Trumps Nordkorea-Poker Krieg und Frieden

Während Donald Trump immer neue Drohungen gegen Nordkorea ausstößt, bemühen sich seine Berater um Schadensbegrenzung - und diskret um eine diplomatische Lösung des Konflikts. Ein Blick hinter die Kulissen.
Weißes Haus

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Foto: Alex Brandon/ AP

Zwei Staatschefs provozieren sich mit Atomwaffen. Diplomatie scheint gescheitert, ein Krieg greifbar nahe. Da erinnert sich der Präsident an das Buch "August 1914" über den Ausbruch des ersten Weltkriegs: Es dürfe nicht sein, sagt er, "dass man ein ähnliches Buch über die jetzige Zeit schreibt".

Der Präsident war John F. Kennedy, und bei dem nuklearen Säbelrasseln handelte es sich um die Kubakrise von 1962 zwischen Kennedy und seinem sowjetischen Gegenüber Nikita Chruschtschow. Sie wird dieser Tage wieder viel zitiert, als Vergleich zum eskalierenden Konflikt der USA mit Nordkorea.

Donald Trump liest bekanntlich keine Bücher und ist wenig interessiert an historischen Parallelen. Stattdessen twittert er die Welt gerade immer tiefer in die Krise mit seinen täglichen Drohungen an Pjöngjang. Unterdessen rotieren seine Berater hinter den Kulissen, um einen "versehentlichen" Atomkrieg zu verhindern - und gerüstet zu sein, falls dieser doch ausbricht.

Was bedeutet Trumps jüngste Twitter-Drohung?

"Militärische Lösungen sind nun vollständig vorbereitet, geladen und entsichert, sollte Nordkorea unklug handeln", schrieb Trump. Aber auch dieser Tweet ist, über die platte Hollywood-Terminologie hinaus, reiner Bombast: Es gibt keinen massiven, kompletten Aufmarsch vor Nordkorea.

Dazu müssten enorme Militärbewegungen in Südostasien stattfinden. "Keine Veränderungen", dementierte das Pentagon aber den jüngsten Tweet. Eine solche Irreführung durch Trump ist nicht neu: Schon im April prahlte er fälschlicherweise, dass eine "Armada" auf dem Weg Richtung Nordkorea sei.

Zwar reichte Trump am Freitag einen Tweet des Pazifik-Kommandos der US-Streitkräfte nach, samt des Hashtags #FightTonight: "Bomber auf Guam stehen bereit." Doch auch dieser Post bezieht sich in Wahrheit nur auf die Vorbereitungen für eine lange geplante, gemeinsame Routineübung mit Südkorea. Und der Hashtag #FightTonight ist keineswegs die Androhung eines Angriffs noch am Abend, sondern das Motto des Pazifik-Kommandos.

Gibt es im Weißen Haus auch kühle Köpfe?

Hinter den Kulissen des West Wings tobt seit jeher ein Machtkampf der Trump-Berater. Der tritt nun offen zutage. Die eine Fraktion wird geführt von Chefideologe Steve Bannon, der anfangs auch im US-Sicherheitsrat saß, doch dann daraus entfernt wurde. Diese Fraktion sieht Pjöngjang als nicht so dramatisches Problem. Die andere Fraktion unter Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster dagegen neigt angeblich zu einer aggressiveren Haltung.

Trotzdem wurde auch McMaster, wie alle, kalt erwischt von Trumps Twitter-Tiraden. Laut US-Berichten telefonierte er mit seinem südkoreanischen Gegenpart, um die Gemüter zu beruhigen. Andere "Backchannel"-Gespräche laufen übers US-Außenministerium und dessen Uno-Vertretung, die auch die jüngsten Uno-Sanktionen aushandelten. Seit Monaten bestünden direkte Kontakte zwischen Joseph Yun, dem Nordkorea-Beauftragten im State Department, und Pjöngjangs Uno-Vizebotschafter Pak Song Il, meldete AP.

Die Nordkorea-Krise nötigte auch US-Außenminister Rex Tillerson, Trumps Äußerungen als pure Rhetorik abzutun und einen diplomatischen Ansatz zu betonen. Das Problem: Tillersons Ministerium ist bis heute weitgehend verwaist - was vor allem die diplomatische Präsenz in Südostasien betrifft.

Wird trotzdem ein US-Militärschlag vorbereitet?

Trump liebt Generäle: Er hat etliche Militärs in seine Regierung geholt, darunter McMaster, und mit John Kelly einen Ex-General zum Stabschef des Weißen Hauses gemacht. Das Schlagwort einer "militärischen Lösung" des Nordkorea-Konflikts, das Trump beschwört, ist freilich Unsinn: Das Militär sei nur "Mittel zum Zweck, aber kein Zweck an sich", sagt Ex-Nato-Botschafter Ivo Daalder. Vielmehr bereitet US-Verteidigungsminister John Mattis, wie er diese Woche sagte, "militärische Optionen vor, sollten sie benötigt werden".

Diese Optionen sind aber alle unerfreulich. Selbst ein konventioneller Schlag gegen Nordkorea, um dessen Nuklearkapazitäten auszuschalten, wäre verheerend, da ein Gegenschlag schnell Südkoreas Hauptstadt Seoul träfe. Es sei schwer, sich ein Szenario vorzustellen, bei dem Seoul nicht "in Flammen aufgeht", sagte der Politologe Richard Nephew der "Washington Post".

Könnte Trump im Alleingang einen Atomkrieg starten?

Theoretisch ja. Nur der US-Präsident hat den Autorisierungscode für den berühmten Aktenkoffer ("Football"), in dem sich die Gebrauchsanleitung für einen Atomschlag befindet. In der Realität aber können besorgte Militärs und andere das trotzdem noch verhindern. Das geschah mit Richard Nixon: Bevor der wegen des Watergate-Skandals zurücktrat, hatten sie ihm den Atomkoffer bereits abgenommen und an seinen Nachfolger, Vizepräsident Gerald Ford, übergeben: Nixon sei womöglich nicht mehr zurechnungsfähig.

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