US-Präsident vor dem Kongress Eine Rede, zwei Trumps

Donald Trump tritt erstmals vor dem Kongress auf. Eine Stunde lang versucht der Präsident, freundlicher aufzutreten. Mal klappt das überraschend gut, dann wieder geht es gewohnt finster zu.
US-Präsident vor dem Kongress: Eine Rede, zwei Trumps

US-Präsident vor dem Kongress: Eine Rede, zwei Trumps

Foto: POOL/ REUTERS

Am Ende ist es ein bisschen viel des Guten. Donald Trump entwirft große Visionen und schwärmt von einer Gesellschaft, die sich unterhakt. Er spricht von einem Amerika, das einer Flagge huldigt und gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft angeht. Es sei - sagt Trump - an der Zeit, die "kleinlichen Kämpfe" zu überwinden. Da schnauben sie genervt bei den Demokraten, denn ein solcher Satz klingt aus seinem Munde, aus dem sonst so viel Kleinliches und Unerhörtes herauspurzelt, ja dann doch zu putzig.

Aber insgesamt - das muss man sagen - ist diese erste Rede vor dem US-Kongress ein Auftritt, der Trump eher helfen dürfte.

60 Minuten spricht der neue Präsident vor den Abgeordneten beider Kammern, erstmals in seiner so jungen Amtszeit. Für Trump ist es ein wichtiger Termin. Seine ersten Wochen verliefen nicht gut. Er muss dem Land zeigen, dass er zumindest ansatzweise im Stande ist, das zu machen, was viele Amerikaner von einem Präsidenten erwarten, nämlich eine Rede zu halten, die nicht durchzogen ist von Aggressivität und deshalb schon nach wenigen Sätzen den ganzen Planeten in Unordnung bringt.

Und siehe da: Trump setzt einen hoffnungsvolleren, optimistischeren Ton an als jenen, den man von ihm gewohnt ist, er will eine "Botschaft der Versöhnung und Stärke" setzen.

Er bietet seinen Gegnern an, gemeinsam an einer Einwanderungsreform zu arbeiten. Er wirbt für eine Modernisierung der Infrastruktur, stellt Entlastungen für die Mittelschicht und einen Umbau der Gesundheitsversicherung in Aussicht. Inhaltlich ist da viel Bekanntes dabei, aber Trump macht das weitgehend in einer Rhetorik, die nicht gleich alle im Saal verschreckt.

Noch immer keine Details zu seinen Plänen

Sogar den Demokraten hat er etwas mitgebracht. Er wolle dafür arbeiten, dass die Kinderbetreuung erschwinglicher werde und es endlich eine bezahlte Elternzeit gebe, sagt Trump und umreißt damit zwei Lieblingsvorhaben des linken Amerika.

Phasenweise klingt der Präsident so, als hätte er sich für diesen Auftritt die Redenschreiber seines Vorgängers geliehen, manchmal traut man seinen Ohren nicht, dass er es ist, der diese Sätze spricht: Donald Trump, der Mann, der sich mit so viel Hass und Unverfrorenheit den Wahlsieg erkämpfte.

Details zu seinen Plänen bleibt Trump mal wieder schuldig, er ist ein Meister darin, Vorhaben zu versprechen, ohne aber den Weg dorthin erklären zu können. Bei den Republikanern kommen seine Sätze dennoch bestens an. Der Präsident braucht die Partei ja auch für die großen Vorhaben, die er seinen Anhängern versprochen hat: Die Mauer zu Mexiko, die Steuerreform, die Mehrausgaben für das Militär. Für einen Moment kann es da nicht schaden, sich mal ein neues Gewand überzustreifen.

Trump zeigt sogar Sinn für Symbolik, er hat die Witwe von Antonin Scalia eingeladen, dem verstorbenen Bundesrichter, der für viele Konservative ein solch großer Held war. Er erwähnt Abraham Lincoln, stellt sich gegen die antisemitischen Vorfälle der vergangenen Wochen und erinnert an den "Black History Month", den Amerika im Februar gefeiert habe.

