USA kündigen Iran-Deal Der Wortbruch

Donald Trump
Foto: Ting Shen/ dpaDonald Trump, der melodramatische Showmaster, kam erst nach sieben Minuten zur Sache. "Heute verkünde ich, dass die USA aus dem Iran-Atomabkommen ausscheiden", las der US-Präsident schließlich vom Teleprompter - mit noch mehr Bombast als sonst.
Diese Worte hatte Europa befürchtet, doch sie überraschten keinen mehr. Ein Ausstieg Trumps aus dem Iran-Deal war seit dem Präsidentschaftswahlkampf quasi beschlossen, die Absage an das Abkommen gehörte zu seinen zentralen Versprechen an die Basis. "Wenn ich etwas verspreche", sagte er am Dienstag im Weißen Haus, "halte ich das."
Die Ausnahme natürlich: Wenn ein Wortbruch wie jetzt dem eigenen Nutzen dient. Nach innen hat Trump Wort gehalten, nach außen haben die USA ihr Wort gebrochen.
Dass Trumps bisher folgenschwerste - und womöglich verheerendste - außenpolitische Entscheidung in erster Linie dem Heimpublikum gilt, war immer klar. Das hatte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schon geahnt, nach seiner letzten, ergebnislosen Visite bei Trump: "Er wird den Deal auf eigene Faust loswerden, aus innenpolitischen Gründen." Kurz darauf warb auch Trumps Wahlkampfteam damit - mit dem bekannten Mantra: "Die Amerikaner sind es satt, ausgenutzt zu werden."
Video: Trump verkündet Ausstieg aus Iran-Abkommen
Die geopolitischen Gründe, die Trump in seiner siebenminütigen Einleitung zu dem entscheidenden Satz anführte, waren denn auch falsch, fiktiv oder verzerrt. Der "desaströse" Deal löse einen "nuklearen Rüstungswettlauf im Nahen Osten" aus, Iran bedrohe Amerika mit atomarer Zerstörung, die USA und Europa seien hierbei "vereint". Trumps Argumente - die offenbar direkt aus der Feder seines neuen Hardliner-Sicherheitsberaters John Bolton stammten, der neben ihm stand - waren Fake News.
WAS WILL TRUMP EIGENTLICH?
Wie oft wählt Trump den großen Knall, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern. Dieser kurzsichtige Ansatz schwächt die USA langfristig, könnte ihm aber bei den US-Kongresswahlen im Herbst nutzen, für die er seine Stammwähler mobilisieren muss. Wobei selbst Trump-nahe Republikaner Umfragen zufolge geteilter Meinung sind, ob ein Austritt aus dem Iran-Deal sinnvoll ist. Schon ist die Rede von der "Tipp-Ex-Doktrin": Erst mal alles kaputtmachen, dann sehen wir weiter. Andere Entscheidungen Trumps deuten darauf hin, dass es ihm nicht zuletzt auch darum geht, das Erbe seines Vorgängers Barack Obama zu zerstören - worauf sich letztlich alle seine großen Wahlkampfversprechen reduzieren lassen.
WIRD ES EINEN NEUEN DEAL GEBEN?
Trump sagte, er strebe nicht nur "eine reale, umfassende und dauerhafte Lösung der nuklearen Bedrohung durch Iran" an, sondern eine generelle Zurücksetzung Irans zu einer Art machtlosen Regionalmacht. Neue Verhandlungen sollen nach Angaben seines Sicherheitsberaters John Bolton bereits am Mittwoch beginnen. Doch einen Plan B zum Iran-Deal - der nach Ansicht vieler Experten zwar mangelhaft, doch wirksam ist - hat die US-Regierung nicht. Ein neuer Deal ist auch aus anderem Grund unwahrscheinlich. Alle Partner, inklusive Teheran, dürften abgeneigt sein, sich erneut in jahrelange Verhandlungen zu stürzen, wenn sie in einem Wortbruch durch die USA münden. Eine Flankierung des Rumpf-Deals - so er ohne die USA weiterbestehen kann - durch "Zusatzabkommen", wie es Macron avisierte, wäre eine diplomatische Meisterleistung: Die Koalition, die den ursprünglichen Deal zustande brachte, ist längst zerbrochen, und nicht nur auf transatlantischer Ebene.
KOMMEN NUN SCHÄRFERE SANKTIONEN?
Trump hat neue, "machtvolle Sanktionen" gegen Iran angekündigt. "Das ist sein Drehbuch", sagte sein Ex-Berater Anthony Scaramucci im TV-Sender MSNBC. Doch sind es nur dieselben, alten Sanktionen, die vor dem Deal bestanden, und einseitig dürften sie nun wenig erreichen, wenn sich die Europäer und die Uno nicht daran beteiligen - und das steht nicht in Aussicht. Die früheren Sanktionen waren nur erfolgreich, weil sie kollektiv waren, doch nun hat Trump die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der USA verspielt, um wieder eine gemeinsame Linie zu finden. Trotzdem könnte Trumps Entscheidung die Isolation Irans verstärken. Auch bisher weigerten sich europäische Großbanken schon, Projekte in Iran zu finanzieren, aus Angst vor US-Strafmaßnahmen.
WIE GEHT ES WEITER?
Die Zeichen stehen nicht gut. Den Rat der Alliierten - Deutschland, Frankreich, Großbritannien - ignorierte Trump, obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel und Emmanuel Macron persönlich nach Washington pilgerten. Auch die eigenen, moderaten Berater, die ihm von einem Ausstieg abgeraten hatten (Rex Tillerson, H.R. McMaster), hatten keine Chance: Trump feuerte sie und ersetzte sie durch Trumpisten (Mike Pompeo, John Bolton), die seinem Ego-Trip nicht mehr im Wege stehen, da er in ihre Ideologie passt. Sie geben nun im Weißen Haus den Ton an - koste es, was es wolle.
Wie es weitergeht, erschließt sich womöglich auch aus der Vergangenheit. Mit ähnlichen Argumenten, wie sie Trump nun vortrug, trommelte John Bolton schon vor 15 Jahren für eine ganz andere außenpolitische Entscheidung eines anderen US-Präsidenten, die sich als verhängnisvoll entpuppte - die Invasion im Irak. Maßgebend war damals übrigens auch der jetzige israelische Premier Benjamin Netanyahu, der sich nun erneut erfolgreich engagierte, indem er einen von plumpen Grafiken begleiteten Vortrag gegen Iran hielt. Die Ausführungen enthielten wenig Neues, dabei war klar, wem sie galten: dem lese-aversen Trump.
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