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Treffen der Staatschefs Ziemlich neue Freunde

Donald Trump zollt Wladimir Putin vor allem eines: großen Respekt. Differenzen spielen kaum eine Rolle, am Ende scheint der US-Präsident dem Russen mehr zu glauben als seinen eigenen Geheimdiensten.

Er wolle einen direkten, offenen, tiefgreifenden Dialog mit Russland, sagte Donald Trump, aber in Wahrheit suchte der US-Präsident in Helsinki wohl etwas anderes. Womöglich war es Bestätigung, vielleicht sogar Anerkennung. Er hoffte womöglich, dass Wladimir Putin ihn endlich respektiert. Das war aus seinen Worten herauszulesen, er hoffte, dass ihm der russische Präsident dabei hilft, die Probleme der Welt zu lösen. Trump suchte einen Freund. Er trat Putin in der Geste eines Bittstellers entgegen.

Mehr als zwei Stunden lang sprachen die beiden Männer allein miteinander, nur mit Übersetzern, später kamen Berater hinzu. Insgesamt saßen sich Trump und Putin vier Stunden lang gegenüber. Man hätte erwarten können, dass am Ende mehr oder weniger konkrete Ergebnisse dieses von beiden Seiten als "Gipfel" angekündigten Nachmittags standen - das war aber leider Fehlanzeige. (Lesen Sie hier das Minutenprotokoll des Treffens.)

Stattdessen kamen viele wolkige Sätze. Putin und Trump standen auf einem Podium im Palast des finnischen Präsidenten, hinter ihnen ragten fünf amerikanische und fünf russische Flaggen empor. Er wolle auf "Kooperation und Frieden" hinarbeiten, sagte Trump, und er sehe eine "leuchtende Zukunft" im Verhältnis zu Russland. Er lobte und dankte Putin mehrfach, dieser nahm die Avancen Trumps scheinbar regungslos hin.

Video zum Trump-Putin-Treffen: "Der Ball liegt jetzt in Ihrem Feld!"

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Vage Bekenntnisse

Der Bürgerkrieg in Syrien spielte eine Rolle bei den Gesprächen, auch hier kamen Trump und Putin nicht über ein vages Bekenntnis hinaus, die "humanitäre Krise" (Putin) gemeinsam beenden zu wollen - eine Krise wohlgemerkt, an der Putin selbst einen beträchtlichen Anteil hat, da Moskau Syriens Diktator Baschar al-Assad stützt, der doch mehrmals schon gegen die eigene Bevölkerung Giftgas eingesetzt hatte.

Putin sagte, er wolle sich daran beteiligen, den Krieg zumindest im Süden Syriens zu beenden, nahe der Grenze zu Israel. "Wir werden einen Schritt hin zu einem anhaltenden Frieden machen." Wann das geschehen soll, und was genau Russland dafür tut, behielt er für sich. Trump sagte, er hoffe, zusammen mit Putin das Regime in Nordkorea dazu zu bewegen, seine Nuklearwaffen abzugeben. "Nach heute bin ich mir sehr sicher, dass Präsident Putin dieses Problem ebenfalls beenden will." Er hoffe auch, Irans Gewaltherrschaft im Nahen Osten einzudämmen.

"Putin war stark und überzeugend in seinem Dementi"

Großes Thema der Pressekonferenz aber waren Russlands Angriffe gegen die Präsidentschaftswahl 2016. Trump weigert sich bis heute, diese Tatsache anzuerkennen - obwohl sein ranghöchster Spion, der Nationale Geheimdienstkoordinator Dan Coats, erst am Freitag genau das noch einmal bestätigt und dringend vor einer weiteren Einmischung Russlands gewarnt hatte. Trump aber bekräftigte, er glaube nicht seinen Nachrichtendiensten, sondern dem Mann, der neben ihm hinter dem Pult stand: "Präsident Putin war stark und überzeugend in seinem Dementi heute." Damit scheint das Thema für ihn erledigt zu sein.

Für Trump ist die Frage von Russlands Einmischung in den Wahlkampf nichts weiter als eine Abwägung zwischen zwei gleichberechtigten Seiten. Er hat sich für Putin entschieden, und darin liegt der Skandal. Die Frage ist: Wozu konnte ihn Putin hinter verschlossenen Türen noch überzeugen?

Videoanalyse: Wem nutzt das Treffen in Helsinki mehr?

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Auf Augenhöhe

Für den russischen Präsidenten hätte es also nicht besser laufen können. Trump sprach ihm vor der versammelten Weltöffentlichkeit das Vertrauen aus. Der russische Staatschef bekam die Bilder, die er wollte: Er stand neben dem US-Präsidenten, der ihm gleich dreimal die Hand reichte und ihn vor der Weltöffentlichkeit als Wettbewerber bezeichnete - und noch hinterher schob, das sei als Kompliment gemeint. Zudem überließ Trump seinem russischen Kollegen das erste Wort, dabei war Putin mit mehr als 50 Minuten Verspätung in Helsinki gelandet.

So viel Wertschätzung von einem amerikanischen Staatschef hat Putin seit Jahren nicht erlebt. Musste er doch erleben, wie der vorherige US-Präsident Barack Obama Russland als Regionalmacht heruntermachte.

Jetzt aber ist Russland wieder da, wo es nach Meinung Putins hingehört: gleichberechtigt an der Seite der USA auf der Weltbühne.

Trump lobte gleich mehrmals die erfolgreiche Fußball-Weltmeisterschaft - Putin revanchierte sich mit einem Ball, den er dem US-Präsidenten überreichte, schließlich richten die USA zusammen mit Kanada und Mexiko die WM 2026 aus.

Erfolg für Putin

Alles war bestens in Helsinki, der russische Außenminister Sergej Lawrow lobte das Treffen später "besser als super", der staatliche Nachrichtensender Rossija 24 strahlte die Pressekonferenz gleich noch einmal aus.

Es wirkte so, als hätten die vergangenen Monate der außenpolitischen Spannungen nicht existiert: die gegenseitigen Ausweisungen von Diplomaten nach dem Anschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal mit dem Nervengift Nowitschok, die Strafmaßnahmen gegen russische Oligarchen, der Bericht des von den Niederlanden geleiteten internationalen Ermittlerteams, der klar darlegte, dass der Malaysia-Airlines-Flug MH17 mit einem Raketensystem einer russischen Militäreinheit abgeschossen worden war.

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Trump trifft Putin: Der Gipfel von Helsinki

Foto: YURI KADOBNOV/ AFP

Es war schließlich Putin, der feststellte, dass Trump und er in der Frage der annektierten ukrainischen Schwarzmeerinsel verschiedene Meinungen vertreten. Trump wiederum hatte zuvor deutlich gemacht, dass die USA daran festhalten, mehr Flüssiggas (LNG) nach Europa liefern zu wollen - trotz der Nord-Stream-2-Pipeline, die russisches Gas aus Sibirien bis nach Deutschland transportieren soll.

Doch das schien der neuen amerikanisch-russischen Annäherung wenig anhaben zu können. Es war Putins große Reinwaschung, der die Welt an diesem Montag beiwohnen konnte, vorgenommen von einem US-Präsidenten, der sich moralisch mit Putin auf derselben Stufe wähnt.

Für Trump beginnt mit diesem Treffen eine neue Zeitrechnung, eine russisch-amerikanische Achse, die Ära der starken Männer. Vermutlich glaubt er tatsächlich, in Putin einen neuen Freund gefunden zu haben.

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