Hinter Trump sitzt Paul Ryan, der Sprecher des Abgeordnetenhauses, der schon so häufig Probleme mit dem Milliardär hatte. Während der Rede des Präsidenten wirkt Ryan wie beseelt, gleich mehrfach erhebt er sich und jubelt frenetisch. Er scheint die Hoffnung zu haben, dass der 70-Jährige doch noch die Kurve kriegen und zu einem halbwegs normalen Präsidenten werden könnte.

Die Republikaner applaudieren artig

Trumps Auftritt ist äußerst geschickt, denn natürlich setzt er auch wieder ein paar finstere nationalistische Botschaften, die wohl nur deshalb nicht ganz so krass wirken, weil er an vielen Stellen so überraschend weich erscheint. Das Thema der illegalen Einwanderung durchzieht zum Beispiel seine Rede wie schon so viele zuvor. Auf den oberen Rängen des Saales hat der Präsident mehrere Menschen platzieren lassen, die Angehörige durch Gewalt von undokumentierten Immigranten verloren haben. Ausführlich webt Trump ihre Geschichten in seine Ausführungen ein, und als er damit fertig ist, erwähnt er fast beiläufig, dass er im Heimatschutzministerium eine Abteilung schaffen werde, an die sich alle wenden könnten, die Opfer von illegalen Einwanderern geworden seien.

Da geht ein Raunen durch die Reihen der Demokraten, für einen Moment rückt die ganze Gefährlichkeit Trumps wieder in den Mittelpunkt, seine Sündenbock-Politik und seine Demagogie. Aber die Republikaner finden den Plan offenbar großartig, jedenfalls applaudieren sie artig.

Ein anderer Moment ist von großer Emotion, aber gleichzeitig auch sehr befremdlich. Trump hat die Witwe von William "Ryan" Owen eingeladen, jenes Soldaten, der kürzlich im Jemen bei einem missglückten Anti-Terror-Einsatz ums Leben kam. Der Präsident widmet sich dem Fall ausführlich, spricht auffallend einfühlsam vom Tod des Navy Seals und versucht zu erklären, warum der Soldat nicht umsonst gestorben sei, der Einsatz habe wertvolle Geheimdiensterkenntnisse gebracht - eine Behauptung, die die Dienste selbst übrigens dementieren.

Die Witwe Owens kann nicht an sich halten, Trumps Würdigung ihres Mannes überwältigt sie. Es ist an sich eine kraftvolle, patriotische Szene, nur kann man sie schwer davon trennen, wie Trump ansonsten mit dem Fall umgeht: Seit Wochen versucht er, die Schuld für den missglückten Einsatz auf die Obama-Regierung abzuwälzen, weil diese ihn in ihren letzten Tagen noch vorbereitet habe. Wenige Stunden vor seine Rede machte er plötzlich seine Generäle für den Tod Owens verantwortlich. So sehr Trumps Sätze im Kongress zu passen scheinen, so sehr verdeutlicht der Fall, wie schwer es ihm fällt, persönlich Verantwortung zu übernehmen.

Für seine Partei spielt das an diesem Abend keine Rolle. Sie ist schon froh, dass Trump es endlich einmal schafft, sich weitgehend an das Manuskript zu halten. Ein "Home Run" sei die Rede gewesen, ließ Paul Ryan Minuten nach Trumps Auftritt wissen.

Zusammengefasst: Donald Trump hat erstmals im US-Kongress gesprochen, vor den Abgeordneten beider Kammern. Die Rede war geschickt: Einerseits ungewohnt versöhnlich im Ton, mit Angeboten zu Kinderbetreuung und Elternzeit an Demokraten. Zum anderen hart in der Sache: Zwar verspricht er eine Einwanderungsreform, kündigt aber auch die Einrichtung einer Ministeriumsstelle an, die einzig US-Bürgern dient, die "Opfer" illegaler Einwanderer geworden seien. Vor allem die republikanische Partei reagierte mit großem Lob auf die Rede.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren