Das Wichtigste zur Ukraineaffäre Die Akte Trump

Die Ukraineaffäre ist für US-Präsident Trump enorm gefährlich. Ein Amtsenthebungsverfahren wird immer wahrscheinlicher. Was ist bekannt? Wie schwer wird Trump belastet? Der große Überblick zu den Hintergründen.
US-Präsident Donald Trump gerät in der Ukraineaffäre immer stärker unter Druck

US-Präsident Donald Trump gerät in der Ukraineaffäre immer stärker unter Druck

Foto: SAUL LOEB / AFP

Für Donald Trump ist die Sache klar: Die Ukraineaffäre ist gar keine Affäre, sondern ein riesiger Schwindel, angezettelt von intriganten Beamten und missgünstigen Demokraten. Seine eigene Partei wies der US-Präsident nun donnernd an, die demokratischen Attacken viel stärker zu kontern als bisher.

Trumps Zorn kommt nicht von ungefähr: Die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens (Impeachment) gegen ihn wird immer wahrscheinlicher und könnte schon in wenigen Wochen geschehen. Tag für Tag kommen neue Details in der Affäre ans Licht.

Obwohl das Weiße Haus die Aussagen wichtiger Zeugen vor dem Kongress eigentlich unterbinden wollte, geben etliche Diplomaten bereitwillig Auskunft. So entsteht zunehmend das Bild eines Präsidenten, der offenbar mithilfe zwielichtiger Verbündeter versuchte, die ukrainische Regierung anzustiften, gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden eine Schmutzkampagne zu starten.

Wo stehen die Ermittlungen im Kongress? Was ist über den Hergang der Affäre bekannt? Wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Hintergründe im Überblick.

Was ist über den Ursprung der Affäre bekannt?

Nach allen bislang vorliegenden Aussagen und ergänzenden Recherchen von US-Medien begann die Affäre im Spätherbst 2018. Damals zeichnete sich ab, dass Ex-Vizepräsident Biden einer der möglichen Gegenkandidaten für Trump bei der Präsidentenwahl 2020 werden könnte. Rudy Giuliani, Trumps langjähriger Freund und persönlicher Anwalt des US-Präsidenten , trat in Aktion: Er suchte Kontakt zu ukrainischen Beamten und Ex-Ermittlern, von denen er sich offenbar belastendes Material gegen Biden und dessen Sohn Hunter erhoffte.

Joe Biden und sein Sohn Hunter Biden stehen im Mittelpunkt der Attacken des Präsidenten

Joe Biden und sein Sohn Hunter Biden stehen im Mittelpunkt der Attacken des Präsidenten

Foto: Jonathan Ernst/REUTERS

Die Idee dahinter: Hunter Biden hatte als Berater für die ukrainische Energiefirma Burisma gearbeitet. Sein Vater habe als Vizepräsident dafür gesorgt, dass ein Ermittler, der wegen Korruption gegen Burisma vorgehen wollte, von der Regierung in Kiew gefeuert worden sei, lautete der Vorwurf. So habe Biden seinen Sohn beschützen wollen.

Das Problem ist nur, das stimmt nicht. Zwar arbeitete Hunter Biden tatsächlich für Burisma. Doch die Entlassung des Ermittlers forderten nicht nur Biden und die USA, sondern auch praktisch alle anderen westlichen Partner und der Internationale Währungsfonds (IWF). Der Vorwurf: Der Ermittler tat nicht zu viel gegen Korruption, sondern zu wenig. Trumps Freund Giuliani interessierte das alles nicht. Er versuchte trotzdem, Material gegen die Bidens zu sammeln. Immer wieder versuchte er im Verlauf des Frühjahrs, mit ukrainischen Verbindungsleuten in Kontakt zu treten.

Welche Rolle spielen die Geschäftsleute Parnas und Fruman?

Lev Parnas und Igor Fruman sind zwei aus Osteuropa stammende Geschäftsleute, die in den USA ansässig sind. Vor allem Parnas hatte offenbar in den vergangenen Jahren eine Freundschaft mit Giuliani aufgebaut. Er soll ihm seit Monaten geholfen haben, Kontakt zu ukrainischen Stellen aufzunehmen, die Giuliani mit Hintergrundinfos über die Bidens versorgten.

Trumps Freund und Anwalt Rudolph Giuliani traf sich mit Lev Parnas oft im Trump-Hotel in Washington, D.C.

Trumps Freund und Anwalt Rudolph Giuliani traf sich mit Lev Parnas oft im Trump-Hotel in Washington, D.C.

Foto: Aram Roston/REUTERS

Parnas und Fruman wurden von der US-Justiz Anfang Oktober festgenommen, als sie versuchten, die USA zu verlassen. Sie waren offenbar auf dem Weg nach Wien. Unter anderem sollen sie mehr als 300.000 Dollar illegal an eine Organisation gespendet haben, die Trumps Wahl unterstützt. Woher das Geld kam, ist unklar. Obwohl es mehrere Bilder von Trump mit Parnas und Fruman gibt, bestreitet der Präsident, die "Gentlemen" zu kennen.

