US-Krise um Migrantenkinder Was hinter Trumps Einwanderer-Dekret steckt
Donald Trump guckt grimmig in die Runde. "Ich konnte den Anblick und das Gefühl von getrennten Familien nicht ausstehen", sagt er. "Das Problem gab es seit vielen Jahren, wie Sie wissen, unter vielen Regierungen." Er schüttelt den Kopf. "Die Leute haben sich nicht darum gekümmert, und wir kümmern uns."
Dann kritzelt er seine Unterschrift aufs Papier und grinst wie ein Kidnapper, der seine Geiseln freigelassen hat: "Jetzt wird es viele glückliche Menschen geben."
Doch wie so oft stimmt nur wenig von dem, wofür sich Trump selbst lobt. Nichts ist, wie es scheint. Sondern eher andersrum und wahrscheinlich noch schlimmer.
Mit großem Brimborium unterzeichnete Trump am Mittwoch im Oval Office ein Dekret, das die kontroverse Trennung von Migrantenfamilien an der US-Südgrenze beenden soll. Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen stand hinter ihm: "Danke, Sir", gurrte sie. Sie hatte sich mit der Krise so demontiert, dass Protestler sie am Vorabend lautstark aus einem - ja, mexikanischen - Restaurant vergrault hatten.
Video: "Wie können Sie mexikanisches Essen genießen?"
Trumps Exekutivanordnung enthält viele blumige Phrasen und juristische Schnörkel. Was sie nicht enthält, ist eine Lösung, die getrennte Migrantenfamilien wieder vereint - und künftige Gräuel verhindert.
Zwar soll die US-Grenzpolizei illegale Einwanderer nun möglichst nicht mehr von ihren Kindern trennen. Doch die Verordnung enthält so viele Unklarheiten und Schlupflöcher sowie vor allem eine ganz neue, zwischen den Zeilen implizierte Brutalität, dass der politische Aufschrei, der Trump und seine Republikaner zu dieser Kehrtwende genötigt hatte, auch anschließend unvermindert weiterging.
Vor allem als sich prompt herausstellte, dass die Regierung weder einen Plan noch die Absicht hat, die mehr als 2300 Kinder, die noch in den Lagern sitzen, wieder mit ihren Eltern zu vereinen. "Bestehende Fälle werden nicht rückwirkend gelöst", sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch unter Berufung aufs Weiße Haus.
Was mit diesen Kindern geschehen soll, ist also völlig offen. Verantwortlich für die Familienzusammenführung, so das unglaubliche Argument, seien die Eltern.

USA: So sieht es in Trumps Kinderlagern aus
Auch für die Zukunft verspricht das Dekret nur neuen Horror. "Es bietet keine 'Lösung'", sagt Nicole Austin-Hillery, die US-Chefin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Die Kinder könnten nun zwar bei ihren Eltern bleiben, würden dann aber einfach mit ihnen inhaftiert. "Wer Familien einsperrt, der sperrt Kinder ein."
Denn der Kern der Problems bleibt bestehen - Trumps "Null-Toleranz-Linie", die undokumentierte Einwanderer automatisch kriminalisiert und einsperrt. "Wir haben null Toleranz für Leute, die illegal in unser Land kommen", wiederholte Trump, der diese Leute zuvor mit Ungeziefer verglichen hatte, das die USA "verpestet".
Bisher müssen zumindest deren Kinder nach 20 Tagen wieder freigelassen werden, so schreibt es ein Gerichtsvergleich von 1997 vor, der die Misshandlung minderjähriger Einwanderer beenden sollte. Die Trump-Regierung will diese Kinderfrist nun aber abschaffen, "so dass wir die gesamte Familie länger als 20 Tage festhalten können", sagte Gene Hamilton, ein Berater von Justizminister Jeff Sessions. Sprich: Auch die Kinder sollen fortan unbefristet hinter Gittern sitzen können.
Video: Einblick in die Auffanglager für Kinder
Das nennt man dann wohl verschlimmbessern: "Die Exekutivanordnung würde es erlauben, Migrantenkinder auf unbestimmte Zeit in gefängnisähnlichen Bedingungen zu halten", sagte Wendy Young, die Präsidentin der Kinderschutzorganisation Kids in Need of Defense. "Das ist nur ein weiterer Akt erbärmlicher Grausamkeit gegen Einwandererkinder."
Der Beschluss droht außerdem so auch eine ganz neue Klasse von Lagern an der US-Südgrenze zu schaffen, für Erwachsene und Kinder. Diese "Konzentrationslager für Familien", wie Angelica Salas, die Chefin der Coalition for Humane Immigrant Rights, sie nennt, sollen vom Verteidigungsministerium geleitet werden. Statt die Lage der Migranten zu verbessern, wird die Entscheidung für viele also das Gegenteil bewirken. Schwacher Trost: Sie dürfen mit ihren Kindern leiden.
Trumps Absicht, auch die Kinder nun unbefristet einzusperren, wird allerdings auf gerichtlichen Widerstand stoßen. Der Vergleich von 1997 hatte schon George W. Bush und Barack Obama die Hände gebunden. Deren Lösung: Sie ließen die gesamten Familien nach spätestens 20 Tagen frei. Das dürfte Trump ablehnen und die Kinder doch wieder trennen - nur dann mit der Ausrede, dass ihm die Gerichte keine andere Wahl ließen.
Die zuständige Richterin Dolly Gee, die den Vergleich von 1997 formuliert hatte und ihn jetzt aufheben müsste, sitzt an einem Bundesgericht in San Francisco. Sie ist die Tochter von bettelarmen Einwanderern aus einem kleinen Dorf in China.