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USA: So sieht es in Trumps Kinderlagern aus

Foto: JOHN MOORE/ AFP

US-Republikaner und Migrantenkinder Eine Frage des Gewissens

Die Krise um Migrantenkinder im Süden der USA spitzt sich zu: Jetzt wollen selbst entsetzte Republikaner die Familientrennungen an der Grenze zu Mexiko beenden. Doch Präsident Trump gibt sich kompromisslos.

Jeff Sessions ist ein frommer Mann. Der US-Justizminister geht in die Kirche, unterrichtet an der Sonntagsschule und zitiert gerne die Bibel. Zu Hause in Mobile, Alabama, ist er das prominenteste Mitglied der Ashland Place United Methodist Church. Das Motto der Gemeinde: "Offene Herzen, offene Seelen, offene Türen."

Und genau deshalb hat es sich Sessions jetzt mit ihnen verscherzt. Weil er die brutale Trennung von Einwandererfamilien mit der Bibel rechtfertigte, klagten ihn am Dienstag 604 führende Methodisten-Pastoren an, gegen die Kirchendoktrin verstoßen  zu haben: Sessions' Grenzpolitik sei "Kindesmisshandlung" und "Unsittlichkeit". Sie mahnten ihn zur Umkehr - ansonsten könnte er notfalls ausgeschlossen werden.

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Das dürfte Sessions' geringstes Problem sein. Doch die Reaktion seiner Kirche zeigt, dass die Debatte über die Migrantenkinder, die an der US-Südgrenze fernab ihrer Eltern zu Tausenden in Lager gesteckt werden, eskaliert. Inzwischen handelt es sich nicht nur um eine beispiellose humanitäre Krise - sondern auch um eine handfeste politische Krise für US-Präsident Donald Trump und seine Republikaner.

Trump bequemte sich am Dienstag für eine Stunde zwar persönlich ins US-Kapitol, um seine Fraktion auf eine Einwanderungsreform einzuschwören. Doch erneut setzte er die Kinder als Polit-Geiseln ein: Ihr Schicksal lasse sich nur mit einem umfassenden Gesetz lösen, das auch den Bau seiner Mauer zu Mexiko finanziere.

Paul Ryan und Donald Trump auf dem Capitol Hill

Paul Ryan und Donald Trump auf dem Capitol Hill

Foto: J. Scott Applewhite/ dpa

Das stimmt natürlich nicht, obwohl Trump das seit Tagen wiederholt: Er könnte die von Sessions angeordnete Praxis der Familientrennung "mit einem Anruf beenden", sagte der republikanische Senator Lindsey Graham. Und langsam merken auch Grahams Kollegen, dass sie Trumps zynisches Spiel nicht länger mitspielen können.

Bisher hatten sie ja meist zu ihm gehalten, egal, wie skrupellos seine Politik auch war. Doch die Trennung von Familien, die Bilder von Kindern in Käfigen, die Tonaufnahmen weinender Babys: Solche Konsequenzen lassen sich kaum mehr vertreten.

Dabei arbeiten die Republikaner seit Monaten an zwei parallelen Gesetzentwürfen. Diese sollen das Problem der illegalen Einwanderer endlich in den Griff bekommen, sollen deren Kinder - die Dreamer - vor Deportation schützen und sollen zugleich Trumps Fantasie einer Grenzmauer zumindest nominell befriedigen.

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Dann platzte die von Trump als Druckmittel inszenierte Krise um die Kinder an der US-Grenze zu Mexiko dazwischen.

Denn die macht das politische Gerangel nun zu einer Frage des Gewissens - zumal bei den Midterm-Wahlen im Herbst viele Republikaner um ihre Posten kämpfen. Also verfassten sie jetzt panisch einen schnellen, separaten Gesetzentwurf, wonach Eltern und Kinder die Einwanderungsprozeduren gemeinsam durchlaufen könnten. "Alle Mitglieder der Republikanerfraktion sind für den Zusammenhalt von Familien", beteuerte Mitch McConnell, der Mehrheitsführer im Senat, vor TV-Kameras.

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Doch Trump weigert sich, Kompromisse zu machen. Im Gegenteil: Am Dienstag polterte er in einer Rede, illegale Einwanderer seien allesamt Kriminelle und wollten nur "unser Land verseuchen". Es war die Sprache eines Autokraten, der eine ungewollte Bevölkerungsgruppe zu entmenschlichen versucht.

Ob Trump uninformiert ist oder absichtlich lügt, ist wie immer unklar. Aus dem Weißen Haus heißt es jedenfalls, er vertraue seinem TV-Haussender Fox News: Die Kinder, tönte eine Kommentatorin dort, wohnten doch in "Ferienlagern". Trumps Tochter Ivanka soll ihm inzwischen zwar die Realität besser erläutert haben - doch er bleibt stur.

Der Widerstand wächst aber auch jenseits von Washington. In aktuellen Umfragen lehnen zwei Drittel der Amerikaner die Familientrennung ab. Acht US-Bundesstaaten verweigerten aus diesem Grund jetzt auch den Einsatz ihrer Nationalgardisten, die sie auf Wunsch Trumps an die Grenze entsandt hatten. Für den 30. Juni haben mehrere Gruppen zu Massenprotesten in Washington und Dutzenden weiteren US-Städten aufgerufen. "Familien gehören zusammen!", heißt es in der Petition, die bis zum Abend schon mehr als 80.000 Menschen unterschrieben haben.

Bis zu den Massenprotesten könnte sich die Krise allerdings nur weiter zuspitzen. Nach jüngsten US-Angaben wurden vom 5. Mai bis 9. Juni insgesamt 2342 Migrantenkinder von ihren Eltern getrennt - fast 67 pro Tag.

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