Ablenkung, Öl, Wählerstimmen Warum sich der US-Präsident in Venezuela einmischt

Die Beziehungen zwischen den USA und Venezuela sind seit Langem gespannt. Doch jetzt greift Donald Trump direkt in die Staatskrise ein. Der Präsident hat drei Gründe.
US-Präsident Donald Trump (Mitte)

US-Präsident Donald Trump (Mitte)

Foto: MICHAEL REYNOLDS/EPA-EFE/REX

Er provozierte und beleidigte, liebte Massenkundgebungen und Twitter, war ständig in den Medien präsent. Lange bevor Donald Trump auf der politischen Bühne erschien, drängelte sich ein anderer Populist mit ähnlichem Auftreten nach vorn - Hugo Chávez.

Der 2013 verstorbene Ex-Präsident Venezuelas bleibt vielen vor allem auch mit seinen Beschimpfungen amerikanischer Staatschefs in Erinnerung. George W. Bush nannte er einen "Idioten" und "Esel". Sein Nachfolger Nicolás Maduro blieb der Tradition treu: Er beschimpfte Barack Obama als "obersten aller Teufel" und verglich Trump mit Hitler.

Am Mittwoch wurde aus den Wortgefechten eine internationale Krise. Im ausufernden Politchaos Venezuelas schlug sich Trump offiziell auf die Seite des Oppositionsführers Juan Guaidó, der Maduro zuvor für entmachtet erklärt hatte.

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Politische Unruhen in Venezuela: Adiós, Maduro!

Foto: YURI CORTEZ/ AFP

Mit dieser Intervention bindet sich Trump an das Schicksal Guaidós - eine seltene Abweichung von seiner "America First"-Doktrin. Doch überrascht das in Wahrheit keinen: Schon immer agitierte Trump gegen Maduro.

Er schließe eine Militäroption gegen Venezuela nicht aus, sagte Trump bereits im August 2017 und verstörte damit selbst seine engsten Berater. Intern soll er sogar eine US-Invasion angeregt haben. Zugleich pflegt die Trump-Regierung nach Informationen der "New York Times" seit 2017 konspirative Kontakte zur Opposition in Caracas.

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Trumps Vorgänger hatten die sozialistische Führung ebenfalls scharf kritisiert. Sie hielten sich aber aus den innenpolitischen Wirren heraus, zumindest nach außen hin.

Warum geriert sich nun ausgerechnet der 45. Präsident der USA so betont als Kämpfer für die Demokratie in Venezuela - wo er doch sonst keine Probleme mit anti-demokratischen Autokraten wie Russlands Wladimir Putin oder Kim Jong Un in Nordkorea hat? Warum Venezuela, während Trump sich für die Not in anderen lateinamerikanischen Staaten nicht interessiert?


1. Florida

Trump und Rubio

Trump und Rubio

Foto: © CHRIS KEANE / Reuters/ REUTERS

"Danke, Mr. President", twitterte Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush, nachdem Trump Guaidó als Interimspräsident anerkannt hatte. Ähnlich erfreut zeigten sich Rick Scott und Marco Rubio, die Senatoren aus Florida. Beide hatten Trumps Bekenntnis mit eingefädelt, dazu trafen sie sich am Dienstag mit dem Präsidenten, seinem Vize Mike Pence und US-Sicherheitsberater John Bolton im Weißen Haus. Auch dabei: zwei weitere Florida-Republikaner - der Abgeordnete Mario Diaz-Balart und Gouverneur Ron DeSantis.

Das Engagement kommt natürlich nicht zufällig. Rund 100.000 Exil-Venezuelaner leben in Florida, mehr als in jedem anderen US-Staat. Die meisten lehnen die sozialistische Regierung in Caracas ab. Und Trump braucht ihre Stimmen für die Präsidentschaftswahl 2020: Beim letzten Mal gewann er den wichtigen Swing-State nur knapp. "Florida wird 2020 zum Schlüsselstaat", sagte Risa Grais-Targow, die Lateinamerika-Chefin der Eurasia Group, im Sender CNN. "Ich bin sicher, dass das bei Trumps Überlegung mitspielt."


2. Öl

Ölförderanlage von PDVSA

Ölförderanlage von PDVSA

Foto: Rayner Pena/ picture alliance/dpa

Venezuela hat die größten bekannten Ölreserven der Welt. Die teils undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen zu US-Ölmultis reichen bis in die Fünfzigerjahre zurück. In den vergangenen zehn Jahren gingen die Ölexporte in die USA deutlich zurück . Trotzdem bleibt Venezuela der viertgrößte Ölzulieferer für die USA.

Und die Verbindungen bestehen auch auf anderen Ebenen weiter. So ging nach Trumps Wahlsieg beim Planungskomitee für seine Vereidigung 2017 eine Spende von einer halben Million Dollar ein. Absender: der texanische Konzern Citgo - eine Tochter des venezolanischen Staatsbetriebs PDVSA, größter Ölexporteur des Landes. Noch stellt sich PDVSA hinter Maduro: "Wir haben keinen anderen Präsidenten", erklärte in dieser Woche PDVSA-Präsident Manuel Quevedo, der zugleich Ölminister ist.


3. Ablenkungsmanöver

Shutdown-Proteste

Shutdown-Proteste

Foto: Andrew Harnik/ dpa

Die Venezuela-Krise kommt Trump gelegen: Innenpolitisch steht er derzeit enorm unter Druck. Die Shutdown-Krise zieht sich hin, Trumps Umfragewerte brechen ein, die Demokraten unter Nancy Pelosi scheinen ihn erstmals ausmanövriert zu haben. Hinzu kommt der bald erwartete Bericht von Russland-Sonderermittler Robert Mueller.

Trumps unerwartetes Venezuela-Statement platzte mitten in den Shutdown-Streit. In den US-Medien sorgte es zumindest vorübergehend für einen willkommenen Schlagzeilenwechsel. Viele Kommentatoren loben Trump nun dafür, politisch und moralisch das Richtige zu tun. Andere zeigen sich aber skeptisch - zu transparent seien seine Beweggründe.

In Gesprächen mit Journalisten wurde Sicherheitsberater Bolton mehrmals gefragt, warum Trump auf einmal so gegen Maduro einschreite, aber nicht gegen andere Autokraten, Diktatoren und Menschenrechtsverletzer. Eine Antwort hatte er nicht.

Andere monieren - wie so oft bei Trump - die mangelnde Organisation. Seit 2010 haben die USA keinen Botschafter in Caracas, die restlichen US-Diplomaten dort sind nun weitgehend auf sich allein gestellt. Auch aus der Lateinamerika-Abteilung des Außenministeriums können sie wenig Unterstützung erwarten. Mehrere Top-Mitarbeiter hatten nach Trumps Amtsantritt gekündigt, ihre Stellen bleiben unbesetzt. Auch wegen dieses erheblichen Fachkräftemangels soll die Venezuela-Erklärung von Pence, Bolton und Außenminister Mike Pompeo im Alleingang eingefädelt worden sein.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Venezuelas Ölindustrie sei unter Hugo Chávez verstaatlicht worden, der von 1999 bis 2013 Präsident des Landes war. Tatsächlich fand die Verstaatlichung schon 1975 statt. Wir haben den Fehler korrigiert.

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