Merkel und Trump auf G7-Gipfel Das Bild, das bleibt
Es geht in der Politik selten nur um Inhalte. Es geht auch um Bilder. Zwei Staatschefs können sich stundenlang anlächeln. Wenn nach ihrem Treffen ein Schnappschuss um die Welt geht, in dem einer die Stirn runzelt und der andere zufällig gähnt, sind alle Mühen, Harmonie und gegenseitiges Interesse zu demonstrieren, dahin.
So ist es auch mit dem G7-Gipfel, der am Samstag zu Ende ging. Fotografen schossen Tausende Fotos von dem zweitägigen Treffen. Sie zeigen die Staats- und Regierungschefs auf grünen Wiesen, an ovalen Tischen, während sie gestikulieren, lachen, die Fäuste ballen, die Münder missmutig verziehen.
Ein Foto ging als eindeutiger Sieger aus dem Wettschießen hervor. Es ist ein offizielles Pressebild, aufgenommen vom preisgekrönten Fotografen Jesco Denzel, der für die Bundesregierung arbeitet, getwittert von Merkels Sprecher Steffen Seibert. Ein klarer PR-Sieg für Deutschland, also.
Zweiter Tag des #G7-Gipfels in Kanada: Beratungen am Rande der offiziellen Tagesordnung #G7Charlevoix pic.twitter.com/5GiGF6zTHr
— Steffen Seibert (@RegSprecherStS) June 9, 2018
Das Foto zeigt die G7-Teilnehmer, wie sie um einen Tisch stehen. Im Mittelpunkt stützt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit beiden Händen auf die Tischplatte, beugt sich nach vorn, fixiert Trump. Der sitzt als Einziger, die Arme verschränkt, die Schultern hochgezogen, und schaut an der Kanzlerin vorbei zu Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.

Bilder aus Kanada: Gipfel mit Nebenwirkungen
Das Bild wurde in der internationalen Presse und in den sozialen Netzwerken schnell zum Renner, unter anderem die "Washington Post" und die "Huffington Post" widmeten ihm eigene Artikel. Wohl auch, weil es so viel Raum für Interpretation lässt.
"Verärgert? Gelangweilt? Amüsiert?", fragte die Autorin des Artikels in der "Washington Post" . Alle drei Gefühlsregungen seien im Gesicht des US-Präsidenten plausibel zu lesen. Auf Twitter entspann sich eine kontroverse Diskussion darüber, wie das Bild zu bewerten ist - und warum Trump nicht steht.
"Weil er der Boss ist", schrieb eine Nutzerin. "Ich denke, er sollte sich darüber sorgen, dass er schwach und alt wirken könnte", entgegnete eine andere. Trump habe ein "hochmütiges Grinsen" im Gesicht, weil er kein Wort verstehe von dem, was eine intelligente Frau von sich gebe, schrieb jemand, der sich auf Twitter als Mitglied der britischen Labour Party ausgibt.
Die Politik- und Sprachforscherin Elizabeth Wehling von der University of California, Berkeley, sieht das Bild hingegen als Punktsieg für Trump. Denn der etabliere seine Autorität, indem er sitze.
1:0 für den US-Präsidenten! Sitzen während andere Anwesende stehen ist eine klassische Strategie des gestischen Framings, situativ die eigene Autorität zu etablieren & über Bilder zu propagieren — und das global medial wirksam, da jenseits aller Sprachbarrieren. #VisualFraming https://t.co/cqlPHgIl9y
— Elisabeth Wehling (@E_Wehling) June 9, 2018
Und so verrät die Auswahl und Wirkung des Fotos mindestens ebenso viel über die Haltung seiner Betrachter und über die gesellschaftliche Stimmung, wie über die Gemütslage der abgebildeten Spitzenpolitiker.
Es gibt weitere Fotos von derselben Szene, kurz nacheinander herausgegeben von anderen Gipfelteilnehmern. Jedes Bild erzählt eine andere Geschichte.
One scene - four different perspectives #G7
— Fabian Reinbold (@fabreinbold) June 9, 2018
1) by Merkel‘s team 🇩🇪
2) by Macron’s team 🇫🇷
3) by Conte’s team 🇮🇹
4) by Trump’s team 🇺🇸 pic.twitter.com/q3qaSfaiQS
Paris veröffentlichte seine Perspektive: Präsident Macron steht im Zentrum und redet auf Trump ein. Die Bundeskanzlerin ist auf diesem Foto halb verdeckt. Auch die Italiener brachten ein Bild in Umlauf: Ministerpräsident Giuseppe Conte, der auf das Verhandlungspapier schaut. Das Foto der US-Regierung zeigt einen engagiert redenden Trump, umringt von teilweise lachenden Amtskollegen.
Den Wettbewerb ums symbolhafteste Foto gewann 2015, als sich die G7-Chefs in Garmisch Partenkirchen trafen, übrigens eine ganz andere Optik:

Angela Merkel und Barack Obama in Garmisch-Partenkirchen
Foto: MICHAEL KAPPELER/ AFPHätte ein Fotograf am Wochenende ein ähnliches Bild von Merkel und Trump geschossen, es wäre wohl nur eine unter Tausenden Aufnahmen geblieben.