Massendemos gegen Trumps Migrationspolitik Amerikas Wut
Donald Trump ließ sich nicht blicken. Während mehr als 250.000 Amerikaner gegen ihn auf die Straße gingen, verkroch sich der Präsident in seinem Golfklub in New Jersey. Rund 200 Protestler flankierten die Zufahrtsstraße, es ist fraglich, ob Trump sie sah.
Darum ging es ihnen aber auch gar nicht. Dass Trump sich von den landesweiten Massendemos gegen seine Migrantenpolitik am Samstag wenig beeindrucken lassen würde, signalisierte er bereits frühmorgens auf Twitter: "Radikale Linke", nannte er sie.
Die Märsche fluteten mehr als 750 Städte - darunter Washington, New York, Los Angeles, Chicago und San Francisco - in allen 50 US-Bundesstaaten. Für die Teilnehmer waren sie ein Ventil, um ihre Wut über die Trennung der Migrantenfamilien auszulassen.

Zugleich dienten sie ihnen als Therapie nach einer traumatischen Woche, in der Trump seine Macht weiter konsolidierte, und als Motivationsschub für die Kongresswahlen im Herbst, bei denen die US-Einwanderungskrise das größte Reizthema werden dürfte.
Denn diese Krise mag hier zwar vorübergehend aus den Schlagzeilen gerutscht sein, doch gelöst ist sie keineswegs. Die Demonstrationen zeigten vielmehr, wie die emotionale Debatte die Parteien hier immer weiter auseinandertreibt: die Republikaner nach rechts, die Demokraten nach links.
"Families Belong Together", lautete das Motto. Familien gehören zusammen. Nach wochenlangen, kleineren Aktionen gegen Trumps "Null-Toleranz"-Grenzpolitik - wegen der bis heute mehr als 2000 Immigrantenkinder ohne ihre Eltern eingesperrt sind - wollten die Organisatoren endlich Druck gegen die US-Regierung machen.
Sie marschierten mit Transparenten, Trommeln und Trompeten, sie sangen, tanzten und skandierten Sprechchöre. Viele trugen weiß, die historische Solidaritätsfarbe sozialer Proteste. Demokraten-Politiker und Hollywoodstars führten die Märsche an.
Bei der zentralen Demo in Washington versammelten sich mehr als 35.000 Menschen am Weißen Haus. In brütender Hitze wanderten sie dann am Trump International Hotel vorbei zum Justizministerium, vor dessen Bronzetür sie Protestschilder stapelten.
Bis zu 75.000 Menschen füllten die Straßen von Los Angeles. Mehr als 50.000 schoben sich durch Chicago. In New York marschierten rund 30.000 über die Brooklyn Bridge. Ein Plakat zeigte Trump mit Hitlerbärtchen. Donna Lieberman, die Chefin der Bürgerrechtsgruppe NYCLA, rief: "Wir werden uns wehren - auf der Straße, vor Gericht und verdammt noch mal an der Wahlurne."
Denn immer noch sind mehr als 2000 Migrantenkinder von ihren Eltern getrennt in Lagern inhaftiert, verstreut über die gesamten USA. Obwohl ein US-Bundesgericht jetzt angeordnet hat, Familien innerhalb von 30 Tagen zusammenzuführen. Aber auch danach will die Regierung die Familien samt Kindern in Haft halten, notfalls monatelang. Wie sich dieser juristische Konflikt lösen lässt, bleibt bis heute unklar.
Immer lautere Kritik formierte sich auch an der Einwanderungs- und Zollpolizei ICE. Protestler nannten sie "Trumps Gestapo". Während der reguläre Grenzschutz für Flüchtlinge und die Familientrennung verantwortlich ist, übernehmen die hochgerüsteten ICE-Beamten die Aufspürung und Deportation mutmaßlich krimineller Immigranten. Dabei kommt es manchmal zu Übergriffen gegen Unschuldige.
Die Probleme sorgen selbst innerhalb der ICE für Unruhe. 19 ICE-Agenten forderten jetzt in einem Brief an ihre Chefin, Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen, die Behörde zu reformieren oder ganz abzuschaffen: Sie wollten sich lieber auf Kriminelle konzentrieren als, wie es unter Trump Tagesordnung wurde, auf undokumentierte Einwanderer.
Auch immer mehr Demokraten fordern inzwischen die Abschaffung der ICE. Darunter die Senatorinnen Kirsten Gillibrand und Kamala Harris, zwei mögliche Aspirantinnen auf die Präsidentschaftskandidatur in 2020. Die ICE müsse ersetzt werden von einer Organisation, "die unsere Moralität reflektiert", sagte Senatorin Elisabeth Warren.
Das ist aber ein politisch riskantes Spiel. Trump schlug sofort zu, um das Thema auf eine platte Gleichung zu reduzieren: Sicherheit - oder Chaos? Die ICE-Beamten, twitterte er, seien "mutige Männer und Frauen", die "die schlimmsten kriminellen Elemente ausrotten" und "ganze Städte" von der Straßengang MS-13 "befreit hätten".
Eine beispiellose Übertreibung: Die MS-13 ist zwar äußerst brutal, aber keineswegs die große nationale Bedrohung, als die Trump sie darstellt, um damit alle Einwanderer zu dämonisieren. Trotzdem legte er in einem Fox-News-Interview nach: "Wenn du die ICE loswirst, wirst du ein Land bekommen, in dem du Angst hast, dein Haus zu verlassen."
Der Kongresswahlkampf hat längst begonnen, und er wird hässlich werden.