dieser Blick der Kanzlerin wird lange im Gedächtnis bleiben. Als Donald Trump zu seiner Besucherin Angela Merkel sagte, sie hätten etwas gemeinsam - Barack Obama habe sie beide abhören lassen - da guckte Merkel, als sei Trump nicht ganz dicht. Und das ist ja der Eindruck, den ungefähr die halbe Welt von diesem Präsidenten hat. Trumps Twitter-Behauptung, Obama habe den Trump Tower verwanzt, gilt nur als weiterer Beweis für den Irrsinn des Narziss im Weißen Haus. "Ich habe keine Informationen, die diese Tweets stützen", hat FBI-Chef James Comey vor dem Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses gesagt.

Nach Comeys Auftritt schrieb die "Süddeutsche Zeitung": "Seitdem wissen Amerika und der Rest der Welt zwei Dinge. Erstens: Trump lügt, wenn er behauptet, der frühere Präsident Barack Obama habe ihn abhören lassen. Zweitens: Das FBI hat ehemalige Mitarbeiter und Vertraute von Trump im Verdacht, mit der russischen Regierung gekungelt zu haben, um die Präsidentschaftswahl zugunsten Trumps zu beeinflussen."

Echt? Wissen wir das? Die Selbstgewissheit der Journalisten ist erstaunlich. Denn worauf stützt sich eigentlich der Verdacht gegen Trumps Team? Der frühere Sicherheitsberater Michael Flynn, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und der jetzige Justizminister Jeff Sessions hatten sich nachweislich vor Trumps Amtsantritt mit dem russischen Botschafter getroffen. Na und? Kontakte zu russischen Regierungsvertretern sind nicht nur nicht verboten - sie sind dringend notwendig. Verboten wären nur politische Abmachungen ohne Regierungsauftrag gewesen. Aber wer will solche Abmachungen im Ernst belegen? Außer den allgegenwärtigen US-Diensten natürlich. Die Presse hat über Informationen berichtet, die die US-Dienste über Trumps Russen-Disco gesammelt haben. Über diese Spitzeleien regt sich niemand auf. Im Gegenteil, weil sie sich gegen Trump richten, werden diese Informationen freudig entgegengenommen: Geheimdienst - es kommt drauf an, was man daraus macht!

Nun hat der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, Devin Nunes, erklärt, dass die Geheimdienste "bei zahlreichen Gelegenheiten" Informationen über Leute aus dem Übergangsteam von Donald Trump gesammelt haben. Und auch der FBI-Chef hatte im US-Repräsentantenhaus bestätigt, dass die Ermittlungen seiner Behörde zu einer möglichen russischen Einflussnahme im Wahlkampf "eine Untersuchung aller Verbindungen zwischen Personen aus Trumps Team und der russischen Regierung" einschließe.

Das ist der eigentliche Skandal: Die Dienste schöpfen amerikanische Politiker im Wahlkampf ab und machen nachher mit diesem Material ihrerseits Politik. Es ist eine irre Wendung, dass ausgerechnet das FBI plötzlich als Hüter der Wahrheit erscheinen kann. Kleine Erinnerung: Als noch Wahlkampf war, heizte der FBI-Chef Hillary Clintons E-Mail-Affäre durch öffentliche Äußerungen an. Sie sei "äußerst sorglos" gewesen, sagte der FBI-Chef über die Kandidatin der Demokraten. Das war sicher nicht der Grund für ihre Niederlage - aber geholfen hat die offene Kritik sicher nicht. Und ungewöhnlich war sie obendrein: Warum redet ein Behördenchef überhaupt öffentlich zu einem Verfahren, das im Stadium der Vorermittlungen eingestellt wird?

Kurz darauf, das erfährt jetzt die verblüffte Öffentlichkeit, wurde eine Untersuchung der russischen Kontakte des Trump-Teams eingeleitet. Darüber hat Comey damals kein Wort verloren. Man kann getrost davon ausgehen, dass diese Nachricht die Wahlen mindestens so beeinflusst hätte, wie es Clintons E-Mail-Affäre getan hat. Was für ein Spiel ist das? Das FBI torpediert erst die Kandidatin der Demokraten und demontiert dann den Präsidenten der Republikaner?

Nebenbei: Wie wahrscheinlich ist die Vorstellung, Trump sei NICHT abgehört worden?

Einen gewichtigen Vorwurf muss man Trumps Leuten in der Tat machen: den der Naivität. Offenbar haben sie entweder nicht damit gerechnet, dass die Geheimdienste sie und/oder ihre Gesprächspartner überwachten oder nicht für möglich gehalten, dass die Dienste darüber mit der Presse reden würden. Oder beides. Willkommen in Washington.

Was ist die Wahrheit? Wer in diesem Zusammenhang noch an dieses Wort glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen. Denn wenn es aus der Affäre um Trumps Russen-Disco etwas zu lernen gibt, dann dies: Die Politik wird zum Tollhaus, wenn sie sich in die Hände von Geheimdiensten begibt.

"Der Krieg ist das Gebiet der Ungewissheit" hat Carl von Clausewitz geschrieben. Diese Ungewissheit nennt man den "Nebel des Krieges". Es gibt ihn immer, in allen Kriegen. Aber nirgends ist dieser Nebel so dicht wie im Krieg der Informationen. Und ein solcher Krieg tobt zwischen Russland und Amerika und zwischen Gegnern und Anhängern des neuen amerikanischen Präsidenten. Der Rest der Welt schaut staunend zu. Aber von Gut und Böse bleibt hier nur - grau.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten