Amerika-Serie Der Vollstrecker

Joe Arpaio verehrt Donald Trump und wird von Donald Trump verehrt, weil er Amerikas härtester Sheriff war: Er sammelte Migranten auf der Straße ein und warf sie ins Gefängnis. Jetzt will Sheriff Joe Senator werden.
Joe Arpaio

Joe Arpaio

Foto: Ross Franklin/ AP

Die Bedeutung der Entfernungen in diesem Land, die Wirkung von unterschiedlichen Zeitzonen, Dialekten, Lebensweisen kann vermutlich nur verstehen, wer hier unterwegs ist. El Paso ist von Washington, D.C. so weit entfernt wie Chisinau (Moldawien) von Dortmund. Wer weiß in Dortmund, was in Chisinau passiert?

Eine Reise durch Amerika, das ist Jim Bean, der tatsächlich so heißt, in New Orleans. Bean ist schwarzer Bassist und sagte mir: "Dieses Land ist auf Völkermord erbaut worden, dieses Land ist die reine Aggression. Die ganze Geschichte dieses verdammten Landes führt dazu, dass jeder Schwarze, der hier geboren wird, automatisch benachteiligt ist und jeder Weiße privilegiert. Du hast ja keine verdammte Ahnung, weißer Mann, was das eigentlich bedeutet, in diesem Land schwarz zu sein."

Eine Reise durch Amerika, das ist Loretta in Austin, Texas, die sagt: "Schwule: erschießen. Nigger: erschießen. Mexikaner: Drogendealer, Diebe, also erschießen. Mindestens einsperren. Wir brauchen einen Aufräumer, einen, der dafür sorgt, dass wir wieder respektiert werden."

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Und nun sitzt vor mir ein Mann, der in New York ausgelacht oder mindestens gehasst wird, denn was für eine absurde Provinzfigur ist dieser Kerl von der Ostküste aus betrachtet; doch hier in Arizona nimmt man ihn ernst, und wie auch nicht? Der Mann war jahrzehntelang Sheriff, er hatte viel Macht, und er übte sie aus ohne jedes Mitleid.

"Hi", hat er gesagt, "I'm Sheriff Joe."

Braune Augen, graue Haare, Knubbelnase, Seitenscheitel. Ein braunes Hemd, ein blauer Pullunder. Hinter Sheriff Joe stehen zwei amerikanische Flaggen, an der Wand hängen viele Fotos; Joe Arpaio mit Donald Trump, dieses Bild hängt im Zentrum. Daneben ein Schild: "I do it my way."

Joe Arpaio wurde zu einem berühmten Amerikaner, weil er sich als härtester Sheriff des gesamten Kontinents inszenierte. Er fragte nicht, er sperrte ein, am liebsten Migranten aller Art. Es war tatsächlich so: Arpaio fuhr Streife, sah Mexikaner am Straßenrand, stellte keine Fragen, legte den Mexikanern Handschellen an, brachte sie ins Gefängnis. Ohne Verdacht, ohne Anklage. Mexikaner halt. Und im Gefängnis mussten die Migranten rosa Wäsche tragen, und Pornoheftchen waren verboten, und es gab nichts zu trinken.

Er trägt einen Colt, natürlich.

Es dauerte Jahrzehnte, bis Sheriff Arpaio endlich aus dem Amt entfernt wurde. Angezeigt, angeklagt, verurteilt zu sechs Monaten durch einen Bundesrichter, der sagte, Arpaio habe Latinos nur aufgrund ihrer Herkunft verhaftet. In all den Jahren zuvor war er immer nur wiedergewählt worden von all den Weißen, die ihren Rassismus damit höchstselbst für legitimiert erklären konnten.

Dann aber dauerte es nur wenige Wochen, bis Arpaio begnadigt wurde von Donald Trump. Ausgerechnet. Was für eine Botschaft auch dies. Denn es ist keine Frage, dass dieser Kerl das Recht nicht durchgesetzt, sondern gebrochen hat.

Joe Arpaio, Sohn zweier Einwanderer aus Neapel, begann seine Polizeikarriere 1954 in der Hauptstadt Washington, Drogendelikte wurden seine Spezialität. 1991 kandidierte er erstmals hier als Sheriff von Maricopa County und gewann. Ein Vierteljahrhundert lang regierte er und schickte mehr und mehr Cops an die Grenze zu Mexiko. Wie Donald Trump sagte er, dass Barack Obama nicht in den USA geboren sei. Trump sei ein "großer Patriot", sagte Arpaio im Wahlkampf.

"Word's Finest Police Officer" steht auf einer Medaille an der Wand. Zeitungstexte aus Irland, Frankreich, Spanien, Deutschland hängen da. "Das Problem ist Mexiko", sagt Arpaio, "dieses Mexiko ist verrottet und kriminell. 30.000 Menschen sind in den vergangenen Jahren ermordet worden. Wenn wir sie nicht stoppen, kommen die Mörder zu uns. Ich würde das Militär nach Mexiko schicken."

Und wenn er dann ins Erzählen kommt, ist er immer noch stolz auf all die Heldentaten. Den Frauen, den Mexikanerinnen, legte er schwere Eisenketten an die Füße, wie im 18. Jahrhundert im Straflager. 1993 ließ er für die sogenannten illegalen Immigranten Gefängniszelte aufstellen, darin wurde es 45 bis 50 Grad heiß. "Die Menschen hier mochten das: die Ketten, die Saunazelte, das Pornoverbot. Für eine Wiederwahl brauchte ich 200.000 Dollar, aber durch Spenden kamen fünf Millionen herein.

Klar, dass die hispanische Gemeinde mich nicht mochte: Wir haben ja 50.000 Menschen verhaftet. Aber wir haben Verbrechen verhindert, viele, viele Verbrechen."

Zwei Absätze brauchte das Weiße Haus für die Begründung der Begnadigung. Joe Arpaio habe dem Land "jahrelang auf bewundernswerte Weise gedient". Und Trump twitterte: "An American patriot. He kept America safe!"

Und was in solch einen Text über Joe Arpaio auch noch hineingehört: Arpaio, der bald auf die neunzig zugeht, will Senator werden, er hat seine Kandidatur angekündigt. Und er ist ein freundlicher Mann. Er fragt, ob ich in seinem Gästezimmer übernachten möchte. Ob ich schon gegessen habe. Ob ich als Andenken eine rosa Unterhose aus seinem Knast mitnehmen möchte.

Und dann: "Dies ist ein wunderschönes Land. Safe travels, Klaus from Germany."

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