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Trumps Amtsführung Der fiebrige Präsident

Ob bei politischen Empfängen oder vor Pfadfindern: Donald Trump lässt keine Gelegenheit aus, Konflikte mit seinen Gegnern anzuheizen. Der Etappensieg bei der Gesundheitsreform könnte deshalb nur von kurzer Dauer sein.

Der Libanon ist ein fragiles Land. Es hat einen Bürgerkrieg und Anschlagsserien hinter sich, ist Heimat der Schiitenmiliz Hisbollah und mittlerweile auch von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge. Regierungschef Saad Hariri, dessen Vater als Premier ermordet wurde, hat also vermutlich genügend eigene Sorgen.

Dennoch sollte Hariri sich nach Ansicht von Donald Trump auch für das Vorhaben des US-Präsidenten interessieren, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama zurückzudrehen. Diesem Ziel kam Trump am Dienstag einen kleinen Schritt näher, als der US-Senat ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren einleitete.

"Wir haben zusammengestanden und die Ergebnisse im Fernsehen geschaut", berichtete Trump bei einem gemeinsamen Auftritt mit Hariri im Rosengarten des Weißen Hauses. "Und Sie fanden es sehr interessant, hoffe ich" - höfliche Zustimmung des Gastes - "und sehr wichtig."

Trump und der libanesische Premier im Rosengarten des Weißen Hauses

Trump und der libanesische Premier im Rosengarten des Weißen Hauses

Foto: Pablo Martinez Monsivais/ AP

Kein Präsident im herkömmlichen Sinne

Selbst wenn Hariri, der in Washington studierte, tatsächlich Interesse an Obamacare hat: Es dürfte nicht annähernd der Wahrnehmung des Präsidenten entsprechen. So wichtig war Trump der "große Tag in unserem Land", dass er ihn gleich zweimal ansprach. Vom Kampf gegen den IS und der humanitären Krise unter syrischen Flüchtlingen kam Trump so bald wieder zum "Desaster", das die erstmalige Krankenversicherung von Millionen Amerikanern unter Obama angeblich für das Land darstellt.

Auch nach einem halben Jahr im Amt kann oder will Trump kein Präsident im herkömmlichen Sinn sein. Dazu würde gehören, sich zumindest nach außen als Vertreter des gesamten Landes zu präsentieren, der über die Konflikte des politischen Tagesgeschäfts erhaben ist. Trump dagegen heizt Konflikte an - auch mit Mitgliedern der eigenen Regierung.

Bislang prominentestes Opfer: Jeff Sessions. Schon in der vergangenen Woche hatte Trump seinen Justizminister per Interview bloßgestellt, auf Twitter setzte er die Attacken fort. Im Rosengarten zeigte Trump sich nun erneut "sehr enttäuscht" von Sessions. Auf die Frage nach seiner Zukunft sagte er lediglich: "Das wird sich zeigen."

"Der Würde des Amts nicht angemessen"

Sessions ist ein Sündenbock. Trump nimmt ihm übel, dass er sich in der Russlandaffäre für befangen erklärte und damit die Einsetzung des Sonderermittlers Robert Mueller ermöglichte. Durch die Dauerattacken hofft Trump offenbar, Sessions zum freiwilligen Rücktritt zu bringen. Ein Rauswurf könnte zu offensichtlich nach einer Behinderung der Justiz aussehen, nachdem Trump im Mai schon FBI-Chef James Comey feuerte.

Das öffentliche Mobbing sorgt auch in Trumps Partei für Unbehagen. "Herr Präsident, vielleicht einfach mal ein Treffen probieren", schlug der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger auf Twitter vor. Trumps Umgang mit dem Minister sei "der Würde des Amts nicht angemessen". Der demokratische Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer, warnte Trump vor dem Versuch, über die Sommerpause Sessions und Mueller loszuwerden. Er glaube nicht, dass sich die Republikaner "an einer Verfassungskrise mitschuldig machen würden".

