Amerika-Serie Wie Trump sich reich rechnet

Wenn US-Präsident Trump über sein Vermögen spricht, reichen Superlative nicht aus. Die Angebereien haben mit der Wahrheit aber wenig zu tun.
Trump Tower

Trump Tower

Foto: SPENCER PLATT/ AFP

Wie reich ist Donald Trump?

Im Jahr 1978 gab er in seiner Steuererklärung einen Verlust, ein "negatives Vermögen", in Höhe von 406.379 Dollar an, einige Jahre später waren es etwa 3,44 Millionen Dollar minus. Das allerdings war Taktik und erlaubte Steuervermeidung: Gebühren, Gehälter, Investitionen konnten von den Einnahmen bis in mitleiderregende Tiefen abgezogen werden.

Trump sagt, dass er Mar-a-Lago, seinen Klub in Florida, 1985 bar bezahlt habe: fünf Millionen Dollar für Grund und Boden, plus drei Millionen für Ausstattung und Einrichtung. Das stimmt nicht. Er hatte damals nur 2800 Dollar in bar, die Bank Chase Manhattan hatte ihm einen Kredit in Höhe von zehn Millionen Dollar gegeben.

1990 erzählte er dem Reporter David Cay Johnston, dass sein Vermögen drei Milliarden Dollar betrage; fünf Milliarden, sagte er anderen. Beides war dreist gelogen. Als es um die Lizenzen seiner drei Casinos in Atlantic City ging, belegten Banken, dass Trump im Großen und Ganzen sogar 300 Millionen Euro Schulden hatte.

Im Frühjahr 2015 sagte Trump, er habe ein Nettovermögen von 11, dann 10, dann 8,7 Milliarden Dollar; er nannte an drei verschiedenen Tagen tatsächlich diese drei Werte. Für Trump ist die Größe des eigenen Vermögens essenziell: Daran misst er Leistung, daran misst er sich selbst im Vergleich zu anderen Menschen, daraus leitet er Selbstachtung ab. Der Journalist Tim O'Brien veröffentlichte 2005 das Buch "Trump Nation" und ermittelte Trumps Vermögen: zwischen 150 und 250 Millionen Dollar. Trump verklagte O'Brien auf Rufmord: O'Brien würde Trumps Vermögen bewusst schmälern, um mehr Bücher zu verkaufen. Trump musste unter Eid aussagen und sagte: "Mein Nettovermögen variiert, es geht hinauf und hinab, mit den Märkten und mit Ansichten und Gefühlen, auch meinen eigenen Gefühlen."

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Der Anwalt des Reporters sagte: "Lassen Sie mich das bitte verstehen. Sie sagen, Ihr Vermögen steigt und fällt auf der Grundlage Ihrer Gefühle?"

"Ja", sagte Trump, "auch auf der Grundlage meiner Gefühle, darüber, wo die Welt steht, wohin die Welt sich entwickelt, und das kann sich von einem auf den anderen Tag rapide verändern. Dann hast du einen 11. September und fühlst dich nicht gut, was dich selbst angeht, und du fühlst dich nicht gut, was den Zustand der Welt und den Zustand New Yorks angeht. Und dann, ein Jahr später, ist die Stadt heiß wie eine geladene Knarre. Selbst Monate später fühlte es sich anders an. Also ja, meine eigenen Gefühle bedingen mein Vermögen und meinen Wert."

"Wenn Sie öffentlich Ihr Vermögen angeben, worauf gründen Sie diesen Wert?"

Und Trump: "Ich würde sagen: auf meine generelle Haltung zu dem Zeitpunkt, an dem die Frage gestellt wird. Und wie ich sage, diese verändert sich."

Der wirtschaftliche Aufstieg des jungen Donald Trump hatte viele Gründe. Einer war der Vater, der ihm das Startkapital gab und in späteren Jahren aushalf, wenn Geld fehlte. Einer war Wagemut: Donald Trump, der Junge aus Queens, wollte Manhattan erobern, und in einer Zeit der Krisen, der Verbrechen, der Verrohung einer Stadt, die nicht mehr steuerbar zu sein schien, sah er vor allem Möglichkeiten. Er hatte Fantasie, Kraft, er traute sich. Dann war da diese ständige Grauzone: Trump versprach Geschäftspartnern Dinge, die er nicht hätte versprechen dürfen. Stets sagte er einem Zweiten, dass ein Dritter bereits eingestiegen war, und diesem Dritten erzählte er es umgekehrt. Und wenn sein Modell aufflog, vertraute er darauf, dass Banken oder der Bundesstaat New Jersey so tief involviert waren, dass sie ihn nicht mehr fallenlassen konnten. Manchmal war es knapp, stets ging es gut aus, aus Trumps Sicht.

Und schließlich war da eine Nähe zu Halbwelt und Unterwelt, die der Präsident der USA heute, drei bis fünf Jahrzehnte später, nicht mehr erwähnt, wenn er von seinen Heldentaten spricht.

Auf Roy Cohn, den ganz und gar skrupellosen Anwalt, traf Trump in jenem Klub, der "Le Club" hieß, Third Avenue, Ecke 75. Straße; "der heißeste Klub der Stadt und vielleicht der exklusivste", so erzählte Trump später, "wie das Studio 54 auf dessen Höhepunkt. Zu seinen Mitgliedern zählten die erfolgreichsten Männer und schönsten Frauen der Welt. Es war diese Sorte Nachtklub, wo man einen reichen 75-Jährigen mit drei Blondinen aus Schweden traf". 1200 Mitglieder hatte "Le Club", darunter laut Selbstauskunft dreizehn Prinzen, vier Barone, drei Prinzessinnen.

