Trumps Trip nach London Pomp und Protest

Brexit-Gespräche und Tee mit der Queen: Donald Trump kommt zum Staatsbesuch nach Großbritannien. Es erwarten ihn protokollarische Fallstricke und Massenproteste - schon vorab sät er Zwietracht.
Der US-Präsident und die First Lady Melania gehen an Bord der Air Force One

Der US-Präsident und die First Lady Melania gehen an Bord der Air Force One

Foto: Mandel Ngan/ AFP

Donald Trump ist längst da, bevor er ankommt. Etwa am Kiosk an der Paddington Station, wo er vom grellen Cover des Boulevardblatts "Sun" herabgrinst: "Ich unterstütze Boris." Und auf der "Sunday Times" daneben: "Trump: Holt Farage und macht einen harten Brexit."

Auf dem Weg zum Staatsbesuch trommelt der US-Präsident für die Staatsrabauken: Boris Johnson und Nigel Farage, die härtesten Brexit-Hardliner, die nach dem Erbe von Noch-Premierministerin Theresa May schielen. Denn die will, kurz nachdem Trump sie diese Woche nochmal trifft, die Parteiführung niederlegen und aus Downing Street No. 10 ausziehen.

Die Briten haben also schon genug Chaos. Und nun kommt Trump und heizt das noch kräftig an, bevor er überhaupt gelandet ist. Ganz zu schweigen von seinem anderen, royalen Affront: Ebenfalls in der "Sun" verunglimpft er Meghan Markle, die beliebte US-stämmige Herzogin von Sussex, als "fies", nur weil sie ihn mal kritisiert hat.

Die "Sun" und die "Times", die Trumps Verlegerfreund Rupert Murdoch gehören, liegen überall in London aus. Auch an dem feinen Hotel, wo das Presseteam des Weißen Hauses nächtigt. Dem dienen die krassen Meldungen als Erinnerung, dass dies kein normaler Staatsbesuch ist.

Das personifizierte Ende der Nachkriegsära

Nichts läuft normal, wenn Trump mit seinem Begleittross aus gut tausend Mitarbeitern verreist. Doch seine jüngste Visite, die an diesem Montag beginnt, setzt dem die Krone auf, und nicht nur, weil seine Gastgeberin erstmals die Queen ist. Höhepunkt ist der 75. Jahrestag des D-Days, der alliierten Invasion in der Normandie, aus der die europäischen wie transatlantischen Bande erwuchsen und das "Jahrhundert Amerikas".

Ein Anlass, dem das britische Fernsehen ernste Sondersendungen widmet. Die lauteren Schlagzeilen macht derweil der Mann, der besagte Bande zerschlägt und das Amerika-Jahrhundert begräbt, der EU und Nato härter angeht als Russland. Trump personifiziert das Ende der Nachkriegsära - was sich auch darin offenbart, dass er hier nicht nur von Queen Elizabeth II. empfangen wird, sondern von Massenprotesten.

"Die 'Special Relationship' zwischen den USA und Großbritannien ist dauerhaft", gurrt eine hochrangige Trump-Beraterin zwar unter Hinweis auf die von Winston Churchill geprägte Freundschaftsfloskel. "Selbst zu schwersten Zeiten, wenn es politische Umwälzungen und Unsicherheit geben kann, müssen wir Schulter an Schulter stehen."

Zitate wie Brexit-Streubomben

Doch statt Schulterschluss sucht Trump lieber Spaltung. "Ich glaube, dass Boris tolle Arbeit leisten wird", schwärmt er über Johnson, der Großbritannien notfalls per "hartem" Brexit aus der EU reißen will - zur Freude Trumps, der Bündnisse hasst. Mehr noch, fügt er in üblicher Nabelschau hinzu, möge er Johnson, weil der "sehr positiv zu mir ist".

Die konservativen Murdoch-Organe lancierten diese Zitate strategisch über Tage hinweg, wie Brexit-Streubomben. Schon jubelt die "Sun", dass Trumps "Intervention" zum "kontroversesten Besuch eines amtierenden US-Präsidenten" in Großbritannien führen werde.

Dagegen verblassen die artigen Zeremonien in London und später in Portsmouth, dem Haupthafen der D-Day-Invasion, zu leeren Gesten.

Es beginnt an diesem Montag mit dem Empfang durch die Queen im Garten des Buckingham Palace, samt Ehrenwache und Salutschüssen. Dem folgt der übliche Pomp - voller potenzieller Fallstricke für Trump: Lunch und Teestunde mit der königlichen Familie, Gang durch die opulente Präsentkammer der Queen, Kranzniederlegung in der Westminster Abbey. Abends lädt die Queen zu einem Bankett in den Palast, mit mehr als 150 Gästen.

Blind durchs Protokoll gestolpert

Seit ihrer Krönung hat die Monarchin 112 Staatsgäste bewirtet. Trump - diesmal von fast seiner gesamten Familie begleitet - wird da nicht anders behandelt als alle anderen auch. Und doch: Schon sein erster Besuch wurde 2018 zum kurzen Arbeitstreffen degradiert, nachdem 1,6 Millionen Briten eine Gegenpetition unterzeichnet hatten - und selbst das hinderte ihn nicht daran, blind durchs Protokoll zu stolpern.

Auch diesmal wurde der Terminkalender, nun ja, angepasst. Die Kutschfahrt fällt aus, aus Angst vor Demonstranten. Herzogin Meghan, im Mutterschutz, lässt sich entschuldigen. Etliche Politiker boykottieren das Bankett, darunter Labour-Chef Jeremy Corbyn und Unterhaussprecher John Bercow. Der blockierte auch eine Rede Trumps vor dem Parlament: Dessen "Rassismus und Sexismus" habe dort keinen Platz.

Londoner gegen Trump-Besuch

Der Arbeitsteil des Besuchs tags darauf wirkt wiederum fast zwecklos wegen Mays angekündigtem Abschied. Dabei gibt es Streitthemen genug: Brexit, Handel, China, Iran. Weshalb geraunt wird, dass Trump abseits seines Programms auch Johnson und Farage treffen will. Das Weiße Haus hat das weder bestätigt noch dementiert, lässt also alle Optionen offen.

Größtes Streitthema ist freilich Trump selbst. Während der in Downing Street No. 10 sitzt, wollen Hunderttausende erneut unter dem Motto "Together Against Trump" vom Trafalgar Square aus durch die Straßen marschieren. In einer Umfrage sprachen sich 54 Prozent der Londoner gegen Trumps Besuch aus, und 13 Prozent erklärten, sie würden "wahrscheinlich" auch demonstrieren - gut eine Million Menschen.

"Ich werde in Großbritannien wirklich geliebt", behauptet Trump in der "Sun". "Zumindest liebe ich Großbritannien." Was man von Frankreich, seinem nächsten Stopp, kaum sagen kann: Zum D-Day-Gedenken in der Normandie und einem denkbar kurzen Tête-à-Tête mit Präsident Emmanuel Macron fliegt er am Donnerstag nur für ein paar Stunden von seinem schottischen Golfklub ein - und danach gleich wieder zurück.

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