Was hat der ukrainische Oligarch Firtasch mit der Affäre zu tun?

Lev Parnas ist laut US-Medien ein Mitarbeiter des ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch, der in Wien unter Hausarrest steht und dort seit fünf Jahren gegen seine Auslieferung an die USA kämpft. US-Ermittler in Chicago wollen die Auslieferung von Firtasch erreichen, um ihn im Zusammenhang mit einem Schmiergeldskandal vor Gericht zu stellen. Der Milliardär wird mit organisiertem Verbrechen in Russland in Verbindung gebracht.

Was hat es mit der Firma Crowdstrike und dem E-Mail-Server auf sich?

Neben den angeblichen Verfehlungen der Bidens wollte Giuliani in der Ukraine einer Verschwörungstheorie nachrecherchieren, die seit Jahren unter Trump-Unterstützern zirkuliert und auch von Trump geliebt wird. Sie geht so: Die Einmischung Russlands in die US-Wahl 2016 sei quasi erfunden worden, um Trump zu schaden.

Die E-Mail-Server der Demokraten seien in Wahrheit 2016 nie von Russen gehackt worden. Um dies zu verbergen, seien die Server von einer Firma namens Crowdstrike mit Wissen der US-Demokraten in der Ukraine versteckt worden. Diese Verschwörungstheorie ist längst mehrfach widerlegt. Sämtliche US-Geheimdienste und Sonderermittler Robert Mueller haben amtlich festgestellt, dass die Russen hinter dem Hack steckten.

Welche Rolle spielen US-Diplomaten in der Affäre?

Mehrere US-Spitzendiplomaten haben zu der Ukraineaffäre vertraulich vor dem Kongress ausgesagt. Daraus lässt sich nach Ansicht der Demokraten rekonstruieren, dass Giuliani in der Ukraine eine Schattendiplomatie betrieben habe, auf Geheiß des Präsidenten. Unter anderem soll er die Abberufung der US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, betrieben haben, weil sie bei dem Spiel nicht mitmachen wollte.

Die frühere US-Botschafterin Marie Yovanovitch fiel bei Donald Trump und seinen Freunden in Ungnade

Die frühere US-Botschafterin Marie Yovanovitch fiel bei Donald Trump und seinen Freunden in Ungnade

Foto: J. Scott Applewhite/AP

Eine wichtige Rolle spielt auch der EU-Botschafter der USA, Gordon Sondland. Trump soll ihn beauftragt haben, Giuliani bei den Ukraine-Arbeiten zu unterstützen. Er soll auch auf die Wiederaufnahme der Ermittlungen in Sachen Crowdstrike und/oder Biden gedrängt haben.

Der später von Trump gefeuerte Sicherheitsberater John Bolton soll nach Angaben der Russlandexpertin im Weißen Haus, Fiona Hill, darüber empört gewesen sein. Bolton habe sie angewiesen, die Justiziare im Weißen Haus zu warnen. Zugleich soll er Giulianis Arbeit gegen die Bidens mit einem "Drogendeal" verglichen haben. Einige US-Diplomaten tauschten in der Affäre über ihre Handys Kurznachrichten aus, in denen sie die Sache diskutierten. Diese Nachrichten sind nun auch Beweismittel.

Wie kam das Ukraine-Telefonat zustande, über das jetzt alle reden?

Am Morgen des 25. Juli telefonierte Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das Gespräch - für die Demokraten der zentrale Punkt eines Impeachments - dauerte 30 Minuten. Trump schmeichelte Selenskyj, man redete über US-Waffenkäufe. Danach sagte Trump: "Ich möchte aber, dass Sie uns einen Gefallen tun." Anschließend bat er Selenskyj, gemeinsam mit Giuliani und US-Justizminister William Barr - der ebenfalls mit der Sache betraut war -, die Bidens zu "prüfen". Außerdem regte er an, dass Selenskyj die Crowdstrike-Geschichte untersuchen lasse.

Welche Rolle spielte die US-Militärhilfe für die Ukraine dabei?

Der US-Kongress hatte fast 400 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine bewilligt. Trump blockierte die Gelder jedoch - nach US-Recherchen tat er dies eine Woche vor dem Telefonat. Das Weiße Haus nannte als Grund die mangelnde Bekämpfung von Korruption in der Ukraine, die Demokraten vermuten aber, dass man Kiew unter Druck setzen wollte, bei dem Plan gegen Biden mitzumachen. Die Hilfsgelder wurden am 11. September freigegeben.

Der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde von Donald Trump gedrängt, gegen die Familie Biden ermitteln zu lassen

Der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde von Donald Trump gedrängt, gegen die Familie Biden ermitteln zu lassen

Foto: Efrem Lukatsky/AP

Was geschah nach dem Telefonat?

Laut "New York Times" hörten Dutzende Berater mit, auch Außenminister Mike Pompeo. Mitarbeiter im Weißen Haus erstellten keine Audioversion, nur ein schriftliches Protokoll, das das Weiße Haus später publizierte. Das fünfseitige Memo fasst das Telefonat zusammen, enthält aber mysteriöse Auslassungen. Es gibt den Verdacht, dass das Gespräch eigentlich umfangreicher war.