Trump wurde abgewiesen, verhandelte, wurde aufgenommen und sagte, die Bedingung sei gewesen, dass er nicht Jagd auf verheiratete Damen machen würde: "Ich war halt Single und jung und sah gut aus." Dort also traf Trump auf Cohn, den Mann, der den Ruf hatte, niemals Vergleiche zu schließen. Und Cohn wurde sein Schläger, sein Killer, im übertragenen Sinne: Jede Klage konterte Cohn mit Gegenklagen und Verleumdungen; sobald die amerikanische Regierung es wagte, gegen die Trump-Familie ermitteln zu lassen, weil diese nicht an Schwarze vermieten wollte, antwortete Cohn mit einer Schadensersatzforderung von 100 Millionen Dollar. "Gnadenlos" sei Cohn gewesen, so Trump, "er wurde für dich brutal."

Cohn war für alle großen und auch für kleinere Dienstleistungen genau der Richtige. 1983 kaufte Trump bei Bulgari auf der Fifth Avenue eine Halskette für gut 50.000 Dollar. Er nannte eine Adresse außerhalb New Yorks, und dorthin wurde eine leere Geschenkbox geschickt. Wenig später kaufte Trump Juwelen für 15.000 Dollar. Diesmal ging eine leere Geschenkbox an Roy Cohns Adresse in Connecticut. Der Trick: Trump nahm die Klunker jeweils sofort mit. Der Grund: Durch den Versand über die Grenzen des Bundesstaates New York hinweg sparte er dessen Steuern. Und in den Staaten, in welche die leeren Pakete geschickt wurden, trieb niemand deren - niedrigere - Steuern ein. Cohns Idee. Auf diese Weise kauften auch andere ein: Frank Sinatra oder der Waffenhändler Adnan Kashoggi. Auch mit dem saßen Cohn und Trump zusammen, so vergnügt, dass Trump später Kashoggis 281-Fuß-Jacht "Flying Saucer" kaufte. "Trump Princess" hieß das Boot nun.

Und Cohn vermittelte Kontakte in jene Mafiawelt, die, das ist gerichtsfest bewiesen, eifrig mitmischte, als Trump seine ersten Hochhäuser baute.

Was sagt so etwas Jahre oder Jahrzehnte später noch aus?

Präsident Trump erzählt seine Geschichte als Heldenroman, er beschreibt sich als Genie, als brillanten Verhandler und als Mann der Tat.

Die Wahrheit ist: Er war tatsächlich ein Mann der Tat. Und da war Papa.

Da waren endlos viele Zufälle. Und da war das organisierte Verbrechen als Partner. Da waren Reichtum und Ruhm als einzige Ziele. Und Werte oder Moral oder der Glaube an irgendetwas anderes als Geld und Berühmtheit fehlten von Anfang an.

Er machte dann weiter. Er kaufte sich in die Footballliga USFL ein und forderte die große National Football League heraus, doch er scheiterte; sein Team und die ganze USFL waren schnell bankrott.

Wie reich also ist Donald Trump?

Es ist dokumentiert, dass er zwischen 1986 und 1990 mindestens 375,2 Millionen Dollar einnahm. Dieses Geld kam durch Immobiliengeschäfte und durch die Casinos herein. 90,5 Millionen Dollar brachten in diesen fünf Jahren das Trump's Castle und das Trump Plaza ein. Aber Trump, der solche Zahlen stolz berichtete, verwechselt gern brutto und netto: Einnahmen werden in seiner Erzählung zu Vermögen.

Steuern wurden fällig. Anwälte und Investmentbanker verlangten Gebühren. Geliehenes Geld ist teures Geld, Tilgungsraten waren hoch. Unternehmen wie die Fluglinie Trump Shuttle, 17 Flugzeuge, die viel Sprit und jede Menge Reparaturen benötigten, verbrannten Geld.

Darum: 1990 konnte Trump seine Rechnungen nicht bezahlen - das war jenes Jahr, als Trump sein Vermögen mit drei bzw. fünf Milliarden Dollar beziffert hatte. Private Rechnungen beglich er einfach nicht mehr. Handwerker verklagten ihn, aber er hatte das Geld nicht. Eine Hypothek über 73 Millionen Dollar für das Trump's Castle Casino Resort by the Bay war zu viel für ihn. 1,6 Millionen Dollar Vermögen seien 1990 noch übrig, so steht es in einem Papier der Regulierungsbehörde für die Casinos von Las Vegas.

Banker bezogen eine Etage im Trump Tower, um über Strategien und Rettungspläne zu beraten; 70 Kreditinstitute hatten Geld gegeben. Sie heuerten die Firma Kenneth Leventhal & Co. an, die Trumps Finanzen durchleuchten sollte, und deren Bericht kam netto auf Schulden von 295 Millionen Dollar.

Kein Reichtum also, damals. Null Vermögen. Es ist bewiesen, dass Trump 1991 und 1993 keinerlei Einkommensteuer zahlte.

Aber die Banken halfen ihm. Sie gaben 60 Millionen Dollar sofort. Am Ende legten sie fest, dass sein Firmenreich insgesamt 3,2 Milliarden Dollar Schulden hatte; persönlich haftete er für 833,5 Millionen Dollar. Die Banken waren ab sofort die wahren Eigentümer der vielen prächtigen Trump-Bauten. Die Jacht und die Flugzeuge wurden verkauft. Trump wurde auf eine Art Diät gesetzt: Er durfte pro Monat privat nur noch 450.000 Dollar ausgeben, was ihm schwerfiel. Es gab viele komplizierte Verträge über Umschuldung und insgesamt trotz allem vier gewaltige Bankrotte, durch welche jene Investoren, die an Donald Trump geglaubt hatten, insgesamt 1,5 Milliarden Dollar verloren.

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