Sicherheitsdebatte Trumps Traum vom Polizeistaat

Flughafenpolizei am 4.2.2017 in Los Angeles
Foto: KYLE GRILLOT/ AFPAm liebsten inszeniert Donald Trump seine Dekrete als große TV-Show. Oval Office, Claqueure, Kameras: Seit seinem Amtsantritt unterzeichnet der US-Präsident fast täglich live Erlasse - darunter das Einreiseverbot, über das heftig diskutiert wird.
Im Wirbel um dessen gerichtliche Ablehnung am Donnerstag gingen die drei jüngsten, nur Stunden zuvor signierten Dekrete unter. Auch standen sie nicht, wie sonst, auf Trumps Terminplan. Er unterschrieb sie flink im Oval Office, unmittelbar nachdem er seinen neuen Justizminister Jeff Sessions vereidigt hatte. "Sehr wichtig", murmelte er anschließend, "alle sehr wichtig."
Wie wichtig, das zeigte sich erst später, als das Weiße Haus die kompletten Dokumente veröffentlichte. Die insgesamt sieben Seiten ordnen unter anderem zentralisierte Maßnahmen an, um "Gewalt gegen Polizisten zu verhindern", und setzen einen "Arbeitsstab für Kriminalitätsrückgang und innere Sicherheit" ein.
Hinter diesen Worten verbergen sich die ersten Schritte zur Errichtung eines erhofften Polizeistaats, zu Lasten von Minderheiten - und Trump-Kritikern.
Mit den jüngsten "executive orders" ordnet Trump an, Gesetze und auch Strafen notfalls zu verschärfen, um die angeblich ausufernde US-Kriminalität - ein Codewort für "Schwarze" - zu senken und "den Schutz und die Sicherheit" von Polizisten zu garantieren. Darunter würde zum Beispiel als Anlass auch der Widerstand bei Demonstrationen zählen. Die Methodik der Kriminalitätsstatistiken steht ebenfalls zur Disposition. Einer der Erlasse widmet sich der Bekämpfung von "Gangs" und "Drogenkartellen" - mit Formulierungen, die weit ausgelegt werden können, national wie international.
"Gewalt gegen Polizisten vermeiden", ist der Top-Erlass betitelt. Kein Wort von den Gewalttaten meist weißer Polizisten gegen Schwarze und andere Minderheiten.
Bürgerrechtler sind alarmiert. "Präsident Trump will nicht existierende Trends erforschen und stoppen", kritisiert der Jurist Jeffery Robinson von American Civil Liberties Union (ACLU). "Die nationale Verbrechensrate ist auf einem historischen Tiefstand, und die Morde an Polizisten haben seit den Achtzigerjahren konstant abgenommen. Der Präsident ignoriert diese Fakten nicht nur, er ignoriert auch die allzu realen, von Polizisten verursachten Todesfälle von Schwarzen und Latinos."
Noch mehr Macht für die Polizisten
Auch angesichts früherer Aussagen Trumps machen diese Erlasse politisch nur einen Sinn: Sie sollen Amerikas jetzt schon aufgerüstete Polizei mit noch mehr Macht ausstatten und zugleich die, die oft auf der anderen Seite stehen, schwächen - Afroamerikaner, Minderheiten, Justizopfer, Demonstranten, Protestierende, Widerständler.
Trump zeichnete diese Law-and-Order-Marschrichtung schon im Wahlkampf vor - und spätestens mit seiner apokalyptischen Antrittsrede. Vom "amerikanischen Gemetzel" redete er da, von kriegsähnlich zerstörten "Innenstädten". Dieses Schreckensszenario hat er seither immer wieder beschworen. Auch als er die Dekrete abzeichnete: "Wir stehen vor der Plage steigender Kriminalität."
Mit der Realität hat das wenig zu tun. Zwar steigt die Zahl der Morde neuerdings landesweit wieder an, liegt aber weiter unter der von 2009. Auch die gesamten Verbrechensraten sind so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht. Trotzdem behauptete Trump auch diese Woche wieder: "Die Mordrate in unserem Land ist so hoch wie seit 47 Jahren nicht mehr." Sein Lieblingsbeispiel dafür ist Chicago, die Heimatstadt seines Vorgängers Barack Obama. Dort sei das "Abschlachten" so schlimm, dass er neulich indirekt damit drohte, die Nationalgarde zu entsenden.
In der Tat leidet Chicago unter einer Mordwelle, die vor allem arme Schwarze trifft. Trump verbreitet aber den Eindruck, als sei die Polizei bedroht: Es sei "eine Schande, was unseren großartigen, wahrhaft großartigen Beamten" zustoße. Dass voriges Jahr landesweit fast 1000 Amerikaner von Polizisten erschossen wurden, lässt er völlig unerwähnt - und das ausgerechnet im Februar, in dem traditionell der Black History Month gefeiert wird.
Trump weiß: Er teilt diese Kriminalitätsfantasien mit vielen weißen Anhängern auf dem Lande, für die die Städte Todesfallen sind und die meisten Verbrecher schwarz. Er nutzt das aus, um seinen eigenen Traum vom starken, weißen Staat zu realisieren. "Eine neue Ära der Justiz beginnt", sagte er, "und sie beginnt jetzt".
Diesen Traum hat Trump schon lange. Als 1990 in New York fünf junge Schwarze wegen Vergewaltigung einer Joggerin zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, forderte er in einer Anzeige ihre Hinrichtung - und obwohl sich die Männer später als unschuldig herausstellten und freigelassen wurden, hielt er weiter daran fest.
Trumps rechte Hand bei seinem Vorhaben ist der neue Justizminister Sessions, dessen Nominierung die Republikaner nach bitteren Senatsdebatten gegen die demokratische Minderheit durchboxten. Dem Südstaatler war wegen rassistischer Äußerungen einst ein Richteramt verwehrt worden. Die Senatorin Elizabeth Warren wollte diese Woche im Plenum einen Protestbrief von Coretta Scott King, der Witwe Martin Luther Kings, gegen Sessions verlesen - und wurde dafür von der konservativen Mehrheit gemaßregelt.
"Wir haben ein Kriminalitätsproblem", behauptete auch Sessions bei seiner Vereidigung. "Wir müssen diese Gesetzlosigkeit, die das amerikanische Volk bedroht, beenden."