Trumps Weg in die Präsidentschaft Es geht los

Ein Technokrat als Stabschef, ein Rassist als Top-Berater: Donald Trump löst erste Personalfragen und umreißt in Interviews seine Pläne. Im Hintergrund deuten sich schon Machtkämpfe über den Kurs der Präsidentschaft an.
Trumps Weg in die Präsidentschaft: Es geht los

Trumps Weg in die Präsidentschaft: Es geht los

Foto: MARK WILSON/ AFP

Donald Trump sitzt in seinem Penthouse in Manhattan. Goldene Stühle, Säulen aus Marmor, verzierte Teppiche. Rechts neben ihm Melania, dahinter die erwachsenen Kinder. Die neue First Family lädt zum "60 Minutes"-Interview. Und der Wahlsieger gibt sich demütig: "Ich realisiere", sagt er, "dass das jetzt ein ganz anderes Leben für mich ist."

Donald Trump legt los: Nach seinem Erfolg war er ein paar Tage abgetaucht, jetzt stellt der Rechtspopulist erste, wichtige Weichen und skizziert im Fernsehen, wie er sich seine Amtszeit vorstellt. Jede Äußerung und jede einzelne Personalentscheidung des Milliardärs elektrisiert in diesen Tagen das Land: Freunde und Feinde suchen nach Hinweisen darauf, ob Trump seine Präsidentschaft eher streng konservativ plant oder ultranationalistisch und autoritär. Eher Reagan oder eher Putin - das ist die Frage.

Die Themen:

Trump macht am Wochenende klar, dass er auf drei Feldern besonders schnell zu agieren gedenkt: Gesundheitspolitik, Grenzsicherung, Steuern. Bemerkenswert: Der Milliardär gibt sich nicht mehr ganz so radikal wie im Wahlkampf. Er deutet an, dass er zu Kompromissen bereit sein könnte, etwa was den Bau der Mauer zu Mexiko angeht.

"Für einige Stellen" könne er sich an der Grenze auch einen Zaun vorstellen, sagt Trump bei "60 Minutes". Er kündigt an, zwei bis drei Millionen Einwanderer abschieben zu wollen, die keine Papiere haben und mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Von einer Abschiebungseinheit, die sämtliche illegale Einwanderer aus dem Land schafft, ist aber nicht mehr die Rede. Und: Die gesetzliche Krankenversicherung Barack Obamas möchte er zwar ersetzen, einzelne Teile aber möglicherweise auch erhalten. "Sie wird billiger und besser - keine schlechte Kombination", sagt er. Details? Lässt er offen.

Das Personal:

Trump macht am Sonntag seine erste Personalentscheidung öffentlich: Reince Priebus wird sein Stabschef. Manche in Washington verstehen das als Hinweis auf einen möglicherweise traditionelleren Kurs Trumps im Weißen Haus. Priebus ist als Parteichef bestens im Kongress vernetzt, er könnte Trump zu wichtigen inhaltlichen Erfolgen im Parlament verhelfen und ist erfahren genug, um intern den Regierungsalltag zu managen.

Verstörend: Ganz wesentlichen Einfluss auf die großen Linien der Präsidentschaft wird auch Steve Bannon haben. Trump ernannte seinen Ex-Wahlkampfleiter zum Chefberater. Für viele in Washington ist das ein Schock: Der 62-Jährige machte die Website "Breitbart News" zu einem Sprachrohr rechter Verschwörungstheoretiker und sieht sich immer wieder Vorwürfen des Antisemitismus ausgesetzt. Seine Ex-Frau berichtete unter Eid, dass er die gemeinsamen Kinder nicht mit Juden in die Schule gehen lassen wollte.

Noch am Sonntag sorgt die Entscheidung unter Republikanern für heftige Reaktionen. "Die rassistische, faschistische extreme Rechte ist jetzt nur ein paar Schritte vom Oval Office entfernt", schimpft John Weaver, der engste Berater von Ohios Gouverneur John Kasich.

Der Kurs:

Trump dürfte versuchen, die Stabschef-Entscheidung als ein Entgegenkommen an die Partei zu verkaufen. Aber das Risiko ist gewaltig: Mit Priebus und Bannon werden zwei rivalisierende Machtzentren unter einem Dach arbeiten, die sich in der Frage, wie radikal Trumps Präsidentschaft aussehen soll, immer wieder in die Quere kommen können. Ob sie das Vertrauen des jeweils anderen Lagers erhalten, ist völlig offen.

Einerseits Priebus: Der 44-Jährige verkörpert als langjähriger Washington-Insider das, was viele unter Trumps Anhängern verabscheuen. Seine Ernennung werde "eine Rebellion in Trumps Basis" auslösen, drohte Roger Stone, ein langjähriger Vertrauter des Wahlsiegers noch vor der Verkündung der Personalie. Andererseits Bannon: Der Publizist machte in der Vergangenheit keinen Hehl aus seinem Hass auf die Parteiführung und ist aus Sicht vieler traditioneller Republikaner eine echte Gefahr für die Partei.

Trumps Problem ist, dass er etwa 4000 weitere Posten in der Regierung besetzen muss. In vielen Ministerien dürften die Rivalitäten zwischen dem Establishment und den Loyalisten Trumps ähnlich verlaufen wie im Weißen Haus. Es droht eine äußerst unruhige Präsidentschaft.

Der Ton:

Trump schaltet in einen neuen Ton - teilweise. Im Fernsehen ist ein ruhiger Republikaner zu sehen. Er lobt Hillary Clinton als "sehr stark und sehr klug", schwärmt von Bill Clinton und betont, die USA einen zu wollen. "Ich will ein Land, in dem sich die Menschen lieben", sagte er dem "Wall Street Journal". Bei "60 Minutes" zeigt er sich "traurig" über Berichte, wonach einzelne Anhänger von ihm Muslime und Einwanderer belästigt hätten. "Ich sage es direkt in die Kamera: Lasst das", so Trump. Klingt gut - aber die Personalie Bannon will da so recht nicht passen.

Phasenweise agiert Trump am Wochenende, als sei er noch im Wahlkampf. Er kritisiert die Menschen, die gegen ihn auf die Straße gehen, als teils "professionelle Demonstranten". Er arbeitet sich an Jeb Bush ab und wirft ihm vor, sich nicht an den Schwur gehalten zu haben, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützten. Auf Twitter lässt er sich zu einem Angriff auf die "New York Times" hinreißen. Die Zeitung sei "unehrlich" und verliere Tausende Abonnenten aufgrund der "sehr schwachen" Berichterstattung über ihn, schimpft er. Und die Frage, ob er in seiner Rhetorik in den vergangenen Monaten überzogen habe, verneint er.

"Ich habe gewonnen", sagt Trump.

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