Orbán trifft Trump in Washington "Ungarn First" zu Besuch bei "America First"

US-Präsident Trump und Ungarns Regierungschef Orbán beim Nato-Gipfel im Juli 2018
Foto: Bernd von Jutrczenka/ DPAViktor Orbán war der erste Regierungschef eines EU-Landes, der die Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump öffentlich unterstützte. Und als der US-Milliardär im November 2016 tatsächlich gewählt wurde, postete Ungarns Premier: "Ich gratuliere! Was für eine großartige Nachricht. Die Demokratie lebt noch!"
Seitdem betonte Orbán seine Gemeinsamkeiten mit dem US-Präsidenten immer wieder, vor allem in der Migrationsfrage. Insgesamt seien sie beide "schwarze Schafe" der internationalen Politik, sagte Ungarns Premier einmal am Telefon zu Trump. Ob er das wirklich als Scherz gemeint hat, weiß wohl nur Orbán.
Zwar machte kein anderer führender EU-Politiker Trump derartige Avancen. Dennoch musste Orbán mehr als zwei Jahre auf ein bilaterales Treffen mit dem US-Präsidenten warten. Nachdem Trump bereits alle Staats- oder Regierungschefs der osteuropäischen EU-Staaten mit Ausnahme Bulgariens empfangen hat, ist am heutigen Montag endlich auch Ungarns Ministerpräsident im Weißen Haus an der Reihe.
Verhältnis USA-Ungarn auf dem Tiefpunkt
Offizieller Anlass ist das 20-jährige Bestehen der ungarischen Nato-Mitgliedschaft. Aus Washington und dem ungarischen Außenministerium verlautete vorab nur, Trump und Orbán würden über regionale Sicherheits-, Verteidigungs- und Energiefragen sowie über die bilateralen Beziehungen sprechen.
Die dürftigen Ankündigungen sind kennzeichnend für das derzeitige Verhältnis beider Länder. Zwar herrscht beim Thema Migration tatsächlich Übereinstimmung zwischen Trump und Orbán. Ansonsten aber ist Ungarn aus der Perspektive der US-Außenpolitik zu einem der unsichersten transatlantischen Bündnispartner geworden.
Der Kurs des Landes seit 2010, als Orbán erstmals mit Zweidrittelmehrheit an die Macht kam, wird nicht nur von den US-Demokraten, sondern auch von vielen Republikanern kritisch gesehen. 2014 nannte US-Senator John McCain Orbán einen "neofaschistischen Diktator". Auch die Annährung an Russland und China sowie eine Wirtschaftspolitik der "Öffnung nach Osten" brachten Ungarn in einen Interessenkonflikt mit den USA.
Aktuell herrscht vor allem in fünf Punkten Ärger zwischen den USA und Ungarn:
- Den erzwungenen Umzug der von US-Börsenmilliardär George Soros gegründeten Central European University nach Wien sieht man in Washington als Angriff auf eine US-amerikanische Institution.
- Ungarn blockiert wegen des ukrainischen Sprachgesetzes, mit dem Ungarisch als Minderheitensprache unter anderem im Schulunterricht beschränkt wird, die Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Ukraine schon seit fast zwei Jahren.
- Die russische Internationale Investitionsbank will ihr Zentrum nach Budapest verlegen, damit soll für Mittel- und Südosteuropa langfristig eine russische Alternative zu westlichen Banken entstehen. Das Institut soll angeblich geheimdienstlich aktiv sein, der Vater von Chef Nikolai Kosov war einst KGB-Offizier in Budapest.
- Ende 2018 schob Ungarn zwei gesuchte russische Waffenhändler nach Russland ab, statt sie in die USA auszuliefern, was Washington als Affront wertete.
- Ungarn weigerte sich seit 2017, die Verteidigungskooperation mit den USA zu erneuern und ein entsprechendes Abkommen zu unterschreiben.
Letzterer Streitpunkt immerhin scheint inzwischen ausgeräumt. Anfang April unterzeichneten Ungarns Außenminister Peter Szijjártó und der stellvertretende US-Verteidigungsminister John Sullivan das sogenannte Defense Cooperation Agreement. Allerdings wurde dessen Text bisher nicht öffentlich bekannt gemacht. Zugleich will Ungarn im Rahmen einer geplanten Modernisierung seiner Streitkräfte offenbar auch US-Waffen kaufen, unter anderem ein Raketenabwehrsystem.
Proteste gegen das Demokratiedefizit
"Die USA sehen die Verteidigungskooperation als sehr wichtig an, das Abkommen könnte daher eine Entspannung der Beziehungen einleiten", sagt der Politologe András Rácz vom Budapester Institut Political Capital dem SPIEGEL. "Zugleich vertritt die Trump-Regierung das Konzept der transaktionalen Diplomatie, deshalb könnten sich auch ungarische Waffenkäufe positiv auf das bilaterale Verhältnis auswirken. Die Rechtsstaatsprobleme in Ungarn und die Affäre um die Universität werden in den USA jedoch weiterhin mit Sorge betrachtet."
Ungarns Demokratiedefizite kritisierten in der vergangenen Woche auch vier führende republikanische und demokratische US-Senatoren in einem Brief an Trump. Der US-Präsident solle das bei seinem Treffen mit Orbán zur Sprache bringen, forderten die Autoren.
Der ungarische Regierungssprecher Zoltán Kovács wollte sich auf SPIEGEL-Nachfrage dazu nicht äußern. Im Fernsehsender RTL Klub wies er die Kritik der Senatoren zurück. "Ganz offensichtlich", so Kovács, sei deren Kampagne vom liberalen George Soros finanziert.