Trump auf Twitter Vogelfrei

Donald Trump liebt es, via Twitter auszuteilen. Konzerne, Politiker, Promis, Privatpersonen: Niemand ist sicher vor den digitalen Tiraden des designierten US-Präsidenten. Die Konsequenzen könnten verhängnisvoll sein.
Foto: Patrick Pleul/ picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Das Ende der Welt kommt in 140 Zeichen. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man Donald Trumps tägliche Twitter-Tiraden verfolgt: Der designierte US-Präsident nutzt den Kurznachrichtendienst, um selbst die komplexesten Reizthemen auf Parolen zu reduzieren - ohne Rücksicht auf politische Verluste.

Wahllos wettert er so gegen Konzerne, Politiker, Promis, Privatpersonen, Medien und TV-Sendungen, während er sich selbst lobt. Das wäre amüsant, wenn es nicht so folgenschwer und potenziell verhängnisvoll zu werden droht. Nicht nur für die Firmen, die dadurch manchmal Milliarden an Marktwert verlieren - sondern für die gesamte Weltordnung, deren Balance durch einen Tweet aus den Fugen geraten könnte.

Vorbei die Hoffnung, Trump werde nach der Wahl die Finger von Twitter lassen. Im Wahlkampf hatte ihm sein Team sein Konto sogar einmal weggenommen. Doch die digitale Waffenruhe hielt nicht lange - und auch im Weißen Haus dürfte er munter weiter twittern. Sein Sprecher Sean Spicer fände das jedenfalls "sehr aufregend".

Was Trump auf Twitter tut, kann gefährlich sein

Allein diese Woche delektierte Trump seine 18 Millionen Fans mit - meist frei erfundenen - Bonmots über Barack Obama ("machte harten Wahlkampf... und verlor"), die Uno ("so traurig!"), Israel ("halte durch"), Amerika vor der Wahl ("keine Hoffnung") und die wieder brummende Konjunktur ("Danke, Donald!").

Am sichtbarsten aber wurde die wahre Gefahr kurz vor Weihnachten, als Trump via Twitter eine neue Atomaufrüstung auszurufen schien - oder auch nicht, keiner wusste es genau. "Könnte Trump mit einem einzigen Tweet helfen, eine nukleare Katastrophe auszulösen?", fragte "Washington Post"-Kolumnist Greg Sargent.

Amerika müsse sein "nukleares Potenzial schwer verstärken und ausbauen", hatte Trump kryptisch getwittert. Tagelang rotierten Experten, Medien und selbst Trumps Berater, um diese mutmaßliche Absage an die Abrüstungsbemühungen der vergangenen 50 Jahre zu interpetieren. Am Ende versickerte die Aufregung wieder - wie zuvor schon Trumps Tweets gegen China oder seine Hauruck-Reaktion auf den Anschlag von Berlin, den er pauschal als Angriff auf alle "Christen" beschrieb.

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Mögliche politische Missverständnisse

"Es ist gefährlich, wenn der designierte Präsident 140 Zeichen darauf verwendet, eine umfassende Wende in der US-Atomwaffenpolitik anzukündigen, die nuanciert und komplex ist und jede Person auf diesem Planeten betrifft", warnte John Tierney, der Exekutivdirektor des Centers for Arms Control and Non-Proliferation.

"Stellen wir uns vor, wir sind in einer Krise", sagte der Abrüstungsexperte Jeffrey Lewis der "Washington Post". "Die Leute könnten sowas im schlechtesten Licht sehen." So wäre es möglich, dass Nordkorea Trumps Warnung vom Februar, Staatschef Kim Jong Un "verschwinden" zu lassen, als Attentatsdrohung und Kriegserklärung auslegt.

Als sich Trump jetzt per Twitter in die Nahost-Debatte einmischte, gab sich auch der scheidende US-Außenminister John Kerry besorgt. "Das hat ganz offensichtlich Auswirkungen auf unsere Alliierten", sagte er einem Interview mit dem TV-Sender MSNBC. Er hoffe jedoch, dass sich die Welt nicht "von einem Tweet bewegen und einschüchtern" lasse, sondern erst einmal "abwarten" werde.

Schaden für die Wirtschaft

Diesen Luxus hat die Wirtschaft nicht. Das merkte etwa der Flugzeugbauer Boeing, den Trump wegen der - rein hypothetischen - Kosten für den neuen Präsidentenjumbo Air Force One ins Visier nahm. Der Wut-Tweet ("Auftrag stornieren!") kam eine halbe Stunde nach einem Trump-kritischen Interview von Konzernchef Dennis Muilenburg und ließ Boeings Aktie vorübergehend abstürzen.

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Gleiches widerfuhr dem US-Rüstungskonzern Lockheed Martin. Dessen geplanter Tarnkappen-Kampfjet F-35 sei ebenfalls zu teuer, twitterte Trump und schlug vor, ihn mit einem F-18-Jet von - Tusch! - Boeing zu ersetzen.

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Dass die Maschinen nicht "vergleichbar" sind, wie es Trump behauptete, änderte nichts daran, dass Lockheed an der Börse fast eine Milliarde Dollar verlor. "Ich habe ihm meine persönliche Zusage gegeben, die Kosten aggressiv nach unten zu treiben", erklärte Vorstandschefin Marillyn Hewson später nach einem Treffen mit Trump.

Schon beginnen Börsen-Insider mit den digitalen Ausbrüchen zu spekulieren. "Nutze Trumps Tweets wie jede andere Datenquelle", rät der Investmentstratege Keith Fitz-Gerald auf seinem Blog. Mit speziellen Trading-Programmen könnte man sofort erkennen, wenn ein Konzern zum Ziel der nächsten "sozialen Rakete" Trumps werde - und dann mit clever getimtem Aktienhandel Kasse zu machen.

Ein anderes Programm hat die "Washington Post" entwickelt: Mit einem eigenen Twitter-Konto  stellt sie Trumps Tweets automatisch in den Kontext - und enthüllt sie als meist "inkorrekt oder falsch". Ob's etwas ändert, ist zu bezweifeln.

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