Trumps Druck auf Selenskyj löste nach US-Berichten intern sofort Panik aus: Der Inhalt des Telefonats sei "verrückt" gewesen, zitierte die "New York Times" einen Insider. Ein Anwalt des Weißen Hauses habe prompt angeordnet, das Protokoll auf einem besonders sicheren Top-Secret-Server zu speichern - quasi in einem elektronischen Safe für Staatsgeheimnisse.

Wer sind die Whistleblower?

Mehrere "Informanten" wandten sich US-Medienberichten zufolge deshalb an einen CIA-Beamten. Dieser habe eine Whistleblower-Beschwerde verfasst. Generalinspekteur Michael Atkinson gab den Bericht als "glaubhaft" und "dringend" an den kommissarischen Geheimdienstchef Joseph Maguire weiter. Am 18. September berichtete die "Washington Post" über den Whistleblower-Report, der Kongress veröffentlichte ihn später im Wortlaut. Seitdem wurde bekannt, dass es mindestens noch einen zweiten Whistleblower geben soll. Alle sind bisher anonym.

Wie kam es zur Impeachment-Voruntersuchung?

Die Demokraten um Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, leiteten daraufhin eine Voruntersuchung zu einem Amtsenthebungsverfahren ein. Der Verdacht: Trump habe seine Macht missbraucht, indem er auf Wahlkampfhilfe aus dem Ausland gedrängt habe. Die Voruntersuchung befugt die Abgeordneten, Vorladungen auszusprechen und Beweismaterial einzufordern. Seit Ende September vernimmt der Kongress auf demokratische Initiative hinter geschlossenen Türen Zeugen.

Die Anführerin der Demokraten, Nancy Pelosi, will die Ukraineaffäre erst aufklären lassen, bevor ein mögliches Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump beginnt

Die Anführerin der Demokraten, Nancy Pelosi, will die Ukraineaffäre erst aufklären lassen, bevor ein mögliches Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump beginnt

Foto: Carlos Jasso/ REUTERS

Was bedeutet die Affäre für die Demokraten?

Für die Demokraten ist dies ein riskanter Schritt. Bei moderaten Wechselwählern ist ein Impeachment - ein seltenes Mittel, einen Präsidenten vorzeitig aus dem Amt zu befördern - umstritten. Viele Demokraten in den Swing States mit vielen Wechselwählern sind politisch verwundbar. Bisher war eine Mehrheit der Amerikaner gegen ein Impeachment Trumps. Doch die Ukraineaffäre verschiebt das Gewicht in einigen Umfragen nun langsam zugunsten der Demokraten.

Was bedeutet die Affäre für die Republikaner?

Die Republikaner sehen sich durch die Debatte ebenfalls in der Zwickmühle. Manche glauben US-Berichten zufolge privat zumindest Teile der Vorwürfe. Öffentlich verteidigen sie Trump, wenn auch widerwillig und am liebsten, indem sie schweigen, weil auch sie in ihren Wahlkreisen keine Probleme bekommen wollen. An der Basis der Partei ist Trump weiterhin populär. Nur wenige Republikaner kritisierten Trump offen, allen voran Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romey. Er wird deshalb von vielen Trump-Fans und von Trump selbst angefeindet.

Was geschieht als Nächstes?

Als nächsten Schritt kann der Justizausschuss im Repräsentantenhaus ein formelles Verfahren gegen Trump empfehlen. Darüber würde dann das gesamte Plenum abstimmen. Eine einfache Mehrheit reicht, um Trump anzuklagen. Dem würde das formale Impeachment folgen. Es gleicht einem Gerichtsprozess: Nach der Anklage durch das Repräsentantenhaus findet im Senat eine öffentliche "Verhandlung" statt.

Zur Amtsenthebung ist dann eine Zweidrittelmehrheit nötig. Also müssten die Demokraten 20 von 53 Republikanern im Senat auf ihre Seite bringen. Die Demokraten wollten ein Impeachment, so es dazu kommt, zunächst schon Ende November beginnen, um das Verfahren bis Jahresende durchzuziehen. Zuletzt aber meldete die "New York Times", man plane ein langsameres Vorgehen, um die Öffentlichkeit zu überzeugen.

Wie endet das alles?

Donald Trump will weiter gegen die Demokraten kämpfen

Donald Trump will weiter gegen die Demokraten kämpfen

Foto: Andrew Harnik/ AP

Ein Schuldspruch ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat zurzeit unwahrscheinlich. Für die Demokraten könnte ein Scheitern des Impeachments verhängnisvolle Konsequenzen bei den Präsidentschaftswahlen im November 2020 haben. Trump würde triumphieren, er bekäme Rückenwind. Sollte der Senat für eine Amtsenthebung stimmen, könnte es sein, dass Trump sich weigert, abzutreten.

"Ich habe die Unterstützung der Polizei, die Unterstützung des Militärs", sagte Trump der rechten Website "Breitbart" schon im März. Die würden, so nötig, "hart" werden - und das könnte "sehr böse, sehr böse" ausgehen.

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