US-Demokraten nach Mueller-Bericht Verzockt

Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi
Foto: Olivier Douliery/POOL/EPA-EFE/REXAm Tag danach gehen die Demokraten erst einmal auf Tauchstation. Selbst dem freundlich gesinnten TV-Kabelsender MSNBC geben sie nur ein paar kurze Interviews. "Wir sollten lieber nach vorne schauen", sagt die Senatorin Mazie Hirono.
Fast zwei Jahre lang hatten Donald Trumps Kritiker dem Abschlussbericht des Russland-Sonderermittlers Robert Mueller entgegengefiebert. Viele hatten damit gerechnet, dass Mueller den US-Präsidenten bloßstellen würde - nicht nur als Komplizen Moskaus, sondern vor allem als kriminell, amtsunfähig und illegitim.
Es kam anders. Am Sonntag präsentierte Justizminister William Barr seine - denkbar kurze - Zusammenfassung der Mueller-Befunde. Demnach fand dieser zwar reichlich Beweise, dass Russland die US-Wahlen 2016 manipuliert habe, doch keine für eine US-Verschwörung mit dem Kreml. Beim Verdacht der Justizbehinderung durch Trump blieb Mueller unschlüssig - worauf Barr ihm diese Entscheidung abnahm und auch da im Zweifel für den Angeklagten befand.
Die Demokraten, die so viel Energie auf ein anderes Resultat verwandt hatten, stehen jetzt am Scheideweg. Zwar lässt Barrs vierseitige Inhaltsangabe viele Fragen offen. So spricht der Mueller-Bericht - der geheim bleibt - Trump offenbar nicht in allen Punkten frei. Das müsste geklärt werden, namentlich durch den Kongress, in dessen Repräsentantenhaus die Demokraten die Mehrheit haben.
Doch die triumphale Schlagzeile, die das Weiße Haus verbreitet ("Totale Entlastung!"), schafft andere Realitäten, so sehr sie die komplexere Wahrheit dahinter auch verzerrt. Für viele Amerikaner ist das Thema nun erledigt. Komplexitäten haben ohnehin kaum Platz in Amerikas politischer Debatte, was Trump schon lange erkannt hat.
Mueller - der Retter, der keiner war - hat den Demokraten über Nacht den Wind aus den Segeln genommen. Und wie so oft sind sie gespalten, wie es nun weitergehen soll.
Die Idee eines Amtsenthebungsverfahrens (Impeachment) ist jedenfalls vom Tisch. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, hatte den linken Flügel ihrer Partei schon lange davor gewarnt: Trump sei dieses nationale Trauma nicht wert. Sein Schicksal wird sich nun frühestens bei den Präsidentschaftswahlen 2020 entscheiden.
Doch die Vorwürfe gegen Trump wollen viele bis dahin nicht ganz fallen lassen. Zumal Barr - der Trump die Absolution erteilte, nachdem er von ihm handverlesen ins Amt gehoben wurde - suspekt bleibt.
Führende Kongress-Demokraten fordern deshalb als nächstes eine komplette Offenlegung des Mueller-Berichts. "Ich werde für diese Transparenz kämpfen", sagte Jerry Nadler, der Vorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus.
Barr versicherte am Sonntag, er werde so viel veröffentlichen, wie es das Gesetz zulasse. Sollte Barr aber mauern oder die Demokraten mit seiner Argumentation letztlich nicht überzeugen, können sie juristische Schritte einleiten - bis hinauf zum Supreme Court.
Außerdem dürften die Demokraten sowohl Barr als auch Mueller demnächst als Zeugen vorladen. Es gebe "besorgniserregende Diskrepanzen und Entscheidungsfindungen im Justizministerium", die Barr persönlich aufklären müsse, so Ausschusschef Nadler.
Mueller selbst schweigt bisher eisern. Warum hat er verzichtet, Trump zu vernehmen? Barrs Zusammenfassung lässt das offen. Und: Warum konnte er zur Justizbehinderung kein klares Urteil fällen, auch nach 22 Monaten nicht?
Zugleich müssen die Demokraten aufpassen, dass sie ihren Eifer nicht überziehen. So haben sie im Kongress bereits etliche andere Untersuchungen gegen Trump und sein Umfeld eingeleitet, die nicht direkt mit Russland zu tun haben. Dazu haben sie vom Weißen Haus, von Trumps Unternehmen und von Bekannten des Präsidenten zahllose Akten eingefordert - was diese nun ebenfalls als "Hexenjagd" abstempeln könnten.

Robert Mueller
Foto: Cliff Owen/ APKein Wunder, dass die mehr als ein Dutzend Demokraten, die sich um eine Präsidentschaftskandidatur für 2020 bewerben, auf einmal spürbar verhalten sind. Auch sie fordern zwar eine Offenlegung des Mueller-Berichts, vermeiden das Thema ansonsten aber lieber, um nicht in das Washingtoner Spektakel hineingezogen zu werden.
"Ich hoffe das motiviert uns alle, lieber von Themen zu reden, die unser tägliches Leben betreffen", sagte Pete Buttigieg, einer der meistgehypten Demokraten-Kandidaten, im Sender MSNBC. Die Partei habe 2016 auch deshalb "ihren Weg verloren", weil sie zu viel von Trump geredet habe und zu wenig von den Wählern.
Dass die Demokraten aber weiter von ihm reden, dafür sorgt Trump schon selbst. Sein neuer Wahlkampfslogan für 2020 - den er am Donnerstag vor seiner Basis in Michigan ausprobieren will - dürfte sie auf die Palme treiben: "Keine Verschwörung."