Gesichter Amerikas Trumps feine Feindin

Harvard-Mitarbeiterin Danielle Allen
Foto: Harvard UniversitySie wusste, dass er eine Gefahr werden könnte. Danielle Allen hat es geahnt, schon im vergangenen Herbst. "Trump ist ein Meister der Verleumdung", sagt Allen, "er lügt, um zu verletzen."
Allen ist Direktorin des Zentrums für Ethik an der Harvard University, und dort steht sie nicht allein mit ihrer Einschätzung. In der Eliteuniversität gehört es zum guten Ton, gegen Trump zu sein.
Als sich die amerikanische Öffentlichkeit noch über den polternden Milliardär aus New York amüsierte, hat die Harvard-Professorin bereits vor den "Trumpisten" gewarnt. Mit Sorge hatte sie verfolgt, wie geschickt sich Trump der Ressentiments einer breiten weißen Wählerschicht bedient, die sich im modernen Amerika an den Rand gedrängt fühlt.
Instinktsicher erspüre Trump, welche Gerüchte sich eignen, um den Ruf seiner Opfer zu beschädigen. Zusammen mit dem Erstarken einer national-rassistischen Strömung, die bisher kaum eine öffentliche Stimme hatte, ergebe sich eine "toxische Mischung". Doch der eindeutige Befund hat die Professoren an der Harvard-Uni in eine Sinnkrise gestürzt.
Sie verhalten sich merkwürdig still, wenn es um den Populisten geht. Warum nur?
Grundsätzlich stehen die Gebildeten an der Ostküste Amerikas eher auf der Seite der Linken. Wie sehr diese Faustregel gerade in der ehrwürdigsten Wissenschaftsstadt gilt, zeigte eine Untersuchung aus dem vergangenen Jahr. Insgesamt knapp drei Millionen Dollar, so der Befund, haben Harvard-Professoren in den vergangenen Jahren für den Wahlkampf der politischen Parteien gespendet. Rund 84 Prozent des Geldes ging an die Demokraten, unter den Juristen der renommierten Law School waren es sogar 98 Prozent.
Als die Zahlen erhoben wurden, stand Trumps Kandidatur noch nicht einmal fest. Auch unter den Studenten schneidet Trump miserabel ab: Gerade einmal fünf Prozent von ihnen bekannten sich zu Trump.
Dennoch wagt kaum jemand den Aufstand - so wie die Politologin Allen. Unter ihren Fakultätskollegen herrscht lähmende Fassungslosigkeit. Manch ein Professor macht in seiner Vorlesung Witze über die jüngsten Trump-Entgleisungen. Oder darüber, dass er im Falle eines republikanischen Wahlsiegs nach Kanada auswandern werde. Doch dann wendet er sich wieder seinem Forschungsgegenstand zu. Der Wahlkampf dringt kaum bis auf den Campus vor.
Unterstützung erhält Allen vor allem vom Ökonomen Larry Summers. Unter Bill Clinton war Summers Finanzminister, anschließend fünf Jahre lang Präsident der Harvard-Universität. Öffentlich mahnte er, dass von Trump eine "ernsthafte Gefahr für die Demokratie" ausgehe. Ein Kandidat, der Frauen erniedrigt, der Folter das Wort redet und androht, die Presse per Gesetz in die Schranken zu weisen, der gefährde das Projekt Amerika.
Besonders sorgt sich Harvard-Ökonom Summers um die Wirtschaft: Durch Trumps erratische Politik, seinen Protektionismus und durch die zu erwartende Aufblähung der Schuldenlast werde ein Präsident Trump die Nation binnen 18 Monaten in eine tiefe Rezession führen. Für die Weltwirtschaft stelle Trump "eine weitaus schlimmere Bedrohung als der Brexit" dar.
Auch einige Naturwissenschaftler trauen sich aus der Deckung. Unter den 375 Unterzeichnern eines Aufrufs "Verantwortungsbewusster Forscher" der amerikanischen Akademie der Wissenschaften finden sich auch 17 Namen der Harvard University. Gemeinsam warnen in dem offenen Brief Geowissenschaftler und Klimaforscher, aber auch Physiker, Neurobiologen und Ökologen vor einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, wie Trump ihn angekündigt hat. Die Gelehrten fürchten schwere und langfristige Folgen sowohl für den Planeten Erde wie für die amerikanische Glaubwürdigkeit.

Hauptgebäude der Harvard- Universität
Foto: JESSICA RINALDI/ ReutersDoch solche Appelle bleiben die Ausnahme im Wahlkampf. Die meisten der rund 5000 Harvard-Forscher verfolgen eher ratlos den Verfall der politischen Streitkultur. Irritiert stellen sie fest, dass das Harvard-Logo - "Veritas", Wahrheit -, plötzlich seinen Wert verloren zu haben scheint. Auch Trumps Tiraden gegen Immigranten lösen unter den Professoren Ängste aus. Schon weil sehr viele von ihnen selbst Immigranten sind.
Dennoch fühlen sich viele verpflichtet, als Wissenschaftler in Fragen der Tagespolitik neutral zu sein. Selbst die Politologin Allen, die den republikanischen Kandidaten Trump immer wieder scharf attackiert hat, legt Wert darauf, dass sie ihre Zeitungskolumne in der "Washington Post" als engagierte Bürgerin, nicht als Mitglied der Harvard-Fakultät schreibe. "Man erwartet von uns, dass wir die Rollen trennen", sagt sie.
In Universitätskreisen regt sich unterdessen der Verdacht, dass vielleicht auch finanzielle Gesichtspunkte die Wissenschaftler in Harvard verstummen lassen, wenn es um Donald Trump geht.
Im vergangenen Jahr erhielt die Uni die größte Einzelspende ihrer Geschichte: 400 Millionen Dollar von dem Harvard-Absolventen und Wallstreet-Spekulanten John Paulson. Dankbar taufte die Universität daraufhin ihre Ingenieurschule in "Paulson School" um. Nun wurde bekannt: Im Wahlkampf tritt Paulson als Wirtschaftsberaters des Kandidaten Trump auf.