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Mexiko nach der Wahl: Angst vor Trump, der Mauer, den Steuern

Foto: JOSE LUIS GONZALEZ/ REUTERS

Mexiko und die Regierung Trump Böser neuer Nachbar

Mexiko schwankt zwischen "was soll werden" und "wird schon werden". Das Land ist wie kein anderes von den USA abhängig - und nach der Wahl Donald Trumps zutiefst verstört.

Die Tage nach dem perfekten Sturm sind in Mexiko-Stadt grau, verhangen und kalt. Immer wieder fällt dichter Regen, außergewöhnlich für die Jahreszeit. "Auch die Götter sind entsetzt", sagt Ignacio Martínez, der an einer Straßenecke süßen Kaffee verkauft. "Was jetzt kommt, wird furchtbar", sagt er und reibt Zeigefinger und Daumen aneinander. "Hier wird es uns wehtun".

Im Portemonnaie haben die Mexikaner den Wahlsieg von Donald Trump schon gespürt, da stand er noch gar nicht fest. Der Republikaner war am Dienstagabend gerade in Ohio und Florida in Führung gegangen, da stürzte der Peso schon auf historische Tiefstände und kündete davon, was Trump im Weißen Haus für den Nachbarn und engen Partner bedeuten kann: Währungsturbulenzen, Annullierung oder Neuverhandlung der Nordamerikanischen Freihandelszone, Besteuerung oder Blockade der Auslandsüberweisungen, Deportation von Millionen Mexikanern ohne Papiere.

Mit anderen Worten: den ökonomischen und sozialen Kollaps.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas erwarte ein "Hurrikan der Kategorie 5" hatte Zentralbankpräsident Agustín Carstens vor der Wahl noch gesagt. Er könnte recht behalten. Der südliche Nachbar der USA wird am schnellsten und härtesten die Konsequenzen des 8. November 2016 zu spüren bekommen.

Aber so richtig scheint die schlechte Nachricht aus dem Norden noch gar nicht in Mexiko angekommen. Am Mittwoch herrschte bei den Menschen mehr Ungläubigkeit als Entsetzen. "Das wird krass, wenn er wahr macht, was er versprochen hat", sagt ein Zeitungsverkäufer. "Aber erst mal abwarten."

Ein großes Problem mehr

Bis zum Dienstagabend war Trump für viele Mexikaner vor allem ein Pöbler, eine ferne Bedrohung, ein Albtraum. Aber eben nicht mehr als das. Die Bevölkerung war vor allem sauer auf ihren Staatschef Enrique Peña Nieto, der Trump trotz dessen Verunglimpfungen Ende August nach Mexiko eingeladen hatte, ohne dass sich Trump für seine Ausfälle entschuldigte. Peña Nieto erntete dafür heftige Kritik, seine Popularität sank ähnlich wie der Peso auf historische Tiefstände.

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Nach dem Ergebnis der US-Wahl brauchte der Präsident rund 18 Stunden, um sich zu sammeln. "Ich gratuliere den US-Bürgern für ihren Wahlprozess und erneuere an Donald Trump die Bereitschaft der Zusammenarbeit in bilateralen Themen", schrieb Peña Nieto noch am Morgen ungelenk auf seinem Twitter-Account. Am Nachmittag dann der Anruf bei Trump, die Glückwünsche und vor allem das Versprechen an seine Landsleute, sich mit "Herz und Seele für die Interessen der Mexikaner einzusetzen, wo auch immer sie sich befinden."

Das dürfte vor allem an diejenigen in den USA gerichtet gewesen sein. 34 Millionen Mexikaner und US-Mexikaner leben jenseits des Rio Bravo. Elf Millionen besitzen nicht die erforderliche Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis. Ihnen hat Trump mit Abschiebung in die Heimat gedroht. Sollte er Ernst machen, hat Mexiko ein großes Problem mehr.

Mexikanischer Präsident Peña Nieto

Mexikanischer Präsident Peña Nieto

Foto: Rebecca Blackwell/ AP

Denn schon jetzt arbeitet ein beträchtlicher Teil der ökonomisch aktiven Bevölkerung im informellen Sektor oder ist unterbeschäftigt. Wer in Mexiko kein Lohn und Brot findet, sucht es gewöhnlich in den USA. Es ist eine Art Export des sozialen Problems. Wenn diese Mexikaner nun zurückgeschickt werden, sind soziale Spannungen die Folge. Und die Heere der organisierten Kriminalität bekämen neue Rekruten.

"Russisches Roulette" für Mexiko

Eine ähnliche Wirkung hätten Besteuerung und Blockade der "Remesas", der Auslandsüberweisungen. 56 Milliarden Dollar schicken Orangenpflücker, Tellerwäscher und Haushaltshilfen jedes Jahr an die Angehörigen in den armen Regionen Mexikos. In Staaten wie Oaxaca, Guerrero und Chiapas sind die "Remesas" oft Überlebenshilfe und verhindern, dass noch mehr Mexikaner in die extreme Armut abrutschen. Wenn das Geld ausbleibt oder zusammengestrichen wird, steigt die Armut und in der Folge der ökonomische und soziale Druck.

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Mit dem Geld, das Trump einbehalten will, soll die berüchtigte Mauer finanziert werden, mit der er die Migration stoppen will. Mexikos Außenministerin Claudia Ruiz Massieu sah sich am Mittwoch tatsächlich bemüßigt, sich dazu zu äußern. "Dies übersteigt unsere Vorstellungskraft", sagte sie im mexikanischen Fernsehnen. Dabei ist Trumps Mauer-Idee vor allem ein politischer Marketinggag. Die 3124 Kilometer lange US-mexikanische Grenze zwischen Pazifik und Golf von Mexiko ist an vielen Stellen schon so gesichert wie es früher die innerdeutsche Grenze war. Städte wie Tijuana, Ciudad Juárez, Laredo und Matamoros gleichen Hochsicherheitstrakten. Dazwischen sind Wüste, Fluss und hohe Blechwände. Wozu braucht es dazu noch eine Mauer?

Auch die Drohung Trumps, das Freihandelsabkommen NAFTA zu annullieren oder neu zu verhandeln, ist in erster Linie Angstmache, verfehlt aber nicht seine Wirkung. 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen praktisch zollfrei in die USA. Die NAFTA ist die Lebensader Mexikos. Vergangenes Jahr lieferte Mexiko Waren und Dienstleistungen im Wert von über 316 Milliarden Dollar in die USA. 35 Prozent der Arbeitsplätze in Mexiko hängen direkt am Außenhandel.

Da kann man sich gut vorstellen, was etwa Zölle oder ein Abzug von US-Unternehmen aus Mexiko für das Land bedeuten würden. Aber auch hier gilt: Es muss sich zeigen, ob der Präsident Trump umsetzt, was der Kandidat Trump angedroht hat. Und die NAFTA neu zu verhandeln, geht nicht ohne den Kongress. "Ab März wird es ernst", vermutet José María Ramos von der Hochschule "Colegio de la Frontera Norte" in Tijuana. "Viele Ankündigungen kann er nicht komplett umsetzen oder sind schlicht nicht zu finanzieren ".

Trumps Sieg sei eine "Nicht-Naturkatastrophe mit viel längeren und verheerenden Auswirkungen", schreibt der Autor Jorge Zepeda Patterson.

Die Unberechenbarkeit des künftigen Staatschefs bedeute für Mexiko "russisches Roulette".

Alle Entwicklungen in unserem Newsblog.


Zusammengefasst: In Mexiko blickt man mit Unglaube auf das, was sich da beim Nachbarn im Norden abspielt. Wie wird ein Präsident Trump agieren? Wenn er auch nur einen Teil seiner Ankündigungen wahr macht (Mauerbau, Steuern, Abschiebung), kommen auf Mexiko harte Zeiten zu. Befürchtet werden soziale Verschiebungen und Krisen, gerade in den ärmsten Teilen des Landes.

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