US-Einreiseverbot Trumps zynisches Spiel

Der Supreme Court will erst im Herbst über Trumps kontroverses Einreisedekret urteilen. Bis dahin gilt eine stark eingeschränkte Version - die bereits neue Konfusion auslöst. Der US-Präsident jubelt trotzdem.
Donald Trump

Donald Trump

Foto: CARLOS BARRIA/ REUTERS

Donald Trump ist kein Freund der Nuance. Auch diesmal nicht: "Ein klarer Sieg für unsere nationale Sicherheit", triumphierte der US-Präsident. "Ich kann keine Menschen in unser Land lassen, die uns schaden wollen."

Trump meinte den Bescheid des Supreme Courts, die Blockade des US-Einreisestopps für Menschen aus sechs mehrheitlich muslimischen Staaten vorerst aufzuheben. Doch nicht nur Trumps majestätisches "Ich", mit dem er das auf sich selbst bezieht, befremdet. Auch sonst ist das alles natürlich etwas komplizierter.

Erstens: Ob diese ohnehin bereits verwässerte Version des ursprünglichen Einreiseverbots legal ist, darüber urteilt der Oberste Gerichtshof nun erst im Oktober, wenn die befristete Anordnung schon wieder passé ist. Bis dahin droht, dank neuer, konfuser Auflagen durchs Gericht neues Durcheinander.

Zweitens: Der "nationalen Sicherheit" dient das Dekret, sollte es wirklich abgesegnet werden, keineswegs. Das zeigt sich schon allein daran, dass die Dringlichkeit, mit der Trump die Originalfassung begründet hatte, fünf Monate später längst widerlegt ist. Auch die Richter deuteten jetzt entsprechende Zweifel an. Was bleibt? Eine Farce, mit der Trump bei seiner ultrakonservativ-fremdenfeindlichen Basis punktet.

Supreme-Court-Entscheidung ist erst mal nur eine Formalie

Das erste Verbot vom Januar betraf sieben Staaten: den Irak, Iran, den Jemen, Libyen, den Sudan, Somalia und Syrien. Um, wie es damals hieß, mutmaßliche Terroristen auszusondern, wurde die Einreise aus diesen Nahostregionen für 90 Tage suspendiert sowie die Aufnahme von Flüchtlingen für 120 Tage.

Ein Nachfolgedekret nahm im März den Irak von der Liste und präzisierte die wirren Vorschriften. Trotzdem wurde es von mehreren Gerichten blockiert: Da Trump im Wahlkampf vom "Muslim Ban" gesprochen habe, entspreche es religiöser Diskriminierung. Auch überschreite es Trumps präsidiale Autorität.

Die jetzige Entscheidung des Supreme Courts ist erst mal nur eine Formalie: Er setzte den Einspruch der Regierung auf seine Tagesordnung, ohne aber darüber zu urteilen. Das Einzige, was die Richter beschlossen, war, dass die unteren Instanzen in ihrer Sperre etwas zu weit gegangen waren: Bis zur endgültigen Entscheidung darf das Verbot demnach stehen - stark eingeschränkt.

Doch darin liegt die Krux. Mit einer typischen Rolle rückwärts billigten die Verfassungsrichter, dass der Einreisestopp nun zwar ab Donnerstag vorübergehend in Kraft treten könne, verhängten zugleich aber neue Ausnahmen - und zwar für jene Ausländer, die eine "nachweisliche Beziehung" zu einer amerikanischen Person oder Einrichtung haben.

Unklarheit über Definition der "Beziehung"

Was genau heißt das? Das wiederum soll die US-Regierung von Fall zu Fall entscheiden - eine salomonische Richtlinie, die, wie drei der neun Richter warnen, "undurchführbar" sei und zu weiteren Problemen führen könnte.

Fest steht: Das somit erneut revidierte Verbot verschont alle Einreisenden mit klar definierten "US-Beziehungen" - Familien, Studenten, Angestellte von US-Firmen. Sprich: Eben jene, die gegen das Dekret geklagt hatten und hier einen mindestens ebenso großen Teilerfolg errungen haben, wie ihn Trump für sich reklamiert.

Verschont es aber auch andere, deren "Beziehungen" nicht so klar ersichtlich sind? Darüber stritten die Experten bereits am Montag - ein Vorzeichen auf die enormen Konflikte, die jede Einzelentscheidung mit sich bringen könnte.

Gilt das Verbot für Flüchtlinge, die bereits von US-Gruppen betreut werden? Ab wann muss eine solche "Beziehung" frühestens etabliert sein? Dies zu klären obliegt nun den - bis heute hoffnungslos unterbesetzten - Ministerien für Justiz, Äußeres und Heimatschutz. Das State Department versprach am Montag eine "ordentliche" Umsetzung, ließ Details aber offen.

Geht es Trump nur um seine Anhängerschaft?

Schon droht juristischer Widerstand: "See you in court", twitterte die Bürgerrechtsorganisation ACLU. Das fürchten auch die drei konservativen Supreme-Court-Richter Clarence Thomas, Samuel Alito und Neil Gorsuch. Sie hätten das Verbot lieber ganz ohne Auflagen freigegeben, protestierten sie schriftlich gegen den "Kompromiss" der Kollegen: Die unklaren Anweisungen dürften eine neue "Klageflut provozieren".

Doch darum wird es Trump sowieso nicht gehen. Die Argumente für sein Dekret waren immer schon dubios - und sind nun, fünf Monate nach seinem Erlass, ganz hinfällig. Die meisten Terrorakte werden weder von neuen Einwanderern noch von Einwanderern aus den besagten Staaten begangen - sondern von US-Bürgern, die auf anderem Wege radikalisiert wurden oder Einzeltäter sind. Und die nicht minder verheerenden Anschläge aus dem rechtsradikal-rassistischen Spektrum klammert das Einreiseverbot ganz aus.

Warum? Es drängt sich die Vermutung auf, dass Trump mit dem Dekret - und dem schlagzeilenträchtigen Kampf darum - nur seine rechtskonservative Basis bei der Stange halten will. Was das Einreiseverbot wirklich bewirkt, ist nebensächlich: Um seine Macht zu konsolidieren, spricht Trump alleine seine flammenden Anhänger an, die gerne auf fremdenfeindliche Parolen reagieren.

Und wer weiß, was sonst noch passiert, bis der Supreme Court im Oktober aus der Sommerpause zurückkehrt und die Sache endgültig verhandelt. Vier Monate sind eine lange Zeit - vor allem im Twitter-Universum Donald Trumps.

Zusammengefasst: Donald Trump feiert eine vermeintliche Entscheidung des Supreme Courts. Dabei handelte es sich nur um eine Formalie, über das Einreisedekret wird erst im Oktober entschieden. Bis dahin darf es in Kraft treten - allerdings stark eingeschränkt mit unklaren Bedingungen. Diese führen direkt zu neuen Problemen, drei der neun Richter fürchten sogar eine Klageflut. Der Verdacht liegt jedoch ohnehin nahe, dass es Trump nur darum geht, bei seiner Anhängerschaft zu punkten.

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