Dass Trump die Lage so weit eskalieren ließ, spricht dafür, dass er unter enormem Druck steht. Schon ohne Ermittlungen der Justiz sind die Belastungen im Weißen Haus groß. Wer die Hitze nicht ertrage, solle die Küche verlassen, riet US-Präsident Harry Truman bereits in den Vierzigerjahren. In der Russlandaffäre stieg die Temperatur am Dienstag kurzfristig, als der Justizausschuss des Senats Trumps Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort unter der Androhung von Strafe vorlud. Nachdem Manafort sich offenbar kooperativ zeigte, wurde die Drohung am Abend wieder fallengelassen.

Fake News, Albtraum, Kloake - alles nur ein Scherz

Es gibt genügend Beispiele von Präsidenten, die auch große Affären überstanden haben. Zu ihnen gehört Bill Clinton, der trotz jahrelanger Untersuchungen durch einen Sonderermittler und einem Amtsenthebungsverfahren Präsident blieb. Eine bewährte Strategie ist es, zum Skandal weitgehend zu schweigen und stattdessen mit repräsentativen Auftritten für Positivschlagzeilen zu sorgen. Das hätte Donald Trump etwa versuchen können, als er am Montagabend vor rund 40.000 aufgeregte Pfadfinder in West Virginia trat.

Im Video: Trump bei den Pfadfindern

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Doch selbst vor diesem Publikum schaffte der Präsident es nicht, die Politik außen vor zu lassen - obwohl er genau dies zu Beginn ankündigte. Nach kurzer Zeit war Trump wieder bei den "Fake News", dem "Albtraum Obamacare" und der "Kloake" Washington. Es habe sich angefühlt wie "die Jugendkundgebung eines autoritären Dritte-Welt-Herrschers", kommentierte John McLaughlin. Der Mann ist kein linker Aktivist, sondern war Vizechef der CIA.

Trump bei einem Pfadfindertreffen in West-Virginia

Trump bei einem Pfadfindertreffen in West-Virginia

Foto: SAUL LOEB/ AFP

Vor den Pfadfindern drohte Trump auch seinem Gesundheitsminister Tom Price mit Entlassung, falls dieser nicht die notwendigen Stimmen gegen Obamacare zusammenbekomme. Alles nur ein Scherz, versicherte der Präsident direkt im Anschluss. Nach der erfolgreichen Abstimmung im Senat kann Price wohl erst mal aufatmen.

Erste Abstimmung über Gesundheitsgesetz scheitert

Ob die Gesundheitsreform aber auch weiterhin die vom Trump-Lager ersehnten Erfolgsmeldungen bringt, ist ungewiss. Denn völlig unklar blieb auch nach Beginn des Verfahrens, über welche Reformvariante der Senat letztlich abstimmen wird. Davon aber hängt ab, ob mehrere republikanische Senatoren ihre bisherige Blockade aufgeben. Ein erster Versuch scheiterte in der Nacht mit 43 zu 57 Stimmen, weitere werden am Mittwoch und Donnerstag folgen.

Dass der Kongress Trump nicht blind gehorcht, bewies das Repräsentantenhaus am Dienstag, indem es sich gegen Trumps Willen für verschärfte Sanktionen gegen Russland aussprach. Im Senat könnte Trumps Umgang mit Sessions den Widerstandsgeist sogar noch verstärkt haben. Mehrere Senatoren erklärten sich ausdrücklich solidarisch mit dem Justizminister.

An die Unabhängigkeit des Kongresses erinnerte in einer vielbeachteten Rede auch John McCain. Wenige Tage nach Bekanntwerden einer schweren Krebserkrankung war der mächtige Senator von Arizona an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt und hatte so Trumps Etappensieg erst möglich gemacht. Als "sehr tapferen Mann", lobte ihn Trump dafür. Vor zwei Jahren hatte er McCain noch dafür verspottet, dass er im Vietnamkrieg in Gefangenschaft geriet.

McCain zeigte sich unbeeindruckt von Trumps neuen Tönen. "Egal, ob wir zur selben Partei gehören oder nicht: Wir sind nicht die Untergebenen des Präsidenten", ermahnte der noch deutlich von seiner Operation gezeichnete Senator seine Kollegen. "Wir sind ihm gleichgestellt."

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